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Spaltenrettung I: Mannschaftszug

Wissenswertes

4 Min.

21.04.2017

Foto: argonaut.pro

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von Peter Plattner

Wer am Gletscher unterwegs ist, muss stets mit der Gefahr eines Spaltensturzes rechnen. Einen solchen Sturz muss man in erster Linie einmal halten können. Erst in zweiter Linie geht es dann darum den Gestürzten aus der Spalte zu bergen. Im ersten Teil unserer Serie zur Spaltenrettung stellen die Sicherheitsexperten Peter Plattner und Walter Würtl den Mannschaftszug vor.

Je nach Land und Ausbildungsorganisation gibt es unterschiedliche Techniken zur Spaltenrettung. Jede davon hat ihre Vor- und Nachteile: Es gilt also zu wissen, wann für welche Situation welche Technik die optimale ist. Wir beschränken uns in den kommenden drei Teilen zur Spaltenrettung auf die grundlegenden Methoden, die sich in der Praxis bewährt haben und die mit der Standardausrüstung durchführbar sind. Die Spaltenrettung läuft im Sommer wie im Winter prinzipiell nach demselben Schema ab, auf Skiern unterscheidet sie sich allerdings in einigen Details.

Die behelfsmäßigen Spaltenrettungs-Techniken können folgendermaßen eingeteilt werden:

  • Mannschaftszüge
  • Selbstrettungstechniken (zum Beispiel Prusik)
  • Flaschenzugsysteme (zum Beispiel lose Rolle)

Wie bei jeder behelfsmäßigen Bergrettung wird es im Ernstfall vermutlich nie genauso ablaufen wie zuvor beim Training. Deshalb müssen die Standardtechniken „blind“ beherrscht werden, um genügend Ressourcen zur entsprechenden Improvisation freisetzen zu können.

Eins muss allerdings klar sein: Unglückliche Umstände wie eine starke Überwechtung des Spaltenrandes – im Zweifel noch verbunden mit einem bewusstlosen oder verletzten Opfer – können eine Bergung mit behelfsmäßigen Mitteln unmöglich machen. Dann gilt es zum Gestürzten in die Spalte zu kommen, kompetent Erste Hilfe zu leisten und die professionellen Rettungskräfte rasch zum Unfallort zu bringen.


Mannschaftszug

Die schnellste und effektivste Methode der Spaltenrettung ist der Mannschaftszug: Die Seilschaftsmitglieder an der Oberfläche ziehen gemeinsam am Seil und bringen den Gestürzten so wieder ans Tageslicht.

Klingt einfach, ist es aber nicht ganz. Folgende Punkte möchten berücksichtigt werden:

  • Es braucht je nach Situation mindestens 3-4 Personen, die an der Oberfläche ziehen. Bei einer Zweier- oder Dreierseilschaft funktioniert der Mannschaftszug nicht.
  • Es darf nicht einfach wild darauf losgezogen werden. Die Kräfte, die eine Mannschaft mit einem dynamischen Seil entwickelt, sind so groß, dass der Gestürzte durch den Zug verletzt beziehungsweise auch getötet werden kann.
  • Einer muss das Kommando übernehmen und darauf achten, dass die Mannschaft koordiniert und „mit Gefühl“ zieht beziehungsweise stoppt.
  • Dieser Kommandeur muss permanent (Blick)-Kontakt zum Gestürzten halten, um bei Problemen sofort reagieren zu können.

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1. Sturz halten und Mannschaft organisieren

Kommt es zum Spaltensturz, gilt es in erster Linie einmal die Last zu halten. Das Seil wird anschließend zwischen allen Seilschaftsmitgliedern straff gespannt – ohne dass gleich daran gezogen wird. Dabei bleiben die Skier in der Regel angeschnallt.

