Melde dich an und erhalte Zugang zu einzigartigen Inhalten und Angebote!


AnmeldenRegistrieren
Abonnieren

Cabane du Trient am Mount-Blanc

Regionen

4 Min.

05.10.2021

Foto: Elias Holzknecht

Anzeige

Anzeige

Das Mont-Blanc-Massiv bleibt nicht nur Bergsteigern vorbehalten. In der Cabane du Trient schnuppern auch Wanderer Höhenluft.

Roland Baumgartner für das Bergweltenmagazin August/September 2018 aus der Schweiz

Die Aussicht ist überwältigend: ein fünf Quadratkilometer grosses, weites Gletscherplateau, umrahmt von imposanten spitzen Granitzacken mit wohlklingenden Namen wie Le Portalet, Aiguilles Dorées, Aiguille du Tour oder Aiguille du Pissoir. Und mittendrin, als Refugium, Stützpunkt und nicht zuletzt Ziel eine steinerne Hütte mit weiss-roten Fensterläden. Die Cabane du Trient zwischen Martigny und Chamonix ist eine typische hochalpine Hütte und liegt in einer eindrücklichen, weitläufigen Gletscherwelt nahe dem Mont Blanc.

Die Hüttentour begannen wir heute Morgen um zehn Uhr nach der steilen Bergfahrt mit dem Sessellift vom Lac de Champex zum Grat von La Breya. Diese verkürzt den Zustieg zum Trient-Gletscherplateau um etwa zwei Stunden. Welch ein Panorama! Grand Combin, Mont Vélanund weit unten die Autostrasse zum Grossen St. Bernhard. Nun gilt es aber, Vorsicht walten zu lassen. Der Bergweg entlang der Flanke über der Combe d’Orny ist technisch absolut kein Problem, doch ein Fehltritt könnte unangenehme Folgen haben.

Dann wird es alpiner: Der Pfad führte früher zum Gletschereis, meidet dieses aber heute wegen der unberechenbaren Spalten. Schön angelegt und gut markiert führt der Hüttenweg jetzt über rundgeschliffene Felsen mit ein paar Leitern, Fixseilen und Metallbügeln. Trainierte Alpinisten rechnen von der unterwegs gelegenen Cabane d’Orny zur Trient-Hütte nochmals eine Stunde. Wir geniessen den Weg, den Blick ins Hochgebirge mit den Granitzacken, glauben bereits den nahe gelegenen Mont Blanc zu fühlen – und brauchen fast das Doppelte an Zeit.

Auf der Hüttenterrasse treffen wir auf Bergführer Res Bieri und Gast Viviane Fischer. Sie wählten einen anspruchsvolleren Weg und kletterten heute im Aufstieg zur Hütte bereits an der Aiguille d’Orny „La Moquette“, eine Mehrseillängenroute vom 4. bis 5. Schwierigkeitsgrad. „Uns bot dies eine willkommene Abwechslung am Hüttenweg. Auch konnten wir uns schon ein wenig mit dem Mont-Blanc-Granit anfreunden, den wir morgen ja auch wieder unter den Füssen haben. Was will man mehr? Schön an der Sonne klettern und in Sichtweite die Gletscher.“

 Viviane ist bestens orientiert über das morgige Vorhaben: „Sehr früh wollen wir losziehen“, sie zeigt auf das unendliche Gletschereis, „und bei Sonnenaufgang werden wir schon mitten auf dem Plateau stehen.“
 


Die Suche nach der Sonnenbrille

Da die Cabane du Trient Ausgangspunkt für kombinierte Hochtouren und Kletterpartien im Schweizer Teil des Mont-Blanc-Massivs ist, zählen viele ernsthafte Bergsteiger zu den Hüttenbesuchern. Es gibt aber auch Geniesser wie uns, die eine oder zwei Nächte in der Hochgebirgsumgebung bleiben.

