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Nationalpark Gesäuse: Unversaut und schweißtreibend

Aktuelles

4 Min.

01.02.2017

Foto: Stefan Leitner

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von Christina Geyer

Der Nationalpark Gesäuse im Winter: Ein Fleckchen unversauter Wildnis inmitten der Steiermark. Und dort wohnhaft: Ein Held in bunten Strumpfhosen, ein begnadeter Kletterer und ein ehemaliger Bürgermeister, der jetzt auch Wirt ist. So besonders wie die Berge sind auch die Menschen, die dort leben. Eine Reportage aus dem „Xeis“.

Warum das Gesäuse besonders ist? „Weil es noch so schön unversaut ist“, weiß Andreas Hollinger vom Nationalpark Gesäuse sofort zu antworten. Und das gelte nicht nur für die Natur, sondern auch für die Menschen und Gasthäuser vor Ort. Irgendwie hat sich dieses besondere Fleckchen in der Steiermark seine Ursprünglichkeit bewahrt: Es ist authentisch geblieben. Das mag erklären, warum Leute wie Andreas Hollinger von hier nicht wegkommen – beziehungsweise: nicht weg wollen. Und das obwohl er bereits weite Teile der Welt bereist hat: „Einmal bin ich für vier Monate alleine mit dem Auto nach Pakistan gefahren“, erzählt der versierte Kletterer.


Ein Held in bunten Strumpfhosen

Er kommt trotzdem immer wieder zurück ins Gesäuse. Hier hat er verschiedene Erstbesteigungen unternommen und Routen erschlossen, die meisten davon am Großen Buchstein in den Schwierigkeitsgraden 6-8. Hier ist Andreas Hollinger heimisch. Ebenso wie Hans-Peter Scheb, kurz „Shippy“. Er hat den Ruf als Gesäuse-Urgestein, als Veteran und – wenn man den Leuten so zuhört – als regelrechte Legende im Gesäuse. Ein Held in bunten Strumpfhosen und Sweatshirts, die nicht nur auf Retro machen, sondern wirklich wahrhaftig Original-Reliquien aus den 80er-Jahren sind. Was ihm treue Dienste leistet, behält er – ganz gleich, was für einen neuen Mode-Trend die Outdoor-Marken auch ausrufen mögen.

Shippy ist hier geboren, aufgewachsen und wohnhaft. Hauptberuflich war er als Referent im Katastrophenschutz der Bezirkshauptmannschaft Liezen tätig, ehrenamtlich hat er die Gründung der Alpenvereinssektion Admont-Gesäuse initiiert. Für seine Dienste in der Bergrettung Admont wurde ihm 2009 das äußerst seltene Grüne Kreuz des Alpenvereins verliehen, gewissermaßen der Oscar für Bergretter. Doch damit nicht genug. Der umtriebige Shippy war auch maßgeblich an der Gründung des Nationalparks Gesäuse beteiligt und obwohl man meinen könnte, er wäre mit all diesen Tätigkeiten gut ausgelastet, hat er nebenbei auch noch die Ausbildung zum staatlich geprüften Berg- und Skiführer absolviert – als „hochwertige Zusatzqualifikation“, wie Shippy bescheiden erklärt.


Universität des Bergsteigens

Das Gesäuse hat nicht umsonst den Ruf als Universität des Bergsteigens: „Man muss sich seine Touren hier erst verdienen“, erläutert Shippy mit Blick auf die mitunter schwere Geländezugänglichkeit vor Ort. Mehrstündige Zustiege sind keine Seltenheit im Gesäuse. Man muss Schweiß lassen im „Xeis“. Dafür wird man aber auch reich beschenkt: Vom Rauschen der Enns, der lieblichen Wald- und Almenlandschaft, den wilden Felswänden aus Dolomit und Kalk. Ausreichend Lebensqualität – zumindest für Shippy.

„Warum sollt' ich auch woanders hin, wo's mir hier doch schon so gut gefällt?“, fragt er – und nimmt die Antwort gleich vorweg: „Lebensqualität heißt für mich: Mittags spontan nach Johnsbach zu fahren und direkt eine Tour gehen zu können.“ Eine 15-stündige Monstertour – eine Winterdurchsteigung der extremen Dachl-Roßkuppen-Verschneidung – hat er etwa tagelang direkt von seinem Küchenfenster aus geplant. Das Herumlungern vor Zeltstädten und lange Warten in Basislagern wäre nichts für ihn. Shippy braucht keine Fernreisen oder exotische Expeditionen. Er findet, was er sucht – im Sommer wie im Winter – im Gesäuse.