Ist der Sturz gehalten und die Last optimal verteilt wird eine Person zum Kommandeur bestimmt. Sie entscheidet, ob ein Mannschaftszug oder eine andere Rettungstechnik angewandt wird und organisiert in weiterer Folge den Ablauf, zu dem gegebenenfalls auch das Absetzen eines Notrufs gehört.

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2. Kontakt aufnehmen

Idealerweise ist der Kommandeur auch die Person, die mit dem Gestürzten Kontakt aufnimmt und vor zum Spaltenrand geht. Hier ist aber entscheidend, wie zuvor angeseilt wurde:

  • Sind alle mit einem Karabiner am Hauptseil angeseilt, dann ist die Person in nächster Nähe zum Spaltenrand am besten geeignet.
  • Wurde direkt mit einem Sackstich ins Hauptseil angeseilt, kann sich niemand vom gespannten Seil lösen. Somit muss die hinterste Person zum Spaltenrand vorgehen.

Bevor sich der Kommandeur ausbindet, muss er sich am gespannten Hauptseil selbst sichern, damit er nicht auch in die Spalte stürzt. Dazu knotet er eine Reepschnur mittels Prusik in das Seil und verbindet diese mit seinem Sitzgurt – entweder direkt mit einem Sackstich oder mittels Verschlusskarabiner.


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So gesichert geht er zum Spaltenrand vor und versucht dabei das eventuell eingeschnittene Seil aus dem Schnee zu befreien. Er legt in weiterer Folge möglichst nah am Spaltenrand Skistöcke, Pickel oder Schaufelstiel unter, um ein weiteres Einschneiden zu verhindern.

Ganz am Spaltenrand angelangt kniet er sich nieder oder legt sich auf den Bauch und stellt Kontakt zum Gestürzten her. Ist der Spaltenrand überhängend oder das Seil stark eingeschnitten, gelingt das unter Umständen erst, wenn er mit Händen, Beinen oder der Schaufel etwas Schnee entfernt hat. Ist der Kontakt hergestellt, gilt es den Zustand des Gestürzten zu erfassen. Entsprechend muss entschieden werden, ob er herausgezogen werden kann oder ob jemand zu ihm abgelassen werden muss, um zunächst Erste Hilfe zu leisten. Bis zum Ende der Rettung mittels Mannschaftszug bleibt der Kommandeur immer in Kontakt mit dem Gestürzten!


3. Koordination und Rettung

Bevor es mit dem Heraufziehen losgeht, stimmt sich der Kommandeur mit der Mannschaft ab:

  • Ein lautes „Zug“ und eine Hand nach oben bedeutet: Vorsichtig und gleichmäßig ziehen.
  • Ein lautes „Stopp“ und die Hand nach unten bedeutet: Sofort (!) mit dem Ziehen aufhören.

Die Handzeichen sind wichtig, denn sobald etwas Wind bläst, verstehen die Hinteren der Mannschaft kein Wort mehr.

Sind die Anweisungen geklärt, schaut der Kommandeur zum Gestürzten und beginnt mit der Rettung. Dabei muss er seinen Selbstsicherungs-Prusik am Hauptseil mit einer Hand „offen“ halten, damit das Seil durchrutschen und er am Spaltenrand bleiben kann. Bei kleineren Seilschaften wird er eventuell auch beim Ziehen mithelfen müssen. Auf alle Fälle aber wird er in der letzten Phase dem Gestürzten die Hand reichen und ihn bei der Überwindung des Spaltenrandes unterstützen.

Ist der Gestürzte geborgen, entfernt sich die gesamte Mannschaft am gespannten Seil vom Spaltenrand, der Kommandeur kehrt gesichert zu seiner ursprünglichen Position zurück und bindet sich wieder wie gehabt ein.

Achtung: Dynamische Seile dehnen sich stark! Sobald der Gestürzte über den Spaltenrand krabbelt, zieht sich das Seil gummibandartig zusammen – es gilt also den Mannschaftszug rechtzeitig zu stoppen!


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