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Max Berger: „Für mich zählt das Erlebnis“

Menschen

4 Min.

24.07.2019

Foto: Juan Carlos San Sotero

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von Robert Maruna

Max Berger, 50, ist professioneller Alpinist und Extrembergsteiger. Der aus Grünau im Almtal stammende Geschäftsführer der Bergsportfirma Petzl wollte als erster Mensch vom Gipfel des K2 abheben und mit dem Gleitschirm zu Tal fliegen. Der Gipfel blieb ihm leider verwehrt, doch geflogen ist er trotzdem. Im exklusiven Gespräch mit Bergwelten erzählt er warum ein Misserfolg nicht unglücklich macht und warum er die 8.000er-Gipfel in Zukunft bleiben lassen wird. 

Bergwelten: Max, du hast dein eigentliches Ziel, den Gipfel des K2, leider nicht erreicht, dafür bist du – als vermutlich erster Mensch – von der Schulter des Berges mit dem Gleitschirm zum Baltoro-Gletscher geflogen. Bist du mit dem Ausgang der Expedition dennoch zufrieden?

Max Berger: Es ist hart, die Entscheidung treffen zu müssen, nicht auf den Gipfel zu gehen. Aber so ist Bergsteigen nun einmal: der Erfolg hängt von vielen Faktoren ab, nicht bloß von der eigenen Leistungsfähigkeit. In meinen Augen macht Erfolg weder glücklich noch Misserfolg unglücklich, beides ist Teil des Gesamterlebnisses Bergsteigen. Mein Flug von der Schulter des K2 war Teil des Gesamtprojektes und ein unvergessliches Erlebnis. Und Ja, ich war der erste Mensch der vom K2 geflogen ist, eine schöne Nummer, jedoch zählt für mich das Erlebnis.

Die Bedingungen am K2 waren diese Saison nicht gerade ideal, erzähl uns doch bitte ein bisschen von deiner (beinahe) Besteigung? Welche Route hast du gewählt und wieso?

Ich habe die Česen-Route (Südsüdostgrat) gewählt, welche auf der Schulter (eine Höhe von ca. 8.000m) auf die Abruzzi-Route trifft. Die Česen ist steiler, schneller, direkter und hat heuer hervorragende Verhältnisse aufgewiesen. Außerdem steigt ein Großteil der Bergsteiger über die Abruzzi-Route auf, das war für mich ein weiterer Grund die Česen zu wählen.


Hier seht ihr Max Berger bei seinem Flug von der Schulter des K2

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Trotzdem ist dann leider nicht alles nach Plan gelaufen, oder?

Zu Beginn schon. Ich konnte am ersten Tag zu Lager 2 aufsteigen, verbrachte dort eine stürmische Nacht mit starkem Wind und Schneefall. Die beiden nächsten Tage stieg ich zu Lager 3 und 4 auf, aufgrund des Schneefalls musste ich allerdings viel Spurarbeit leisten – und das kostet jede Menge Kraft, die mit jedem Höhenmeter sowieso schwindet. Während ich mich auf Lager 4 (Schulter 8.000 m) befand, sind bei den Fixierarbeiten der Seile bereits drei Schneebretter abgegangen, wobei immer Personen (Sherpa aus dem Fixierteam) an der Auslösung beteiligt waren.

Die Situation war also mehr als heikel. In der Nacht vom 17. Juli war das Fixierteam in der Flaschenhalstraverse auf ungefähr 8.300 m unterwegs und über 40 Bergsteiger warteten darauf weiter hinauf klettern zu können. Der Schnee war mannstief, ein Voranschreiten war aussichtslos und einfach zu gefährlich. Ein Lawinenabgang hätte dutzende Menschenleben gefordert, also haben wir den Aufstieg zum Gipfel abgebrochen.

Zurück zu deinem Flug mit dem Gleitschirm: Nachdem noch niemand dieses Wagnis eingegangen ist und es daher keine Erfahrungswerte über solch einen Flug gibt – wie hast du dich darauf vorbereitet?