Naturnah und sanft

Und wenn sich nun herumspricht, dass das Gesäuse auch ohne Superlative einfach super ist? „Die Touristen sollen ruhig kommen – sofern sie sich anständig benehmen“, sagt Andreas Hollinger. Natürlich ist das Gesäuse auf Tourismus angewiesen – wie viele andere Bergregionen in entlegenen Alpentälern auch. Er soll allerdings nachhaltig sein, naturnah und sanft. „Wir sind gegen eine prostitutionsgleiche Vermarktung des Nationalparks“, stellt Andreas Hollinger klar. Shippy pflichtet bei. Das Gesäuse soll urig bleiben und sich seine Handschrift bewahren.

Es braucht keine neuen durchgestylten Hotels, nur eine ordentliche Auslastung der bereits bestehenden Unterkünfte, führt der Gesäuse-Veteran aus. Im Vordergrund müssen Sinn und Qualität des Erlebens stehen, nicht Profit und Quantität. Das klappt seit zwei Jahren in „nordkoreanischer“ Zusammenarbeit zwischen Tourismusverband Gesäuse und Nationalpark – nicht zuletzt weil der Tourismuschef ein ehemaliger Mitarbeiter des Nationalparks ist.

So wurden beispielsweise gemeinsam Maßnahmen zum Schutz der Raufußhühner erarbeitet. Damit sie nicht länger von Skitourengehern belästigt werden, gibt es nun eigens für Tourengeher ausgeschilderte Routen, die um die sensiblen Habitate der Tiere herumführen. „Gesäuse-Wildnis und Mensch können miteinander gut auskommen“, ist auch Nationalpark-Direktor Herbert Wölger überzeugt. Natürlich bedarf es hierfür auch respektvoller Besucher.

Altbürgermeister Ludwig Wolf sieht das gelassen. „Wir haben hier ohnehin keinen Zufallstourismus. Wer ins Gesäuse kommt, kommt, weil er kommen will.“ Wolf ist ein Multitalent: Bis zur Gemeindefusion 2015 war er nicht nur Bürgermeister von Johnsbach, sondern auch Mathematikprofessor, Gast-, Land- und Forstwirt. Darüber hinaus bewirtschaftet er gemeinsam mit seiner Frau Ingrid Wolf den Kölblwirt in Johnsbach, eines jener urtümlichen Gasthäuser, von denen Andreas Hollinger geschwärmt hat. Der Kölbwirt ist aber mehr als nur irgendein uriges Gasthaus, es ist nachgerade eine Institution im Gesäuse, ein „heimeliges Zentrum für Kletterer und Skitourengeher“, wie Ludwig Wolf es nennt.

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Steirisch, spritzig, süffig

Und damit greift er nicht zu hoch. Es ist fast schon zum Ritual geworden, nach der Skitour im „Kölbl“ einzukehren. Seit Generationen befindet sich der Kölblwirt bereits in Familienbesitz. Jeder kennt jeden, jeder grüßt jeden. Ludwig Wolf setzt sich auf ein Achterl Gesäuse-Wein dazu. Jedes Jahr gibt es einen solchen. Und nicht jeder Wein schafft es zum Gesäuse-Wein. Die erste Hürde besteht im 3-S-Kriterium: „Steirisch, spritzig, süffig muss er sein, der Xeis-Wein“, erklärt Ludwig Wolf.

Jedes Jahr verkostet er 15 bis 20 verschiedene Weine – „aus zweiter Fülle“, wie der Wirt angebracht haben will. Der beste wird abgenommen, der Preis direkt ohne Zuschlag an die Gäste weitergegeben. „Das Leben ist einfach zu kurz, um schlechten Wein zu trinken“, schickt Ludwig Wolf nach. Dem haben auch Andreas Hollinger und Shippy nichts mehr hinzuzufügen. Sie haben es sich auch verdient. Denn zumindest im Gesäuse gibt es eine Regel, wonach man solange ohne schlechtes Gewissen im Gasthaus sitzen bleiben darf, wie man auch am Berg unterwegs war. Shippy und Andreas Hollinger sind soeben von einer Skitour aufs Blaseneck (1.969 m) zurückgekehrt. Sie können also ohne Weiteres noch ein paar Achterl genießen. 


Ab ins „Xeis“

Weitere Informationen rund um das Gesäuse findet ihr unter: Nationalpark Gesäuse und Tourismusverband Gesäuse.


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