Der Amerikaner, der Osttirol für sich entdeckte
Foto: Jozef Kubica
von Simon Schöpf
Was macht ein amerikanischer Spitzenalpinist von Weltrang in den Osttiroler Bergen? Skitourengehen natürlich! Und sich ein wenig in die Wildheit der Ostalpen verlieben. Ein Gespräch mit Extrembergsteiger Steve House über die Schönheit der Osttiroler Bergwelt.
Bergwelten: Steve, was gefällt dir an der Region Osttirol so gut?
Steve House: Osttirol war der Ort, wo ich vor vielen Jahren meine erste Gletschererfahrung, nämlich 1988 am Großglockner, sowie meine erste Mehrtages-Skitraverse, 1989 an der Hochschober Gruppe, absolvierte. Als ich dann meine spätere Frau Eva – eine Österreicherin – kennenlernte, haben wir uns nicht nur ineinander, sondern auch in Osttirol verliebt. Seit dem kommen wir oft für Frühlings-Skitouren und Familienbesuche wieder zurück hierher, durch Eva und gemeinsame Freunde lerne ich das Land natürlich noch viel besser kennen.
2013 kam ich dann auch als Bergführer mit ein US Gästen für die Hoch-Tirol Traverse zurück, welche wir in 6 Tagen absolvieren; genau das sind die Trips, die ich liebe! Lange, ausgesetzte Touren, weit weg von allem, quer durch eine traumhafte Berglandschaft. Die Hoch-Tirol habe ich nun bereits vier Mal begangen, und ich freue mich schon auf das fünfte Mal, diesen Frühling!
Was reizt dich speziell an den Osttiroler Bergen?
Zwei Dinge: Die Komplexität und die Einsamkeit. Die Berge in Osttirol sind für Bergsteiger sehr komplex zu begreifen, denn jedes Tal ist unterschiedlich. Das reizt mich natürlich als Alpinisten, ich kann meinen Trieb, immer eine neue Gegenden oder einen neuen Gipfel zu erforschen, sehr gut befriedigen. Ein großer Teil der Osttiroler Bergwelt erfuhr zudem nicht die selbe Erschließung wie der Rest der Alpen, riesige Gebiete stehen unter dem Schutz des Nationalparks Hohe Tauern. Hier gibt es immer noch wenige Seilbahnen und die nächste größere Stadt ist weit entfernt.
Die Osttiroler Berge sind für mich deshalb viel einsamer und ruhiger als ich es von anderen Orten in den Alpen gewohnt bin. Abgesehen von den zwei oder drei populären Standartrouten, wie zum Beispiel auf den Großglockner, hat man eine gute Chance, komplett alleine auf einer Tour zu sein. Dazu kommen noch die Schneesicherheit und die vielen Gletscher, es gibt wirklich massig Berge zu entdecken mit den Skiern!
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Was ist an der Region und den Leuten so besonders?
Als ich mir die Mühe gemacht habe, auch die weniger bekannten Berge und Touren genauer zu studieren, waren die Locals sehr erfreut und boten mir jede Menge Informationen, wurden zu Freunden. Jetzt kenne ich viele der Osttiroler Bergführer und Hüttenwirte sehr gut, ich hole mir oft ihre Ratschläge zu Skitouren und Kletterrouten ein. Zwischen uns gibt es keine Rivalitäten, aber einfach so verraten mir die Jungs ihre Geheimnisse natürlich auch nicht. Man muss schon zuerst auf eigene Faust die Entdeckungsreise starten und gebührten Enthusiasmus für einen Berg zeigen ... aber wenn meine Freunde dann sehen, dass ich die gleiche Leidenschaft wie sie an den Tag lege, dann bekomme ich auch wertvolle „Insider-Tipps“.
Gibt es einen Unterschied zwischen den Ostalpen und deiner Heimat Colorado, was Skitouren betrifft?
Ja, in Colorado sind die Berge schon sehr hoch, wir haben hunderte 4.000er! Aber weil das Gebirge geografisch weiter im Süden liegt und der Ozean extrem weit weg ist, findet man in den Rockies trotzdem keine Gletscher und die Schneebedingungen sind sehr verschieden, verglichen mit den Alpen. Was die Lawinensituation betrifft, so haben wir viele Saisonen, wo man bis März oder April oberhalb der Baumgrenze nicht sicher unterwegs sein kann. Deshalb ist unsere Skibergsteige-Saison oft sehr kurz, eben März bis Mai. Außerdem sind die Berge durch ihre immense Höhe oft starken Winden ausgesetzt, dadurch entstehen leider oft schlechte Bedingungen zum Skifahren.
Ist das Skitouren gehen in Colorado auch so beliebt wie hier?
Nein. Zumindest noch nicht. Bis dato sind in Colorado noch weniger Leute mit ihren Tourenski am weg als hier, doch das Interesse am Sport steigt auch in den USA rapide. Allerdings beschweren sich auch dort bereits die Alt-Eingesessenen, dass in den Bergen zu viel los sei ... in 15 oder 20 Jahren wird das aber noch einmal ganz anders ausschauen!
Hast du in Osttirol eine Lieblingstour?
Das hängt natürlich von der Jahreszeit, den tagesaktuellen Schneebedingungen, der Lawinensituation und der Gruppe ab. Deshalb haben wir auch dieses kleine Booklet mit zehn verschiedenen Touren – verteilt über ganz Osttirol – erstellt: Dass man für jeden Tag und jede Bedingung die ideale Tour findet!
Ein Amerikaner kommt in eine Osttiroler Berghütte: Germknödel oder Apfelstrudel?
Wenn ich vorher genug Höhenmeter gemacht habe, dann natürlich Beides! Dazu noch ein Gösser Bier aus der Falkenstein Brauerei in Lienz, und alles ist gut.
Wie bereitest du dich auf die Skitouren-Saison vor?
Ich mache viel Trailrunning und gehe oft klettern. Ich habe zwei Bücher über spezifisches Training für Alpinisten geschrieben, und jetzt arbeite ich an einem neuen Buch über Training für Skitourengeher und Bergsteiger. Wer mehr erfahren will, einfach für meinen Newsletter auf uphillathlete.com anmelden!
Was hat ein Steve House immer im Rucksack?
Die nötige Sicherheitsausrüstung, natürlich. Dazu eine warme Daunenjacke für den Gipfel, eine Thermoskanne heißen Tee und ein oder zwei Dinkelbärentatzen von der kleinen Dorfbäckerei in Lienz.
Hast du ein neues Projekt für die kommende Saison?
Im Frühling werden meine Frau und ich unser erstes Kind auf der Welt willkommen heißen, einen Jungen! Wir sind immer noch auf der Suche nach einem passenden, alt-österreichischem Namen, welchen auch Amerikaner richtig aussprechen können.
Steve, vielen Dank für das Interview und alles Gute der Familie House!
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