Unerwartet allein auf dem höchsten Gipfel der Schweiz
Foto: Peak Art Images
Mit 4.634 m ist die Dufourspitze nicht nur der höchste Berg der Schweiz und des deutschsprachigen Raumes, sondern auch – etwas abhängig von der Definition der Erhebungen des Mont-Blanc-Massivs – der zweithöchste 4.000er der Alpen. Damit ist die Dufourspitze auch der zweithöchste Gipfel unseres Seven European Summits-Projektes. Als Teil des Monte-Rosa-Massivs in den Walliser Alpen liegt ihr Gipfel nur gut 150 Meter von der italienischen Landesgrenze entfernt. Der Normalweg führt mit atemberaubenden Blicken auf das Matterhorn über die brandneue Monte-Rosa Hütte – und wir sind ganz alleine mittendrin.
Margheritahütte
Gestern noch auf dem Gipfel des Gran Paradiso, sind wir heute bereits drei Autostunden entfernt am Ausgangspunkt für die Besteigung unseres vierten Seven Summits angekommen. In zwei Tagen wollen wir über die Monte-Rosa-Hütte auf den höchsten Berg der Schweiz steigen: Insgesamt sind fast 2.400 Höhenmeter im Auf- und Abstieg zu bewältigen und mehrere Gletscher zu passieren. Die meisten Bergsteiger planen für diese Tour drei Tage und zwei Hüttenübernachtungen ein, wir aber sind fest entschlossen, die „großen Drei“ in einer Woche zu schaffen und planen daher weniger als 48 Stunden ein. Dank des Paradiso sind wir gut vorakklimatisiert und starten dementsprechend guter Dinge vom Roteboden zur technisch schwierigsten Tour unseres Projektes.
7 European Summits: Maggy und Anja auf dem Gran Paradiso
Unsere Ankunft in der Monte-Rosa-Hütte verzögert sich. Schließlich erblicken wir sie: Wie ein Raumschiff in Eiform hängt die futuristisch anmutende Kapsel an den Westhängen des Dufourspitzen-Massivs. Wir haben wirklich wahnsinniges Glück: Nicht nur ist die Hütte fast leer, wir erleben auch noch einen traumhaften Sonnenuntergang – beides nicht gerade Standard, wie uns mehrfach bestätigt wird. Wir können einfach nicht genug bekommen von der Aussicht und dem wolkenlosen Sternenhimmel. Viel zu spät fallen wir endlich in unsere Betten.
Der Wecker klingelt nach kaum drei Stunden Schlaf um 1:30 Uhr und wieder einmal geht es hinaus in die absolute Dunkelheit. Wir treffen eine Viererseilschaft beim Anlegen der Steigeisen. Schon bald lassen wir sie hinter uns – und das war's: Wir sind weit und breit die einzigen Menschen auf dem höchsten Berg der Schweiz. Trotz der perfekten Bedingungen hat sich erstaunlicherweise keiner sonst hierher verirrt. Wir genießen die Ruhe der Nacht und ziehen in zahlreichen Serpentinen bergan. Schon bald wird es hell hier oben – viel früher als im Tal – und die aufgehende Sonne taucht den Himmel in eine wunderbare Morgenröte. Einmal mehr sind wir sprachlos angesichts eines solchen Panoramas.
Die 1.900 Höhenmeter ziehen sich, es kommt Wind auf. Nach gut 5 Stunden haben wir den Grat erreicht – jetzt heißt es klettern! Mit Zwischensicherungen überwinden wir große eingeschneite Felsblöcke, was sich bei Wind und Kälte als gar nicht so ohne gestaltet. Kurz vor dem höchsten Punkt blitzt die Sonne nochmal hervor, als wolle sie uns im immer dichter werdenden Nebel den Weg weisen.
Gerade noch voll konzentriert am Klettern, stehen wir plötzlich ganz oben: Allein auf dem Gipfel der Dufourspitze. Für einen kurzen Moment sind wir die „höchsten Schweizer“ auf 4.634 m – plus 2 schneebedingte Meter. Wir bleiben jedoch nicht lange, immerhin haben wir auch noch den gesamten Abstieg vor uns. Zudem wird das Wetter nicht besser und so beginnen wir rasch damit, uns vom felsigen Gipfelaufbau abzuseilen. Mitten in den Seilen reißt es noch einmal auf und wir erhaschen einen grandiosen Blick auf das zum Greifen nahe Nordend, den dritthöchsten, aber kaum begangenen 4.000er der Alpen.
Euphorisiert von der Tatsache, dass wir den technisch schwierigsten Gipfel der 7 European Summits so gut gemeistert haben, steigen wir durch den immer sulziger werdenden Schnee ab. Teilweise brechen wir hüfttief ein und erreichen die Monte-Rosa-Hütte ziemlich durchnässt und müde. Gerne wären wir hier länger verweilt – bei toller Aussicht und hausgemachtem Apfelkuchen. Aber: der „König der Alpen“ ruft. Mont Blanc, wir kommen!
Alle Fotos: Peak Art Images
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