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Mit dem E-Bike entlang der Südküste Portugals

Reise

4 Min.

03.10.2022

Foto: Philip Platzer

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Die Südküste Portugals, die Algarve, hat durchschnittlich 300 Sonnentage im Jahr, das ist Europarekord. Leere Strände, rotgoldene Klippen und täglich Fisch: Hier lässt sich der Sommer verlängern.

Text: Martin Zinggl

„Immer der Sonne nach“, sagt uns Eugen Hanhart und schmunzelt, denn der 75-jährige Schweizer muss es wissen. Zusammen mit seiner Frau Lisa investierte der pensionierte Maschinenbauer in einen Fahrradverleih im warmen Südportugal.

Für unsere Tour hat er seine Version der Trans-Algarve vorgeschlagen. Sie führt von der spanisch-portugiesischen Grenze in westlicher Richtung entlang der Küste bis zum Kap von São Vicente, der südwestlichsten Ecke des europäischen Kontinents, Portugals äußerstem Zipfel. Über 200 Kilometer vielfältige Kulisse – und dazwischen jede Menge kulinarische Schmankerln.

Vor allem Letztere haben Marco Alampi dazu bewogen, an dieser Radtour teilzunehmen. Der 31-jährige kalabrische Musiker und Geschichtestudent vergöttert die portugiesische Küche und möchte den Menschen an der Südküste begegnen. Seine Freundin Aneta Strohová, Englischlehrerin aus Nordböhmen, interessiert sich mehr für die Natur: Die 25-Jährige ist Hobby-Ornithologin. Kultur, Kulinarik, Fauna und Flora – weitere gute Gründe, um die Algarve zu erkunden.

Und beide haben sich für ein E-Bike entschieden: „Es soll ja vor allem Spaß machen“, meint Aneta. „Wir bleiben stehen, so oft und so lange wir wollen, und müssen uns dann nicht abrackern, um das nächste Etappenziel rechtzeitig zu erreichen.“


Ziegen meckern, ansonsten Stille

„Radeln und genießen“ – so fahren wir aus der Algarve-Hauptstadt Faro los. Wir passieren rotbraune Salinen, an denen sich meterhohe, schneeweiße Berge aus glitzernden Salzkristallen türmen, bevor wir das Naturschutzgebiet Ria Formosa durchqueren: Sanddünen, Marschland und Abertausende Vögel aus Mitteleuropa, die hier überwintern oder auf dem Weg nach Afrika einen Zwischenstopp einlegen.

Aneta ist begeistert. „Hört ihr das?“, fragt sie aufgeregt. Der Wind säuselt leise, ein paar Ziegen meckern von irgendwoher, ansonsten Stille. Ein paar Männer picken sich schweigend Krebse aus dem knöcheltiefen Schlamm. Die Störche tun es ihnen gleich. Ein Reiher streckt seine Flügel und lässt sich die Sonne auf die stolze Brust scheinen.

Zwischen Albufeira und Portimão, ab der weißgekalkten Kapelle Nossa Senhora da Rocha, deren Kirchenkreuz mitten auf einem rotgoldenen Felsvorsprung in die Höhe ragt, beginnt die Algarve mit ihrer Schönheit richtig zu protzen: Über schwindelerregend hohe Klippen schlängelt sich ein Pfad von einer versteckten Bucht zur nächsten. Die Luft schmeckt salzig, die Wellen gleiten ruhig ans Ufer, Himmel und Ozean liefern sich einen Wettkampf um die intensiveren Blautöne. Ein Duell ohne Gewinner. Die Sonne verwöhnt uns mit sommerlichen Temperaturen, mitten im Winter, vereinzelt spenden steinerne Höfe Schatten. Durchschnittlich 300 Sonnentage pro Jahr verzeichnet die Algarve und hält damit den Europarekord.

Marco und Aneta kommen aus dem Staunen nicht heraus. „Wie wundervoll“, schwärmt der Italiener. Glasklar und türkisblau schimmert der Atlantik. Wir radeln weiter, trotzen Gegenwind und kurzen, aber knackigen Anstiegen mit elektrischer Unterstützung. Am Tiefpunkt einer bergigen Haarnadelkurve erreichen wir die Felsbucht von Benagil. Eng, isoliert und paradiesisch. Hier bekommen wir im „Benagil Beach Bungalow“ den wahrscheinlich besten Oktopus unseres Lebens serviert. Die weichen, zartrosa gegrillten Tentakeln zerfallen im Mund, so muss das Meer schmecken.


In Alvor ist es am schönsten

Gute zwanzig Kilometer weiter, in Alvor, einem kleinen, aus weißen Häuschen bestehenden Fischerdorf, streiten sich die Möwen um Fischabfälle: Francisco Gonzalez de Jesus schabt gerade die Schuppen der frisch gefangenen Doraden, Brassen und Aale ab. Sonnengegerbte Haut, Strohhut auf dem Kopf und ein Lächeln, das auch die allerletzten Sorgen vergessen lässt, sogar wie lange er bereits Fischer ist. „Seit rund 50 Jahren“, meint der 62-Jährige, aber genau kann er das nicht sagen. „Wir haben in der Algarve die besten Fischgründe der Welt.“ Überall sei er schon gewesen, „in Lissabon und auf den Kanaren, einfach überall. Aber in Alvor ist es am allerschönsten. Ich will nie wieder weg von hier.“

Wir hingegen radeln weiter. Immer eine Brise Atlantik in unserem Nacken, auch wenn sich der Weg mehrere hundert Meter von der Küste entfernt. Auf unbefestigten Landstraßen rollen wir durch Nadelbaumhaine und Wälder voller Korkeichen.

Querfeldein und teilweise bis zu zwanzig Prozent steil bergauf führt die Reise in das hügelige Grün im Landesinneren und weiter bis zum südwestlichsten Punkt des europäischen Festlandes. Hier prallt der bisher eher freundliche Atlantik auf rund siebzig Meter hohe Kalksteinfelsen und verursacht ein aufgewühltes Donnerwetter. Der Wind pfeift und lässt jene Schlösser an dem Gitter des Leuchtturms klackern, die von Besuchern aus aller Welt hier für alle Ewigkeit geschlossen wurden. Hunderte Kilometer nur Wasser – man beginnt zu verstehen, welchen Reiz Heinrich der Seefahrer und andere Navigatoren der Geschichte darin gesehen haben müssen, diese blaue Unbekannte entdecken zu wollen.

Für Marco und Aneta endet die Reise, während sie für Maël Peeroo aus Straßburg erst so richtig startet. Seit exakt fünfzig Tagen radelt der 25-jährige Franzose über die Iberische Halbinsel. Am Kap holt er sich den Segen vom heiligen Vinzenz, bevor er über die restliche Algarve und Südspanien nach Marokko übersetzt, um auf seinem Tourenrad Afrika zu durchqueren. „Ich wollte einfach mal etwas anderes machen“, sagt er. Ein geplantes Rückreisedatum hat Maël nicht. Dann radelt er los. Immer der Sonne entgegen.

Die Reise-Story ist im Bergwelten Magazin erschienen.


Infos und Adressen: Algarve, Portugal

Karte Portugal
Berg & Freizeit

Reiseinfos: Algarve, Portugal

Tipps und Adressen zu unserer Reisestory: Algarve – Mit dem E-Bike entlang der Südküste Portugals.
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