Viviane fügt an: „Ich finde es immer spannend, während dem Abendessen in einer Hütte andere Bergsteiger zu treffen, man lernt stets dazu und erfährt interessante Tipps. Die Gäste sind sehr unterschiedlich, haben aber alle dieselbe Leidenschaft: Berge!“ Vor der Hütte kann es hektisch zugehen, überall liegen Eispickel, Bergschuhe und Seile umher. Auf der Steinmauer reihen sich Socken und Leibchen nebeneinander.

„Man merkt jeweils auf den ersten Blick, welches die erfahrenen Alpinisten sind. Andere schrauben zum dritten Mal an ihren Steigeisen oder suchen nach der Sonnenbrille, die sie doch grad vorhin auf den Fenstersims gelegt haben wollen“, belächelt später die Hüttenwartin im Gespräch in der Küche die allabendlich sich wiederholenden Szenen.

Trotz Hochbetrieb findet die Hüttenwartin Mélanie Genet Zeit, mit uns über das Leben in einem solchen Grossbetrieb zu sprechen. „Wir betreuen hier 5.000 Gäste in einem Jahr, zwei Drittel im Sommer, ein Drittel im Winter und Frühling – vergleichbar mit einem mittleren Hotelbetrieb.“ Die Neununddreissigjährige, die ursprünglich aus dem Waadtländer Paysd’Enhaut stammt, ist Mutter von zwei Kindern, zwei und vier Jahre alt, und führt die Hütte seit sieben Jahren zusammen mit ihrem Mann Olivier.

„Mein Mann ist Koch und Bergführer – das ist eine ideale Kombination für den Betrieb auf 3.170 Meter Höhe.“ Eine Hütte gibt es an dieser Stelle seit über hundert Jahren, das heutige Hauptgebäude stammt von 1934, der kubische Anbau von 2006. Insgesamt bietet sie Platz für 120 Gäste, der heute auch benötigt wird.

„Wir haben fast Full House“, erklärt die Chefin auf Englisch mit melodiösem französischen Akzent. Trotzdem ist kein Stress zu erkennen, in der Küche läuft alles ruhig und organisiert – und an der Theke wechselt Mélanie mit manch einem Gast ein herzliches Wort, als ob sie alle seit Jahren kennen würde.


Was Luxus sein kann

Bei manchen trifft das sogar zu: „Schön ist es schon, bereits zum vierten Mal in diesem Sommer einen guten Bergführer-Kollegen begrüssen zu dürfen. Und noch fast schöner ist es, wenn Gäste immer wieder realisieren, welche Herausforderung es ist, hier eine reibungslose Hotellerie anzubieten.“ Die Cabane du Trient wird mit dem Helikopter versorgt, total werden pro Jahr rund 13 Tonnen Nahrungsmittel zur Hütte geflogen.

„Wenn plötzlich das Salz fehlt, gibt es nicht um die Ecke einen Laden, um sich rasch Nachschub zu holen“, sagt Mélanie. Man versucht trotz der Lage, den Gästen gewisse „Luxuswünsche“ zu erfüllen: „Hüttenbesucher sind heute auch unwahrscheinlich glücklich, wenn sie am Abend ihr Handy aufladen dürfen.“ 

Entlang einer Wand reiht sich Steckdosenleiste an Steckdosenleiste – alle sind besetzt! Natürlich ist eine hochalpine Hütte aber schlussendlich kein Luxushotel: „Dass wir in der Hütte keinen Mobiltelefonempfang haben und auch kein WiFi anbieten, ärgert nicht selten Leute. Und: Unsere Duschen gibt’s halt auch nur, solange das im Frühjahr gesammelte Schmelzwasser reicht.“

Eine letzte Frage sei erlaubt: Was ist eigentlich Mélanie ursprünglich von Beruf? „Ein bisschen von allem. Ich habe sogar einmal in der Verwaltung gearbeitet. Eine typische Allrounderin.“ Sagt’s und entschwindet zurück in die Küche. 


Mehr zum Thema