Friedrich Theodor Vischer: „Im Hochgebirg“
Wir geben euch wieder ein Berggedicht mit in die Woche. Diesmal: „Im Hochgebirg“ vom deutschen Philosophen Friedrich Theodor Vischer (1807-1887).
„Steig, o Seele, mit diesen
Trutzigen Urweltriesen!
Recke dich!
Strecke dich! –
Wie ihr entschlossen
Beliebt auf Bergwelten
Seid emporgeschossen,
Das Steinherz in der Brust,
Das zu sehen ist Lust.
Ihr seid nicht höflich und fein,
Auch beliebt
Ihr lüget nicht, weich zu sein,
Euch macht nicht Sorge und Rücksicht bang,
Ihr bücket euch nicht, ihr fraget nicht lang,
Die Losung heißt: Durch! die Losung heißt: Kraft!
So habt ihr euch Platz in der Welt verschafft. _
Es wird Nacht.
Fort ist die Farbenpracht.
Finster und schwer
Stehn sie umher,
Schwarzblau mit düsteren Stirnen;
Selbst die weißen Firnen
Leuchten nicht mehr.
Aber o sieh, schau empor!
Ein Haupt ragt vor
Über alle und taucht
In des Lichtquells letzten fliehenden Schein
Den Scheitel ein,
Zart milchweiß und rosig angehaucht.“
Friedrich Theodor Vischer
Friedrich Theodor Vischer wurde 1807 in Ludwigsburg in Baden-Württemberg geboren und darf getrost als Tausendsassa bezeichnet werden: Er war Literaturwissenschaftler, Philosoph, Schriftsteller und Politiker. Zunächst schlug er dieselbe Laufbahn ein wie sein Vater und sah sich zum Pfarrer berufen. So studierte Vischer zunächst Theologie, Philosophie und Philologie an der Universität Tübingen, ehe er 1832 promovierte und zwei Jahre später schließlich Repetent am Tübinger Stift wurde.
Nur ein Jahr später allerdings trat er schon eine Stelle als Privatdozent für Ästhetik und deutsche Literatur an der Universität Tübingen an. Mit der Ernennung zum ordentlichen Professor erhielt er schließlich den neu geschaffenen Lehrstuhl für Ästhetik und deutsche Literatur. Kurzzeitig arbeitete er als Dozent in Zürich, immer wieder setzte Vischer auch zu längeren Reisen an. Im Rahmen einer solchen verstarb er schließlich an einer schweren Infektion: Vischer schied 1887 in Gmunden im Salzkammergut auf halbem Wege nach Venedig aus dem Leben.