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Nationalpark Hohe Tauern

Über alte Pfade durch die Hohen Tauern

• 28. September 2016
4 Min. Lesezeit
von Simon Schöpf

Die Hohen Tauern sind das größte unberührte Naturrefugium Mitteleuropas und für uns ein endloses Wanderparadies. Die Geschichte eines lehrreichen Ausflugs durch die Weiten der Osttiroler Hochgebirgswelt.

Wanderer am Kamm Richtung Großglockner
Foto: Simon Schöpf
Einsamer Wanderer am Kamm Richtung Großglockner
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„Die Hälfte von denen isch zwar giftig, aber den Rest kamma essn“, klärt Andreas Rofner ermunternd auf und präsentiert uns eine Beerenmischung von dunkelrot bis violett-blau. Dazu ein auffordernder Blick, russisches Beeren-Roulette quasi. „Mit Giftplanzen kenn i mi aus!“ Alle kosten, keiner stirbt.
 
„Nana, Scherz. Kamma natürlich alle essen, wirklich giftige Gewächse gibt’s bei uns ja eh fast koane“. Außer natürlich den Tauerneisenhut, vor dem sich Andreas nicht ganz zufällig positioniert hat. Behutsam zerpflückt er die violetten Blüten und erzählt dabei andächtig vom legendären Selbstversuch eines Reiseführers auf der Glockner Hochalpenstraße, der meinte, es komme sowieso nur auf die richtige Dosierung an. Sola dosis facit venenum – Und der Selbstversuch scheiterte fatal. „Als Tischschmuck auf Hütten übrigens auch keine gute Idee. Alles schon g’sehn“, sagt Andreas, langsam den Kopf schüttelnd.

Nationalpark-Ranger Andreas Rofner mit Tauerneisenhut
Foto: Simon Schöpf
Ranger Andreas Rofner mit dem hübschen aber giftigen Tauerneisenhut

Unterwegs mit den Rangern

Andreas Rofner ist Nationalpark-Ranger vom Beruf und Botaniker aus Leidenschaft. Obwohl, Ranger ist er eigentlich auch aus Leidenschaft, denn in die Berge, da gehört einer wie er einfach hin. Heute führt er uns von der Speikbodenhütte im Defereggental hinüber zur Wetterkreuzhütte im Virgental und erweitert gleichzeitig unser rudimentäres Wissen über die Pflanzenwelt der Alpen. Schauplatz: Der Osttiroler Teil des Nationalparks Hohe Tauern, dem größten Schutzgebiet des Alpenraumes. Sprich: Unberührte Natur, soweit das Auge reicht. Und Berge natürlich, die höchsten der Ostalpen. Der Großglockner ragt mit 3798 m prominent hervor. Wir, eine bunt gemischte Gruppe von zwölf motivierten Wanderern, kommen aus halb Europa zusammen: Deutschland, England, Niederlande, alles vertreten. Gemeinsam ist uns die Mission: Einfach in den Bergen zu sein. Als hilfreiche Unterstützung bietet der Nationalpark ein abwechslungsreiches Programm an geführten Touren. Wir sind heute auf einer davon.
 
Als zweiter Ranger mit dabei ist Matthias Mühlburger, dessen Blick oft aufmerksam 'gen Himmel gerichtet ist. Sein Steckenpferd: Die Ornithologie, die Welt der Vögel. „Da schaugt’s auffi, Mehlschwalben. Die heißen so, weil sie ausschauen, als wia wenn man sie in Mehl eingetunkt hätt, a ganz a weißes Bäuchl ham de“, klärt er uns auf.

Gipfel des Speikboden, Nationalpark Hohe Tauern
Foto: Simon Schöpf
Der Speikboden und seine Bergwiesen

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Wir befinden uns bereits hoch über dem Defereggental, der erste Anstieg führt uns von der Speikbodenhütte über herrliche Bergwiesen zum Gipfelkreuz des Speikbodens. Den Speik, namensgebend für den Berg, kennt man außerhalb Osttirols als „klebrige Primel“. Matthias Mühlburger huscht suchend über die weichen Böden, der Speik ist jetzt im Hochsommer allerdings schon verblüht. Fündig wird er bei einem anderen Gewächs, der echten Edelraute: „Andere produzieren daraus a Creme, wir mach’n halt aus all’m an Schnaps“. Kreativ, die Osttiroler.
 