Auf die Höhe habe ich mich bereits daheim vorbereitet. Ich habe mehrere Wochen in einem Hypoxiezelt übernachtet, um die entsprechende Höhe zu simulieren. Furtenbach Adventures wendet dieses System bereits mehrere Jahre sehr erfolgreich an. Aufgrund dieser Vorbereitungsmethode stand ich 14 Tage, nachdem ich von daheim aufgebrochen bin, bereits am Gipfel des Broad Peak und hatte absolut keine Höhenprobleme. Auf den Flug vom K2 konnte ich mich nicht wirklich vorbereiten, ich hatte keine Ahnung wie der Schirm bei solch geringem Luftdruck startet. Ich hatte jedoch gute Geländeinfos von Gerlinde Kaltenbrunner erhalten, die mich ja eigentlich erst auf diese Idee gebracht hat. Nachdem ich dann vom Broad Peak hinab geflogen bin war mir klar, dass es klappen muss – vorausgesetzt der Wind passt!

Zum Glück hat der Wind gepasst. Was für Gedanken gehen einem da eigentlich durch den Kopf, wenn man auf 8.000 m den Paragleitschirm auspackt, losrennt und abhebt?

Echt schwer zu beschreiben; es war eines der grandiosesten Erlebnisse meiner doch schon langen Bergsportkarriere. Mein wichtigster Gedanke war, es muss beim ersten Mal klappen, nur keinen Fehlstart, denn solch ein Anlauf auf 8.000 m ist echt die Hölle, wenn man im Stehen schon kaum mehr Luft bekommt. Danach hebst du ab, und es herrscht pure Freude – Begeisterung fürs Leben.

Hast du eigentlich „Starthilfe“ von einem Team erhalten oder warst du alleine unterwegs?

Ich war als Expeditionsleiter für Furtenbach Adventures unterwegs, hatte jedoch am Berg meine absolute Freiheit.

Stichwort Freiheit: In Bezug auf deine Gleitschirm-Ausrüstung hat sich wohl das Gewicht deines Rucksacks erhöht, was für einen Typ von Schirm hattest du dabei? 

Ich bin mit einem Run & Fly von Duden geflogen, dem leichtesten Singleskin der derzeit am Markt ist; ca 1 kg bei 18 qm. Es war das erste Modell aus dieser Produktion. Als Gurt hatte ich einen Klettergurt, den Fly von Petzl.

Dein Abstieg zum Baltoro-Gletscher hat gerade einmal 17 Minuten, Anstelle eines zweitägigen Fußmarsches, benötigt: Ist Hike and Fly die Zukunft des Höhenbergsteigens?

Ich denke es wird künftig viele Nachahmer geben. Vor allem ambitionierte Bergsteiger mit guter Gleitschirmerfahrung, die eher wegen des Fliegens, als wegen des eigentlichen Bergsteigens auf die hohen Berge möchte. Sofern dieser Typ von Bergsteiger Überhand nehmen sollte, werden jedoch auch die Unfallzahlen steigen. In diesem Fall sollten die Behörden einschreiten, die Zahl der fliegenden Bergsteiger limitieren oder Permits verlangen. Ich hatte bei meinen zwei Flügen von über 8.000 m Höhe wahnsinniges Wetterglück; normalerweise herrschen auf solchen Bergen unglaublich hohe Windgeschwindigkeit, wodurch du immer zum Runtergehen gezwungen wirst.

Eine abschließende Frage noch: Die Lawinengefahr hat dich und alle anderen Bergsteiger an diesem Tag dazu gezwungen dem Gipfel den Rücken zuzukehren. Wirst du wiederkommen und es erneut versuchen?

Vorerst nicht. Die 8.000er-Berge habe ich zunächst einmal abgehakt. An diesen Bergen tummelt sich eine ganz eigene Klientel, welche nicht meine Philosophie des Bergsports verkörpert. Die Art und Weise wie solche Berge bestiegen werden entspricht auch nicht unbedingt meinem Stil. Ganz ausschließen möchte ich die hohen Berge aber nicht – es kommt wohl darauf an, für welchen Gipfel ich ein Flugpermit bekomme (lacht). In naher Zukunft möchte ich mich eher den anspruchsvollen 6.000ern und 7000ern widmen. Da gibt es genügend Möglichkeiten, wo man ganz in Ruhe bergsteigen kann.