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Die vielen Leben des Reinhold Messner

Aktuelles

5 Min.

11.09.2019

Foto: IDM Südtirol/ Alex Filz

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von Klaus Haselböck

Andere würden vor Stolz verfließen, aber bei Reinhold Messner ist es eigentlich eine krasse Untertreibung, ihn „nur“ als bedeutendsten Bergsteiger der Gegenwart zu bezeichnen. Eine Würdigung zu seinem 75. Geburtstag.

Plus: Wir verlosen 3 Exemplare seines neuen Buchs „Rettet die Berge“!

Text: Klaus Haselböck

Ja, Reinhold Messner stand als erster Mensch auf allen 14 Achttausendern. Obwohl dies ja ein reines Zahlenspiel ist, denn die Engländer und die Amerikaner messen in Fuß und besteigen eigentlich 25.000er oder 26.000er. Aber der aus Villnöß stammende Südtiroler hatte 1986 – nach 16 Jahren als Profi-Alpinist – nicht nur als erster die Sammlung komplett, er definierte auch für die Welt wie begehrenswert, ja ultimativ, diese 14 als alpines Ziel sind. Er erwies sich in dieser Zeit als begnadeter Bergsteiger und alpiner Überlebenskünstler. Aber nicht nur: Wortreich verstand er es uns die Eisriesen des Himalayas oder des Karakorums ins Wohnzimmer zu bringen, teilte seine Passion mit uns, konnte sich erklären und motivierte so viele Menschen selber in die Berge zu gehen.


Botschafter der Berge

Dieser Nimbus seiner Erzählungen, seiner Abenteuer, schwingt heute noch durch, wenn wir von Besteigungen der höchsten Berge hören. Wiewohl sich die durchgetakteten, logistisch perfekt geplanten sowie an höchstmöglicher Sicherheit und bestem Komfort orientierten Besteigungen von heute nicht mit seinen „wilden Siebzigerjahren“ vergleichen lassen: Damals war eine handverlesene Schar an Bergsteigern in diesen Gebieten unterwegs, zumeist die besten ihres Landes, und sie suchten oft nach neuen Routen und Herangehensweisen.

Und Messner war ihre Leitfigur. Er schickte den traditionellen Expeditionsstil mit seinen Heerscharen an Trägern in Pension und legte mit dem viel athletischeren „Alpinstil“, der selbstständige, in kleinen Teams agierende Bergsteiger voraussetzt, die Latte des Könnens deutlich höher. Dabei setzte er Meilensteine, die heute noch ihre Gültigkeit haben: Doppelüberschreitungen von Achttausendern sowie Alleingänge, aber vor allem die Besteigung des Höchsten, des Mount Everest, ohne Flaschen-Sauerstoff – was bis dahin als menschenunmöglich galt. Nur die Winterbesteigung eines der 14 Gipfel blieb ihm trotz mehrfacher Versuche versagt – wobei er das Scheitern seit jeher als Lernchance, als wesentlichen Schritt in seiner Entwicklung sah. Umzudrehen, war nie seine Herausforderung gewesen.


Erneuerer des Bergsteigens

Pionier zu sein hatte er aber nicht in den Bergen Asiens gelernt: Als einer der herausragenden Dolomitenkletterer der 1960er war er damals schon im unteren achten Grad unterwegs und auf Erstbegehungen quasi spezialisiert: Nicht nur an seinen Heimatbergen wie den Sellatürmen, dem Heiligkreuzkofel oder der Marmolata, auch am Eiger, dem Walkerpfeiler oder der Grande Jorasses in den Westalpen setzte er Akzente.

Dass er mit 5 Jahren in Begleitung seines Vaters auf seinem ersten Dreitausender stand, heißt nicht, dass seine Karriere als Bergsteiger vorgezeichnet war: Reinhold Messner gehört zu der raren Spezies an Menschen, die in ihrem Leben auch sehr viel anderes sein hätten können und das wohl genauso auf höchstem Niveau: Architekt, er hatte ja Technik studiert, genauso wie Rechtsanwalt oder etwa Menschenrechtsaktivist. Mit dem Ende seiner imposanten Karriere als Höhenbergsteiger – er hatte es seiner Mutter versprochen, dass nach dem 14. Achttausender Schluss sein würde – gab er sich genau diese Chance, noch mehr in seinem Leben zu sein, Vertrautes loszulassen und weitere Talente zu leben.

Zwar sollte sein Denken und Tun nach wie vor um die Berge oszillieren, aber die Radien wurden weiter: Aus seiner Faszination für Kunst und Kultur und dank seines enormen Wissens in alpiner Historie – niemand vereinte Theorie und Praxis besser – entstanden die „Messner Mountain Museen“. Beginnend mit Schloss Juval im Jahr 1995 sind nunmehr 6 Standorte in Italien zu 6 alpinen Themen entstanden, die Messner ironisch, aber nicht zu Unrecht als seinen „15 Achttausender“ bezeichnet: In den 20 Jahren ihrer Genese hat er mindestens genauso viel an visionärer Kraft, Ingenieursgeist und Überzeugungskraft einbringen müssen und sie haben ihm wohl mehr Nerven und Substanz gekostet, als die berühmten Berge zusammen. Aber das Projekt war 2015 abgeschlossen und Messner zog weiter, erkundete neue Felder.