Auch nüchtern eröffnen sich dem Blick von hier gefühlt unendliche Weiten hinunter ins breite Virgental, eingebettet in tausend Nuancen Grün. Weiter oben das ewige Eis, die Gletscher der Venedigergruppe. Dreiherrnspitze, Lasörling, die Simonyspitzen, Großer Geiger, Hoher Eicham – von hier aus sieht man die hohen Gipfel. Und Andreas Rofner hat sie alle erklommen. Innerhalb von fünf Jahren bestieg er, gemeinsam mit einem Freund, alle Dreitausender seiner Heimat Osttirol. „Ein interessantes Projekt“, wie er es nennt. Zutreffende Wortwahl, gibt es doch davon immerhin 241 Stück, und so mancher Gipfel bekommt nur äußerst selten menschlichen Besuch. „Jo, a paar lange Hatscher waren scho a dabei, da denkt man sich dann, wenn man in der Nacht um 3 losgeht, im Bett warats ja eigentlich a no ganz fein“. Am Ende steht natürlich das unbezahlbare Erlebnis in fantastischer Natur, die ganzen Strapazen erscheinen retrospektiv weit, weit weg.

Nationalpark-Ranger Matthias Mühlburger, Nationalpark Hohe Tauern
Foto: Simon Schöpf
Ranger Matthias Mühlburger auf hochalpiner Suche nach Verschnapsbarem

Glockner ohne Haube

Wir steigen weiter über den Grat, immer aussichtsreich, immer auf den imposanten Großglockner zu. „Heut’ zeigt er sich gnädig, der Glockner, normal hat er um die Zeit immer scho a Wolkenhaube auf“, kommentiert Matthias, der Vogelkundler. Als höchsten Punkt unserer Überschreitung erreichen wir bald das kleine Gipfelkreuz am Donnerstein, 2725 Meter über dem Meeresspiegel. Zu Unrecht trägt der Berg seinen Namen freilich nicht: „In den Siebzigerjahren hat der Blitz da heroben mehrere Dutzend Schafe erschlagen“, und, um die kollektive Schaf-Intelligenz gleich noch mehr zu demütigen, „grad vor einem Monat, da drüben, wieder 47 Stück“, sagt Andreas Rofner und zeigt auf den benachbarten Torkogel, wieder so ein Name. „Ja, der Tisch war gedeckt. Wenn man so was halt mag“. Manche mögen es – die Kolkraben, Steinadler und, seit Neuestem, auch die wiederangesiedelten Bartgeier.

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Nationalpark Hohe Tauern, Großglockner
Foto: Simon Schöpf
Eine Gratwanderung, immer König Glockner entgegen

Vor dem Gegrillt-werden müssen wir uns heute allerdings keine Sorgen machen, zumindest nicht durch Blitzschlag. Höchstens durch die Höhensonne: Ein paar Schönwetterwolken, sonst blauestes Blau am Himmel. Ab jetzt geht es bergab, geradewegs auf die bereits von Weitem sichtbare Zupalseehütte zu. Unsere gequälten Füße freuen sich auf die verdiente Abkühlung im türkisen Wasser des Zupalsees, unsere Gaumen auf den Apfelstrudel mit Vanillesauce. Idyllischer kann man sich eine Berghütte wohl kaum vorstellen: Gebirgssee, Kühe, Großvenediger im Hintergrund.

Zupalsee und Zupalseehütten, Nationalpark Hohe Tauern
Foto: Simon Schöpf
Viel los auf der Zupalseehütte: Von der Kuh bis zum Bundespräsidenten, alle da

Die letzte Etappe führt gemütlich bergab, knapp unterhalb der Baumgrenze lässt der nächste Stützpunkt nicht lange auf sich warten. Die Wetterkreuzhütte markiert den Endpunkt unserer wildromantischen Wanderung, von hier aus wären es noch läppische drei Stunden und 1.000 Höhenmeter runter ins Virgental. Doch genug ist genug, die Nationalpark-Ranger haben uns zur Erlösung ein Hüttentaxi herauf bestellt.
 
Ein letzter Blick zurück: Mittlerweile hat sich auch der Glockner seine Haube aufgesetzt. Er hat wohl Angst vor einem Sonnenstich.

Kind mit Mutter vor Großvenediger, Zupalseehütte
Foto: Simon Schöpf
Weiter Ausblick: Von der Zupalseehütte zum Großvenediger
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