Mit dem E-Mountainbike zur Frühlings-Skitour
Wer im Frühling – und somit außerhalb des Liftbetriebs – Skitouren gehen möchte, musste bisher zum Schnee wandern oder aus eigener Kraft radeln. Die Schweizer Profi-Mountainbikerin Nathalie Schneitter hat mit dem E-Bike eine dritte Option ausprobiert.
Wenn in den Tälern bereits der Frühling Einzug hält, herrschen in den höheren Lagen die perfekten Bedingungen für ausgedehnte Skitouren. Je mehr der Frühling voranschreitet, desto länger wird vom Tal aus der Zustieg, um ausreichend Schnee zu finden. Dabei gibt es genau jetzt nordseitig feinsten Powder und südseitig schöne Firn-Abfahrten – und das alles bei relativ sicheren Lawinenverhältnissen.
Da die Passstraßen noch unter einer dicken Schneedecke begraben liegen und sich die meisten Liftunterstützungen bereits in die Frühlingspause verabschiedet haben, braucht es Alternativen. Bisher hießen die Optionen entweder: Gehen, und das vor und nach der Tour. Oder: mit dem Mountainbike bis zum Schnee radeln. Wobei Letzteres nur bedingt praktikabel ist – man muss bedenken, dass einen mit 15 Kilo Ausrüstung, Proviant, Skiern und Skischuhen am Rucksack die Schwerkraft auf steilen Forstwegen auf Wandertempo zurückbremst.
Doch moderne Technik kann Abhilfe schaffen. Das E-Mountainbike erlebte in den letzten Jahren einen wahren Siegeszug. Immer mehr Menschen vertrauen aus unterschiedlichen Gründen auf die E-Unterstützung. Logisch, dass diese technologische Entwicklung vor der Skitouren-Gemeinschaft keinen Halt macht und für den Zustieg genutzt wird.
Während die Aufstiege zu Fuß (zu) viel Zeit in Anspruch nehmen, machen sie mit einem E-Mountainbike sogar Spaß. Der Motor gleicht das zusätzliche Gewicht der Ski-Ausrüstung mühelos aus und dank der Power des Antriebs ist man nicht schon total außer Atem, wenn man auf die Skier umsteigt. Das gilt auch für etwas längere Aufstiege.
Beliebt auf Bergwelten
Elektrifiziertes Schnee-Abenteuer
Für meine E-Bike to Ski-Premiere entscheide ich mich für eine Tour, die maximales Panorama verspricht. Ich starte in Vaduz, dem Hauptort des Fürstentums Liechtenstein auf rund 500 Metern. Zwischen Österreich und der Schweiz am rechten Rheinufer gelegen, ist das Fürstentum eher als Kulturzentrum und Finanzplatz bekannt. Doch die Monarchie liegt mitten im europäischen Alpenbogen und bietet auch eine eindrückliche Gebirgswelt.
Skier und Ski-Schuhe an den Rucksack geschnallt, geht’s beim ersten Tageslicht los. Auf der ausgeschilderten Mountainbike-Route geht es steil in Richtung Triesenberg und schnell ist klar: Im Vergleich zur Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Auto beinhaltet die Anfahrt mit dem E-Mountainbike bereits ein Gefühl von Abenteuer. Zwischen blühenden Frühlingswiesen scheint das bevorstehende Schnee-Abenteuer zunächst noch fast irreal.
Auf der alten Malbun-Bergstrasse, fernab des motorisierten Verkehrs, führt die Route durch einen alten, schmalen Tunnel. Auf der Nordseite angelangt herrscht noch immer der Winter mit eisigem Griff. Tausend Höhenmeter sind schon geschafft und erst hier, ab der kleinen Ortschaft Steg, geht der eigentliche Zustieg los. Bis hierhin hätte man nämlich auch den Linienbus nehmen können.
Auch beliebt
Ab Steg geht es auf rund 1.300 Meter ins Tal hinein in Richtung Alp Valüna. Das E-Mountainbike bezwingt mit den breiten Reifen die Schneereste problemlos. Durch den niedrigen Schwerpunkt des Bikes liegt dieses stabil auf den Trails, was zusätzliche Sicherheit verschafft.
Hinten im Tal werde ich positiv überrascht, denn die Kiesstraße wurde bis zur ersten Alp schon geräumt und das bedeutet leichtes Vorwärtskommen. Mittlerweile ist es auch Zeit, das Rad stehen zu lassen, denn der Batteriestatus im Display zeigt an, dass ein paar Wattstunden für die Fahrt zurück nach Vaduz aufgespart werden sollten. Ab Heidböchel gilt deshalb: Skier anschnallen!
