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Oberetteshütte: Aus dem Winterschlaf geküsst

Aktuelles

3 Min.

08.06.2018

Foto: Karin Heinisch

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Wenn im Tal das erste Heu gemäht wird und die Kinder ihre ersten Sprünge ins Freibad wagen, liegt in den Bergen oft noch Schnee. Die Schutzhütten erwachen erst aus ihrem langen Winterschlaf. Bis zur Eröffnung ist einiges zu tun. Ein Stimmungsbericht von Karin Heinisch, der Pächterin der Oberetteshütte, aus über 2.500 m Höhe.

Im Mai fängt es an. Jedes Jahr aufs Neue. „Wenn geahts wieder aft Hitt?“ (Wann geht ihr wieder auf die Hütte?) Langsam wird man wieder zu einer öffentlichen Person. „Isch an Haufn Schnea doubn?“ (Habt ihr oben noch viel Schnee?).

Also rauf auf den Berg. Vorfühlen. Ende Mai. Im Tal ist Sommer. Die Bauern beginnen mit der Heuarbeit. Der Duft von frisch gemähtem Gras dominiert. Wir zwängen uns in die warmen Bergschuhe, in die Jacke.

Und machen uns auf zum Talschluss. Gespannt sind wir. Wie wird der Weg den langen Winter überstanden haben? Ist die Materialseilbahn in Ordnung?

Und dann geht’s hinauf. Die Natur ist erst am Erwachen. Braun mit zartem Grün dominiert hier die Berglandschaft. Die Almrosen brauchen noch Zeit.

Dreiviertel der Strecke – erste Schneeflecken, erste Lawinenreste, oft meterdick, über dem Weg. Wieder mal hat der Steig zur Hütte stark gelitten. Einige Stunden Arbeit wird das wieder kosten. Gut, dass wir das nicht alleine machen müssen.

Der sonst kaum vorhandene See unterhalb der Hütte breitet sich nun flächig aus – gesäumt von einer dicken Schneeschicht, Eisreste schwimmen oben auf. Winterlich. Endlich liegt sie vor uns, unsere Schutzhütte. Sommerresidenz für unsere Familie, unsere Mitarbeiter und Gäste. Es scheint alles in Ordnung zu sein.

Eine gewaltige Ruhe umgibt sie noch, die steinerne Hütte. Noch. Unten im Tal hat der Trubel schon lange begonnen.

Erst mal durchschnaufen und genießen. An die warme Wand lehnen. Schneegleißen rundherum. Die Luft ist frisch und klar. Gletscherluft. Noch haben wir das alles für uns: Aussicht, Berge, Stille, ein ganzes Haus.

Ein Blick hinter die Hütte lässt die Arbeit der nächsten Stunde erahnen: Kellertür freischaufeln. Schnee hat sich hier aufgetürmt. Gleich wird uns wärmer werden. Einzige Begleiter in diesen Stunden ist das Vogelpaar, das jährlich im Juni unter dem Dach Einzug hält und unverdrossen dahinzwitschert. Schneefinken. Bald werden sie Nachwuchs haben.

In der Hütte drinnen hält man es nicht lange aus: saukalt ist es. Auch das rasche Öffnen der Fensterläden hilft nicht gegen die Kälte. Alles liegt genauso da, wie beim Verlassen vor acht Monaten: die Küche, die Zimmer, die Stube, der eilig dahingeschmissene Kugelschreiber. Alles am gleichen Platz.

Wir freuen uns wieder auf das Leben hier: auf Bergsteiger, Wanderer, alte Bekannte, interessante Gespräche, Stress zur Mittagszeit, den gemeinsamen „Holbmittog“ auf der Terrasse, das Lesen der Zeitung nach dem ersten Frühstück um 4 Uhr morgens. Und noch viel mehr gehört dazu zu einem Hüttenwirtsleben.

Doch bis dahin liegt noch ein ordentliches Stück Arbeit: Strom, Wasser, Materialseilbahn, Maschinen. Es funktioniert vorerst nichts und eigentlich gibt es jedes Jahr irgendwo ein Problem: eingesickertes Wasser, geplatzte Leitungen, kaputte Kamine, eine Spülmaschine die nicht mehr startet… die Liste ist lang und wird sich auch dieses Jahr sehr wahrscheinlich fortsetzen.

Als erstes müssen die Quellen anfallen. Der mechanische Widder in Gang gebracht werden. Das Wasser muss hinauf. In den großen Tank oberhalb der Hütte. Trinkwasser. Doch den müssen wir erst finden und freischaufeln. Der Rest an Wasser muss hinunter. Ein kleines Wasserwerk weit unterhalb der Hütte produziert unseren Strom.

Bis zur Eröffnung muss alles laufen. Bier, Wein, Getränke, Pasta, Reis, Mehl, Gas, Holz- alles will vorher eingelagert werden. Tausend Dinge zu denken und zu erledigen. Kleinigkeiten. Das Geschäft ums Eck gibt es ja dann nicht mehr. Auch keine Apotheke, sollten die Kinder krank werden.

Die ersten kleinen Blumen kämpfen sich zwischen den Schneeflecken ans Licht. Alpenglöckchen und Schnee-Enzian. Auch hier oben wird er bald kommen der Sommer. Bestimmt. Wenn auch nicht für sehr lange.

Wir werden wieder hier sein.

Karin und Edwin Heinisch sperren ihre Oberetteshütte am 16. Juni auf.

Im Bergwelten Magazin Schweiz (Juni/Juli 2018) findet ihr ein ausführliches Portrait der Oberetteshütte.


Die Oberetteshütte im Detail

  • Höhe: 2.680 m
  • Pächter: Edwin und Karin Heinisch
  • Schlafplätze: 50 Betten in 7 Zimmern, 23 Schlafplätze in Matratzenlagern, 20 Schlafplätze im Winterlager.
  • Preise: Halbpension im Lager 44 EUR, Halbpension im Zimmer 49 EUR (AV-Mitglieder)
  • Geöffnet: 16. Juni bis 30. September
  • Kontakt: www.oberettes.it
Die Oberetteshütte
Italien, Matsch

Oberetteshütte

HütteBewirtschaftet