Multitalent und Grenzgänger

Das physische Erleben, seine Lust am Grenzgang, der bei ihm stets einen philosophischen Überbau hat, sollte in dieser Zeit auch nicht gänzlich zu kurz kommen: Nach der Vertikalen hatte er die Faszination für die großen Horizontalen der Erde entdeckt: er durchquerte die Antarktis und Grönland (der Länge nach) auf Skiern, sowie die Wüste Gobi und die Taklamakan zu Fuß. Dass er in den Jahren 1999 bis 2004 für die Grünen ein Mandat im EU-Parlament übernahm, hatte nicht nur mit seinem rhetorischen Talent zu tun, sondern seinem tiefen Anliegen die Welt zu gestalten, selber zu verändern. In diesem Fall waren es Menschen in seinem Umfeld, die ihm nahelegten er solle eigentlich Politiker sein. Und sich nie auf dieses für einen Bergsteiger denkbar glatte Parkett gewagt zu haben, wollte er sich auch nicht nachsagen lassen.

Reinhold Messner meldete sich aber nicht nur im Parlament und bei Vorträgen zu Wort: Bei Debatten in gut fünf Jahrzehnten scheute er nie die Kontroverse, neigte genauso wie am Berg zu extremen Standpunkten und wusste diese wortgewaltig, oftmals erbittert und unversöhnlich, zu verteidigen. Mit seiner Meinung hielt der Südtiroler – sprichwörtlich – nie hinter dem Berg. Er war und ist als Mensch intensiv, er wusste und weiß auch heute zu polarisieren, zu loben, zu verdammen, genauso wie große Zusammenhänge herzustellen und Bewusstsein für die wichtigen Themen unserer Zeit – wie den Schutz der Alpen und der Bergvölker – zu schaffen.

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Wortführer und Geschichtenerzähler

Das Schreiben von Bücher entspricht wohl genau diesem Bedürfnis nach Ausdruck: Die „Rote Rakete“, sein Resumée zur schicksalshaften Nanga Parbat-Besteigung von 1970, bei der er seinen Bruder verlor, war sein Startpunkt. Mittlerweile sind – fast nebenbei – an die 50 Titel zusammengekommen, viele davon im Status von Bestsellern. Und vom Start der Zeitschrift „Bergwelten“ an ist er als deren Kolumnist tätig.

Als „Storyteller“ versteht sich Messner, der stets auf der ganz großen Medien-Klaviatur spielt, schon sein ganzes Leben. Aktuell hat er eigentlich nur die Art des Erzählens verändert. Oder besser gesagt: sein Portfolio erweitert und den Film als sein neues Medium entdeckt. Schon seit einigen Jahren werden bei „Bergwelten“, das beliebte Format von ServusTV, alpinhistorische Dokumentationen von ihm gesendet. Für den Beitrag „Mount Everest – der letzte Schritt“ wurde er dieses Frühjahr mit dem „Romy“-Filmpreis geadelt und mit seinem Sohn Simon, gleich dem Vater ein exzellenter Alpinist, hat er nun eine eigene Produktionsfirma gegründet. Und natürlich plant der Südtiroler auch als Regisseur Großes: Es geht ihm um nichts weniger als den Bergfilm neu zu erfinden und damit dem traditionellen Genre zu einer Renaissance unter anderen Vorzeichen zu verhelfen.

Reinhold Messner, dem man seine 75 Jahre keinesfalls glauben möchte, war somit Dolomitenkletterer, Höhenbergsteiger, Wüstenwanderer, Politiker und Museumsgründer. Jetzt ist er Filmregisseur. Und die Energie spritzt ihm wieder einmal aus den Fingern. Geht es doch um seine stärkste Disziplin: Träume Wirklichkeit werden zu lassen.

Was für ein leidenschaftlicher Mensch, was für ein reiches Leben! Dazu kann man nur gratulieren.

Klaus Haselböck, der Autor dieser Zeilen, mit Jubilar Reinhold Messner und der Erstausgabe des Bergwelten Magazins

Zum Autor: Klaus Haselböck aus der Bergwelten-Chefredaktion begleitet Reinhold Messner seit mehr als zwei Jahrzehnten als Alpin-Journalist.


Gewinnspiel

Ende August ist das neueste Buch aus der Feder des Ausnahme-Bergsteigers im Benevento Verlag erschienen. „Rettet die Berge“ ist ein Appell Reinhold Messners für Naturschutz und gegen Massentourismus. 

Messner kritisiert, dass die Erhabenheit der Natur zusehends banalisiert wird, analysiert die Bedrohungslage und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für eine nachhaltigere Zukunft.

Wir verlosen 3 Exemplare des Buchs.

Teilnahmeschluss ist der 30. September 2019, viel Glück!