Rudolf Theodor Simler auf dem Tödi (3.614 m)
Foto: muritius images/ Herbert Haltmeier
Der Zürcher Chemieprofessor und Alpinist Rudolf Theodor Simler sah sich als Erstbesteiger des Tödi. Heute wissen wir, dass ihm die Surselver Jäger Placi Curschellas und Augustin Bisquolm 1824 zuvorkamen. Als Gründer des Schweizer Alpen-Clubs ist sein Platz in den Geschichtsbüchern der Schweizer Bergwelt dennoch sicher.
Als Rudolf Theodor Simler am 30. Juli 1861 mittags auf dem Piz Russein, dem höchsten Punkt der Glarner Alpen, steht, wandert sein Blick bereits über die Gipfel und Gletscher der Umgebung. Die ringsum sich darbietende Weite der noch unerforschten Gegend überwältigt ihn beinahe so sehr wie der Gipfelsieg selbst. Ein Mensch alleine konnte all diese weißen Flecken in der Topographie seiner Heimat unmöglich erkunden. Die Idee einer „Association“ reifte in ihm heran. Zwei Jahre später, am 19. April 1863, wurde auf seine Initiative hin der Schweizer Alpen-Club (SAC) gegründet. „35 schweizerische Berg- und Gletscherfahrer“ hatten sich im Bahnhofsbuffet Olten zu dieser Vereinigung zusammengeschlossen, Simler wird deren erster Zentralpräsident.
Alpinismus-Boom: Briten auf dem Vormarsch
Freilich war es nicht nur Natur-Ergriffenheit, die Simlers Vision befeuerte – auch der Wetteifer stachelte ihn an. Britische Bergsteiger hatten in London bereits 1857 den Alpine Club gegründet und rissen sich – mit maßgeblicher Unterstützung von einheimischen Bergführern und Trägern – einen Alpengipfel nach dem anderen unter den Nagel. Das galt insbesondere für die Schweiz. 1862 folgte die Gründung des Österreichische Alpenverein (ÖAV). Das angebrochene „goldene Zeitalter des Alpinismus“ sollte nicht ohne Schweizer Beteiligung bleiben. Simlers Plan ging auf. Am Ende des Gründungsjahres zählte der SAC bereits 7 Sektionen und insgesamt 358 Mitglieder. Ebenfalls noch 1863 wurde mit der Grünhornhütte in den Glarner Alpen die erste SAC-Hütte gebaut.
Den Tödi befand Simler für den „schönsten Berg der nordöstlichen Schweiz“. Weder „Muth noch Kräfte“ standen einer Besteigung zunächst im Weg, wohl aber die beträchtlichen Kosten. Mit dem Kaufmann Georg Sand aus St. Gallen, den Simler 1861 im Stachelbergbad kennengelernt hatte, war schließlich ein adäquater Bergkamerad gefunden. Gemeinsam mit ihren Führern – Gabriel Zweifel und Heinrich Elmer – nehmen die beiden Herren das dreigipfelige Tödi-Bergmassiv in Angriff.
Während Sand und Elmer zuerst den Glarner Gipfel besteigen, nehmen Simler und Zweifel die bekannte Route durch die Schneerunse und erreichen den Grat zwischen Russein und Glarner Tödi. Hier fasste Simler den Entschluss, „nach dem noch unerstiegenen Rusein aufzubrechen […]. Wir banden uns daher mit Hülfe des Seils auf 20 Fuss Distanz zusammen, und nun schritt ich vorsichtig, jedoch unerschrocken dem noch nie betretenen Ziele zu.“ Die Legende will es, dass sich Gabriel Zweifel vor dem letzten schmalen Grat – dem heutigen Simlergrat – fürchtete. Der unerschrockene Simler kam somit als vermeintlich Erster auf dem 3.614 m hohen Gipfel an.
Heute gilt es als gesichert, dass die Surselver Jäger Placi Curschellas und Augustin Bisquolm bereits am 1. September 1824 als Erste den Russein bestiegen hatten. Angeleitet durch den Benediktiner-Pater Placidus a Spescha aus Disentis, der wohl schon um 1800 mehrere Versuche einer Erstbesteigung unternahm. Als es den Jägern schließlich gelang, schaffte es der Pater aus Altersgründen nicht mehr auf den Gipfel.
Rudolf Theodor Simler wusste über Curschellas und Bisquolms Erstbesteigung Bescheid, zweifelte aber an ihrer Wahrheit. In seinem 1863 erschienenem Büchlein „Der Tödi-Rusein und die Excursion nach Obersandalp“ versucht er den Beweis zu führen, dass seine Vorgänger zwar auf dem Tödi, niemals aber auf seiner höchsten Spitze, dem Piz Russein, waren. Damit löste er eine 50 Jahre andauernde Kontroverse aus. Simlers großes Ego mag ihm als Makel ausgelegt werden, seine Sonderstellung unter den Pionieren des Schweizer Alpinismus jedoch bringt es nicht ins Wanken.
Rudolf Theodor Simler
- Geboren: 16. Juli 1833 in Wollishofen bei Zürich.
- Leben: Dozent der Chemie und Mineralogie an der Universität Bern, Alpinist, Gründer und erster Präsident des Schweizer Alpen-Clubs.
- Publikationen: „Der Tödi-Rusein und die Excursion nach Obersandalp“ (1863)
- Zitat: „Dagegen darf ich die Ehre, den eigentlichen und höchsten Gipfel des Tödi, den kühn geformten Rusein, zuerst betreten zu haben, mit allem Rechte für mich [. . .] in Anspruch nehmen.“
Tödi
- Höhe: 3.614 m
- Gebirge: Höchster Gipfel der Glarner Alpen.
- Kanton: Grenze der Kantone Glarus und Graubünden.
- Gipfel: Gliedert sich in die drei aus der Ferne nur undeutlich hervortretenden Gipfel Piz Russein (3.614 m, Westgipfel), Glarner Tödi (3.577 m, Ostgipfel) und Sandgipfel (3.388 m, Nordgipfel).
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