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Bergwelten Hüttenwoche Südtirol

Hüttenwoche Tag 4: Besteigung des Piz Duleda, ein Schwarm Hornissen und herzhafter Karottenkuchen

• 22. Juni 2019
5 Min. Lesezeit
von Robert Maruna

Der vierte Tag der Hüttenwoche verspricht Abwechslung: während ein Teil der Online-Redaktion den Piz Duleda besteigt, dabei vom Hagelsturm überrascht wird und gegen Hornissen ankämpft, hilft die Chefetage in der Küche der Schlüterhütte aus, bevor sie am Nachmittag ebenfalls Wind und Wettter die Stirn bietet.

Piz Duleda
Foto: Hubert Niederwolfsgruber
Unser Ziel am vierten Tag: Der Piz Duleda (2.909 m)
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6:35 Uhr, die ersten Sonnenstrahlen haben sich ihren Weg über das Kreuzkofeljoch gebahnt und streifen die Gipfeltürme der Geislergruppe. Eigentlich ein schöner Anblick, wenn mein Kopf nicht gerade brummen würde, als ob ein halbes Hornissennest darin ihre Nachgeborenen ausbrüten würde. Die Aussage „Enzianschnaps ist reine Medizin!“, mag gestern Abend noch Sinn gemacht haben, seit heute Morgen kann ich allerdings bestätigen, dass selbst der beste Enzianbrand ab einer gewissen Menge zum leidvollen Narkotikum wird. Zum Glück riecht es bereits nach frischem Kaffee, also erstmal Cappucco.

Pünktlich auf die Minute steht Hubert eine knappe Stunde später im Gastraum der Schlüterhüte. Verschmitztes Grinsen, breite Schultern, stämmiger Gang, ruhige Stimme und waschechter Südtiroler Dialekt. Hubert ist Bergführer und wird uns heute auf den Piz Duleda (2.909 m) begleiten. Mit der Pünktlichkeit nimmt er es dann aber doch nicht so genau und bestellt sich kurzerhand noch einen Milchkaffe. Vielleicht hat er aber auch den müden Ausdruck in unseren Gesichtern einfach richtig gedeutet und gedacht, „denen gebe ich noch ein paar Minuten“. Wir nehmen sie dankend an.

Wir marschieren los. Strahlender Sonnenschein, keine Wolke am Himmel, grüne Almwiesen vor uns und viele brummende Hornissen in meinem Kopf. Egal, einfach mal losgehen, Rhythmus finden, Landschaft genießen, frische Luft einatmen und giftigen Sauerstoff raus keuchen. Nach wenigen Minuten schließe ich zur Gruppe auf und hefte mich an Huberts Fersen. Wir kommen ins Gespräch: ferne Länder, hohe Gipfel, alpines Klettern und steiles Skifahren bestimmen die Themen. Er dürfte er die halbe Welt per Ski, Steigeisen und Schlaghacken bereist haben. Seinem Geburtsort St. Magdalena im Villnößtal ist er trotzdem treu geblieben. Hier lebt und arbeitet er, auch wenn er die meiste Zeit des Jahres mit Klienten im Ausland unterwegs ist. Vor ein paar Wochen war er noch auf den Lofoten zum Skitourengehen.

Hubert und Robert
Foto: Martin Foszczynski
Hubert zeigt mir Steilrinnen für den Winter, rechts erkennt man schon den Piz Duleda

Während wir so gehen und reden, vergessen wir völlig auf die Umgebung und beinahe auch auf den Rest der Gruppe: Wir haben das Bronnsoijoch bereits umrundet und stehen auf der grünen Wiese der Medalges Alm. Wir bleiben stehen und warten. Ein helles Pfeifen durchfährt die Stille des Tals – Murmeltiere. „Die gibt’s hier zu genüge“, meint Hubert. Da sie unter Schutz stehen und nun nicht mehr gejagt werden dürfen, haben sich die rundlichen Nagetiere in Windeseile vermehrt und reißen nun überall Löcher in den Almboden. Sieht lustig aus, aber die Landwirte haben nicht gerade die größte Freude damit. Katrin, Martin und Julia haben aufgeschlossen und wir gehen weiter.

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Stapfend durch den Schnee

Vorbei am Kreuzjoch, folgen wir dem Dolomiten Höhenweg Nr. 2 unterhalb der Ost-Flanke des Wasserkofel (Sas dal Ega, 2.924 m). Ein schmaler Schotterpfad, der immer wieder von großen Altschneefelder überdeckt ist. Über unseren Köpfen springt eine Horde Gämse im steilen Gelände herum. Die Gamspopulation ist in den letzten Jahren durch eine Milbenkrankheit dezimiert worden, erzählt Hubert, doch glücklicherweise sind die agilen Vierbeiner nicht nur im unwegsamen Gelände Paradekünstler, sondern auch widerstandsfähig gegenüber den Launen der Natur und konnten sich wieder revitalisieren.

Wir sind am Fuße der Roascharte angelangt, vor uns ein steiles Schneefeld. Wir legen die Gamaschen an und stapfen weiter bergauf. Gesprochen wird nun weniger, jeder konzentriert sich auf den nächsten Schritt und im Handumdrehen stehen wir auf dem Schotterplateau der Roascharte.

