Bergwelten: Mein 1. Klettersteig am Dachstein
Foto: Simon Schöpf
von Simon Schöpf
Wie fühlt es sich an, zum ersten mal einen Klettersteig zu gehen, plötzlich in der steilen Wand zu hängen? Wir sind in die Ramsau am Dachstein gefahren, um genau das herauszufinden. Eine Reportage über Schweiß, Stahlseile und viel Lächeln in den Gesichtern.
„Ich habe auf Klettersteigen so viele glückliche Menschen gesehen, dass ich dafür sein muss“, sagt Bergwelten Chefredakteur Klaus Haselböck vor 57 andächtig lauschenden Menschen in bunter Funktionsbekleidung im Präsentationssaal des Hotel Matschner, Dorfmitte Ramsau am Dachstein. Hierhergekommen sind alle eines gemeinsamen Zieles wegen: „Mein erster Klettersteig“, unser erster großer Bergwelten-Event, nicht mehr und nicht weniger haben wir uns für dieses Wochenende vorgenommen.
Das anfängliche Zitat, das hat der Herr Chefredakteur allerdings geklaut. Gesagt hat das nämlich der Reinhold Messner, seines Zeichens Übervater der Alpinisten, Bergsteigerlegende, Abenteurer von Welt. Aber nicht nur der Messner ist dafür, wir sind es auch: Ein unvergleichlicher Boom, mit dem die Sportart über die Alpen hinwegfegt – Klettersteige sind zum etablierten Trendsport geworden. Oder auch – diesmal Zitat Klaus Haselböck himself – „die Weiterentwicklung des Wanderns, der nächste logische Schritt“.
Neuer Trend ja, neu sind Klettersteige aber schon lange nicht mehr: Bereits 1843 ließ der Forscher Friedrich Simony den ersten mit Stahlseilen gesicherten Steig errichten und schrieb damit Alpingeschichte. Wo? Auf dem Hohen Dachstein, der seitdem leichter und vor allem sicherer zu erklimmen ist. Und den kann man vom Hotel Matschner aus bewundern: Wir befinden uns also in der Wiege der Klettersteige. Wir wollen Simonys Tradition lebendig werden lassen. 19 weitere Klettersteige gibt es inzwischen in der Gegend, Klettersteig-Mekka könnte man die Ramsau schon fast nennen.
Angereist sind unsere 57 Teilnehmer_innen aus allen Himmelsrichtungen: Hamburg, Wien, der Schweiz, Schladming. Zum Ziel haben wir uns gesetzt, die „Basics“, die Grundregeln der Sportart, zu erlernen und natürlich auch zu erproben. Klaus Haselböck nennt den ersten Tag die Grundschule, den zweiten das Gymnasium. Keine Schule kommt um den Theorieunterricht herum, wir haben allerdings Glück mit dem Lehrer: Unser Sicherheitsexperte Walter Würtl schafft es mit seinem Tiroler-Skilehrer-Charme sogar hingebungsvoll, aus der Unfallstatistik etwas Humorvolles herauszukitzeln. Sein Vortrag „Faszination Klettersteig“ legt die Grundlage für das, was kommt: „Ein großes Naturerlebnis, oben am Berg, und Erlebnis natürlich auch danach, in der Hütte.“ Und, klar ist auch: „Obikugeln weard ma koana, des sag i euch“!
Ohne Ausrüstung kein Klettersteig, wir haben dafür die modernste ins Haus geladen: Jeder, der will, bekommt Schuhe von Lowa oder Dachstein, Klettersteig-Sets von Salewa, Gurte und Helme von Petzl, auch der neue Skylotec Rider kann ausprobiert werden.
Tag 1: Die Klettersteig-Grundschule am Sattelberg
Perfekt ausgerüstet gibt es nun wirklich keine Ausreden mehr: Unsere neun Ramsauer Bergführer stehen bereit, checken die Gurtschlaufen und Helmschlingen, geben letzte Anweisungen. Klack, klack, bunte Karabiner klippen in ein 12mm-Stahlseil. Wie fühlt man sich vor dem ersten Abheben? Würdiger Respekt, dezente Ängstlichkeit, „scho a bisserl nervös“, man gibt es zögerlich zu. Mit der Schwierigkeit von B/C ist unser erster Klettersteig am Sattelberg noch in den unteren Schwierigkeitsgraden angesiedelt, die Bergführer geben uns mit ihrer stoischen Ruhe die nötigen mentalen Schubser: „Geht scho, rechter Fuß no rauf, supa machst des“!