Zwischen Rheintal und Valüna
Das Tagesziel heißt Rappastein, ein 2.221 Meter hoher Gipfel, gelegen zwischen Rheintal und Valüna. Der Gipfel thront majestätisch über dem Rheintal und versprach bereits früh morgens aus Vaduz ein episches Panorama. Der Rucksack fühlt sich ohne Ski und Skischuhe fast schon leicht an und beschwingt laufe ich los, der Sonne entgegen. Bis zur Alp Gapfahl geht’s auf der zugeschneiten Kiesstraße gemächlich vorwärts, doch ab hier muss man im Zickzack-Kurs bis zum Grat die Rappasteinhalda hinauf. Das Lawinenrisiko ist heute „gering“ gemeldet, trotzdem ist eine vorsichtige Routenwahl angebracht.
Die Aussicht vom Grat lässt mich Innehalten und für einem Moment andächtig verweilen. Das Rheintal liegt in seinen Frühlingsfarben 1.500 Meter unter mir und die Sicht reicht von Säntis bis zum Bodensee. Die Schlüsselstelle der Tour steht nun unmittelbar bevor. Für einige Meter heißt es Skier wieder an den Rucksack binden und am Fix-Seil eine steile, kurze Wand hinauf stapfen. Technisch ist das keine große Sache, doch etwas Mut braucht es schon und auch Höhenangst wäre hier fehl am Platz. Schnell sind die Skier wieder an den Füssen – nur den Gipfelhang gilt es jetzt noch zu bewältigen vor der verdienten Rast am Gipfelkreuz.
Im Firn dem Frühling entgegen
Die Abfahrt beschert mir schöne Schwünge im Firn, mit Blick ins Tal, wo andere Menschen gleichzeitig auf dem Rheindamm Radfahren und Inlineskaten. Bei der Schlüsselstelle ziehe ich die Skier nochmals schnell aus und bezwinge sie sicher zu Fuß. Nun gilt es nochmals zu genießen, was der Tag skitechnisch zu bieten hat. Viel zu schnell bin ich wieder zurück beim E-Bike und mache mich auf den Rückweg. Bei der Alp Valüna genieße ich nochmals die Sonne im Gesicht inmitten der alpinen Bergwelt und nutze die Gelegenheit, um die Steigfelle zu trocknen.
Ich war den ganzen Tag unterwegs und bin lange an der Sonne sitzen geblieben. Der Bach bis nach Steg liegt bereits im Schatten und ich fühle mich kurz wie im Gefrierschrank. Doch nach dem Tunnel lacht zum Glück schon wieder die Sonne, sodass die Abfahrt zurück nach Vaduz auf dem E-Mountainbike zum Genuss wird.
Gedanklich lasse ich den Tag nochmals Revue passieren. Das Abenteuer E-Bike to Ski hat mir eine große Dosis an Freiheitsgefühlen und ein intensives Naturerlebnis beschert. Das E-Mountainbike werde ich in Zukunft öfter als Zubringer für meine Entdeckungstouren einsetzen, warum eigentlich nicht auch im Sommer beim Wandern?
Infos: Skitouren in der Schweiz:
Skitouren erfordern Erfahrung, für Ungeübte empfiehlt es sich, einen Bergführer zu buchen. Die folgenden Informationen müssen zwingend eingeholt werden, bevor man sich auf Tour wagt:
- Für Infos zum Lawinenrisiko empfiehlt sich die App „White Risk“ des Schweizerischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung.
- Zuverlässige Wetterprognosen gibt es auf der App „MeteoSchweiz“.
- Schweizer Kartenmaterial mit eingezeichneten Skirouten gibt es auf der App „Swisstopo“.
- Wildschutzgebiete und Wildruhezonen müssen zwingend respektiert werden. Die Zonen können auf der Swisstopo-Karte eingeblendet werden.
- Um im Notfall Hilfe rufen zu können, empfiehlt sich die Mitgliedschaft bei der „Rega“ und die dazugehörige App.
- Genügend Proviant und geeignete Ausrüstung gehören in jeden Tourenrucksack
- Der Umgang mit dem Lawinensuchgerät, Sonde und Schaufel muss geübt sein, bevor man sich auf Tour begibt. Es wird empfohlen, dafür im Winter einen Lawinenkurs zu besuchen, zum Beispiel beim SAC oder einem ausgebildeten Bergführer.
- Batteriemanagement ist bei E-Bikes unumgänglich. Die Batterie sollte reichen, bis man wieder beim Ausgangspunkt zurück ist. Achtung: Bei extrem kalten Temperaturen entlädt sich die Batterie schneller.
- Das verwendete E-Bike hat einen Motor von Bosch E-Bike Systems mit einer 625Wh-Batterie und reicht bei den 63 kg Körpergewicht der Autorin, inklusive dem gesamten Material, im Tour-Modus circa 1.700 Höhenmeter.
Über die Autorin
Nathalie Schneitter startete ihre internationale Mountainbike-Karriere im Jahr 2004 mit dem Gewinn des Cross-Country-Weltmeistertitels bei den Juniorinnen. 2008 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Peking, 2010 sicherte sie sich den Heimsieg beim Cross-Country-Weltcup in Champéry, 2019 gewann sie die erste E-Mountainbike-Weltmeisterschaft. Seit einiger Zeit gilt Nathalies Passion aber nicht nur dem Radsport, sondern der Bewegung in den Bergen ganz allgemein.