Roascharte
Foto: Hubert Niederwolfsgruber
In der Roascharte liegt noch einiges an Schnee

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„Jetzt ist‘s nimma weit, eine knappe Stunde vielleicht“, meint Hubert, während wir Klettergurt und Helm anlegen. „Jetzt beginnt der lustige Teil unserer Wanderung“, sag ich zu mir selbst und folge Huberts Fußspuren. Der Klettersteig über die Niedesscharte entpuppt sich jedoch als weit weniger anspruchsvoll als gedacht: ein paar Mal im Drahtseil einhängen, eine kurze Stahlleiter hinauf und schon spuckt uns der dunkle Kamin auf dem Gipfelplateau wieder aus.

Klettersteig Piz Duleda
Foto: Hubert Niederwolfsgruber
Ein kurzer Klettersteig führt bis zur Nivesscharte

Wir legen die Rucksäcke ab und laufen die letzten Meter rauf zum Gipfel. Im Süden hat sich bereits eine dunkle Gewitterfront zusammengebraut – die Zeit drängt. Oben angekommen eröffnet sich uns ein weiter Blick über das Gadertal und die umliegenden Gebirgsketten im Hintergrund. Da reiht sich ein Gipfel an den nächsten, manche steil und zackig, andere wieder rund und eben. Wir schießen das obligatorisches Gipfelfoto, da hören wir bereits den ersten Donner hinter uns hallen.

Piz Duleda
Foto: Hubert Niederwolfgruber
Das obligatorische Gipfelfoto

Also absteigen. Wir eilen runter zu unserem Materialdepot an der Niedesscharte und schaffen es gerade noch vor dem bevorstehenden Platzregen unsere Regenjacke überzustreifen. Zumindest die von uns, die eine dabei haben – die noch immer leicht brummenden Hornissen in meinem Kopf haben mich heute morgen darauf vergessen lassen, doch Katrin hilft mir mit ihrer rosaroten Daunenjacke aus. Wir setzen den Abstieg fort.

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Wieder zurück an der Roascharte: Der Regen hat nachgelassen, doch die zweite graue Wolkenwand braut sich bereits über den Fermeda-Türmen zusammen. Klettergurt ab-, Gamaschen wieder anlegen und runter geht‘s über das steile Schneefeld. Da, wo sich unter dem Schnee eine dünne Eisschicht verbirgt, können wir wunderbar hinabrutschen; dort, wo der Schnee sulzig und durchgeweicht ist, brechen wir bis zur Hüfte ein und sammeln gehörig Altschnee in unseren Bergschuhen. Da helfen auch keine Gamaschen mehr. Unten angelangt, setzen wir den weiteren Fußmarsch zur Medalges-Alm fort. Noch gerade rechtzeitig schaffen wir es ins Innere der kleinen Berghütte, bevor Sturm und Hagel einsetzen.

Medalges-Alm
Foto: Martin Foszczynski
Wir trocknen uns und unsere Ausrüstung am Ofen der Medalges-Alm

Drinnen heizt Hüttenwirtin Sandra den Holzofen ein und wir wärmen uns am knisternden Feuer. Die Hornissen in meinem Kopf sind mittlerweile fast verstummt, bei Kaffee und Zirbenschnaps lauschen wir den Anekdoten aus Sandras Hüttenleben: über den Abbrand und Wiederaufbau der kleinen Alm vor 15 Jahren, über Schneefälle mitten im August und, wie man vier Monaten pro Jahr ohne Strom und fließendes Wasser auf der Alm lebt. Schneien tut es glücklicherweise noch nicht, aber der Hagelsturm hält an. Also warten wir.

Eine knappe Stunde später öffnet sich die Wolkendecke und wir brechen zum weiteren Rückweg auf. Keine zehn Minuten später setzen Sturm und Hagel wieder ein, wir trotzen dem Wetter und marschieren schweigend weiter. Am Kreuzjoch angekommen kann ich die Schlüterhütte in naher Ferne bereits erkennen, doch etwas ganz Anderes – nur wenige Meter vor mir – weckt mein Interesse: Ein Wanderer, umhüllt von einer großen blauen Baustoffplane, steht hinter der Geländekante und starrt in die Ferne. Auf die Frage hin, ob es ihm gut geht und wohin ihn sein weiterer Weg führt, entgegnet er bloß: „I am looking for the next spot, Man!“. Wo dieser „spot“ genau ist, weiß er noch nicht, aber der junge Amerikaner folgt dem Dolomitenweg Nr. 2: Am Rücken ein großer Rucksack, an den Füßen leichte Turnschuhe und statt einer Regenjacke hat er bloß die blaue Baustoffplane. Mit der Planung dürfte er es wohl nicht so genau nehmen, aber sein Wille weiterzugehen ist trotz des Hagelsturms ungebrochen. Wir zeigen ihm den Weg zur Medalges Alm, wünschen ihm weiterhin viel Glück und unsere Wege trennen sich.

Peitlerkofel nach Hagel
Foto: Martin Foszczynski
Nach dem Sturm: Hagelkörner haben die Landschaft unter dem Peitlerkofel angezuckert

Nur wenige Minuten später klingt der Hagelsturm wieder ab, die Wolken öffnen sich und die Sonne zeigt sich. Gerade rechtzeitig, als wir auf der Sonnenterasse der Hütte angelangt sind, denn dort wartet man bereits mit Kaffee und Kuchen auf uns. Wir legen die Rucksäcke ab und atmen durch. Die Hornissen in meinem Kopf sind nun endlich Geschichte.

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