Schritt für Schritt arbeiten wir uns auf den Stiften und Leitern des Kali-Steiges nach oben, Schritt für Schritt wächst auch das Selbstvertrauen. Selbiges gipfelt nach 180 Höhenmeter in der Vertikalen am Ausstieg in totaler Euphorie: „Ich glaube, ich bin jetzt süchtig“, hört man da, anderenorts „mehr davon, bitte!“, oder, um es noch etwas spitzer auszudrücken, „saugeil!“. Der Schweiß steht jetzt zwar jedem auf der Stirn, das liegt aber weniger an der Angst als an den 30° im Schatten. Sonnenschein pur, die erste Hitzewelle des Sommers brütet über der Dachsteinregion. Trotzdem, von Faulenzen keine Spur, lieber sofort auf in den nächsten Steig, da geht noch was. Wir sind süchtig!
Tag 2: Im Gymnasium Silberkarklamm
Auf die Grundschule folgt das Gymnasium: Am zweiten Tag finden wir in der Silberkarklamm unseren Lehrer. Aber statt Mathe und Biologie steht hier ausschließlich Leibeserziehung auf den Programm, die Lektionen heißen Hias, Siega und Rosina. Gleich drei Steige im anspruchsvollen Schwierigkeitsgrad D, allesamt pädagogisch wertvoll. Auch das Wetter mischt sich heute in den Unterricht ein: Ab Mittag stehen Gewitter am Lehrplan, wir machen also Frühstart und genießen nach dem Sonnen-Frontalvortag des Vortages die mystisch-kühle Nebelstimmung der Klamm umso mehr. Abwechslung muss sein.
Und ins Gymnasium, da kommt nicht jeder: Die Klettersteige selektieren bereits am Einstieg, die erste Prüfung des Tages sind die spektakulären Hängebrücken über den reißenden Torbach. Entspannung in der Großen Pause gibt es danach allerdings keine: Sofort steilen die Steige auf, Prüfung Nummer zwei sind die zum Teil schon überhängenden Wände. „Da braucht ma scho a ordentliche Portion Kraft“, meint einer der Bergführer, „sonst geht da nix“! Kraft und einen guten Kopf: Ausgesetzt zieht das Stahlseil nach oben, die Tritte werden kleiner, „viel Luft unterm Hintern“! Umso strahlender dann das Lächeln am Ausstieg. Um die Ramsauer Bergführer-Direktheit zu zitieren: „Jo, also für die Flachländler is des scho allerhand, i bin beeindruckt, super gmacht!“
Jetzt dürfen auch die Regentropfen fallen, das Wetter spielt alle Register. Gerade rechtzeitig finden wir uns in der urigen Silberkarhütte ein, bei Eiernockerl und Hauswurst wird die wohlschmeckende Bilanz gezogen: „Also allein hätt’ ich mir das nicht getraut, aber jetzt bin ich umso motivierter“!
Silberkarhütte
Der erste Klettersteig wird also bestimmt nicht der letzte sein. Sicher und selbstbewusst Touren planen und gekonnt umsetzen, das war das Ziel unseres ersten Klettersteig-Camps. Und wenn wir uns so die Fotos anschauen, dann sehen wir da überall: Ganz viel Lächeln in den Gesichtern. Wir müssen also dafür sein.
Und wie geht's jetzt weiter?
Wir würden sagen: Generalprobe mehr als geglückt. „Uns hat es wahnsinnig viel Spaß gemacht.
Insgesamt ein tolles Event, das nach Wiederholung verlangt“, schreibt uns Teilnehmer Christian aus Diespeck. Oder Doris aus Gaimersheim: „Danke für den so unkomplizierten und super organisierten Klettersteig-Kurs! Das Klettersteig Fieber hat mich gepackt“! Wir werden also auch nächstes Jahr wieder eine ähnliche Veranstaltung organisieren, wir freuen uns schon sehr darauf. Bis dahin: Viel Spaß und einen unfallfreien Sommer in den Bergen!
Die Klettersteige im Detail:
Kinderklettersteig Kali und Jugendklettersteig Kala
Hias-Klettersteig
Wanderung zur Silberkarhütte von Ramsau am Dachstein
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