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Die Faszination und Risiken der Berge mit Kindern erleben

Regionen

4 Min.

19.10.2021

Foto: Reinhard Fichtinger

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Schneeschuhwandern und Iglu bauen: Wie man der jüngsten Generation die Faszination und auch die Risiken der Berge näherbringt.

Georg Eckelsberger für das Bergwelten-Magazin Winter 2015/16

Die Sonne taucht den Berg in helles, warmes Licht und täuscht über die Kälte hinweg – es hat neun Grad unter null hier auf 1.880 Metern in der Asten in Oberkärnten, einem der höchstgelegenen Täler Österreichs.

Mit warmer und gleichzeitig atmungsaktiver Kleidung, mit Sonnenbrille und Sonnencreme ist es auf den frisch beschneiten Hängen aber gut auszuhalten. Der achtjährige Lukas scheint die Kälte gar nicht zu spüren: Er ist hier, um zu spielen und dabei mehr über das Leben in den Bergen herauszufinden.

„Handlungsorientiertes Lernen“ nennen das Peter Kampusch und Barbara Rieder, Jugendleiter des Österreichischen Alpenvereins, die Lukas und seine Brüder durchs Gelände begleiten. „Mit einer einfachen Wanderung kriegt man die Kinder heutzutage kaum mehr“, sagt Kampusch.

„Wir bringen die Kinder in die Berge und lassen sie die Natur erleben“, erklärt Peter Kampusch die Idee der Kindererlebnistage, die der Alpenverein regelmäßig in ganz Österreich anbietet. Der Gedanke dahinter: Die Trainer wollen die Generation Smartphone mit der Natur bekannt machen. Im Vergleich zu den realen Abenteuern in den Bergen können die Spielkonsolenwelten nämlich schnell blass aussehen.

Die Kinder muss man nicht zweimal bitten: Noch bevor die beiden Trainer zur Wanderung starten, stürzen sich Lukas, Sebastian und Stefan, Drillinge aus dem Klagenfurter Umland, mit Gebrüll in den Tiefschnee.

„Das ist eigentlich immer so“, sagt Kindergartenpädagogin und Outdoortrainerin Barbara Rieder lachend. Hat sie keine Sorge, dass sich die Kinder bei all dem Übermut verletzen könnten? „Wir sind hier in sicherem Gelände, es kann nicht viel passieren.

Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Buben die natürlichen Risiken kennenlernen. Sie müssen ihre eigenen Erfahrungen und Fehler machen.“ Wenige Augenblicke später steckt Sebastian bereits kopfüber im Tiefschnee.


Der Forscherdrang in Kindern ist groß

Heute wird Schneeschuhwandern angeboten. Lukas hat schon mit vier Jahren Skifahren gelernt, Schneeschuhe kennt er noch nicht. Aber er findet sich schnell zurecht. Mit einem Ohr bei den Erklärungen des Trainers, probieren die Brüder die neuen Schuhe gleich aus.

Augenblicke später laufen sie damit den Hang hinauf, als hätten sie es nie anders gemacht. Gefällt es ihm hier in den Bergen? „Sicher“, sagt Lukas. „Fernsehen ist mir zu langweilig, da geh ich lieber raus.“ Da gebe es schon ganz andere Fälle, sagt Jürgen Einwanger. Der 48-jährige, aus München stammende Familienvater leitet die Akademie des Österreichischen Alpenvereins und geht auch beruflich mit Kindern und Jugendlichen in die Berge.

Manchmal könne man regelrecht Entzugserscheinungen erkennen, wenn beim Wandern plötzlich der Handyempfang wegbricht, sagt er. Man müsse den Kindern aber nur die Chance geben, sich anders zu beschäftigen: „Der Forscherdrang von Kindern ist groß, wir müssen ihnen aber auch erlauben, sich zu spüren und Spielräume auszutesten.“

Dabei gelte es zunächst, die Eltern zu überzeugen und ihnen die Angst zu nehmen, dass den Kindern etwas zustoßen könnte. „Entängstigung“ sagt Jürgen Einwanger dazu, der sich nicht als Animateur versteht. „Wir fahren nicht in die Berge und machen Programm“, sagt er. „Das übernehmen die Kinder selbst.“

Egal ob Tierspuren, geheimnisvolle Erdhöhlen oder ein schöner Stein im Bachbett: Lässt man Kindern ihre Freiheiten, schaffen sie sich ihre Abenteuer selbst. Lukas hat etwas entdeckt: Durch eine Höhle im Schnee ist ein kleiner Bachlauf zu erkennen.

Die Kinder verfolgen ihn den Hang hinauf, doch bald verliert sich das Bächlein unter der hohen Schneedecke. Plötzlich hört man ein Geräusch – scheinbar kommt es aus dem Berg. Lukas schreckt kurz zusammen. „Was war das?“, ruft er, halb erschrocken, halb neugierig. „Es hat viel geschneit, und der Schnee hat sich noch nicht richtig gesetzt“, erklärt Peter Kampusch. „Wären wir jetzt in steilem Gelände, wäre vielleicht eine Lawine abgegangen.“

Die Kinder hören aufmerksam zu, während der Trainer seine Lawinenausrüstung herzeigt: ein Piepsgerät, um andere zu suchen oder selbst gefunden zu werden, und eine Schaufel, um Menschen schnell von den Schneemassen zu befreien

„Merkt euch das“, sagt Peter Kampusch, „man muss die Risiken ernst nehmen.“ Lukas nickt. Diese Risiken richtig einzuschätzen ist eine der Lektionen, die die Kinder lernen sollen, achtsamer Umgang mit der Natur eine andere. Barbara Rieder erzählt den Kindern von Schneehühnern.

Im Winter leben die Vögel hier in Höhlen in der Schneedecke, werden sie gestört, kann das natürlich auch ihren Tod bedeuten. Mit offenem Mund hören die Kinder zu. Doch genug der Lektionen: Es wird Nachmittag – Zeit, an ein Nachtquartier zu denken.


Das nächste Abenteuer ist in Planung

Peter Kampusch sammelt die Rucksäcke der Gruppe ein und erklärt: „Wir bauen jetzt ein PanzerknackerIglu.“ Dazu werden die Rucksäcke im Schnee eingegraben, um den Hohlraum freizuhalten, der später als Schlafplatz dienen soll. „Danach holen wir die Rucksäcke durch ein kleineres Loch wieder heraus, wie die Panzerknacker die Geldsäcke aus dem Tresor.“

Das Iglu wird heute nur zu Übungszwecken gebaut. Lukas ist ein wenig enttäuscht, packt aber trotzdem kräftig mit an. Nach einer Stunde ist der Unterschlupf fertig. Die Schatten werden länger, und es wird rasch kälter. Im Ernstfall würde das selbst gebaute Biwak als sicherer Schlafplatz dienen.

Doch für heute geht es wieder zurück nach Hause. Der Abschied fällt den Buben nicht leicht, am Ende überwiegt jedoch die Vorfreude: Das nächste Abenteuer ist bereits in Planung. Im Frühling wird Barbara Rieder mit den Buben fischen gehen. Hat Lukas das Abenteuer in den Bergen gefallen? „Ja, sehr“, sagt Lukas, sichtlich müde. „Heute“, sagt Peter Kampusch, „werden alle gut schlafen.“ Und gähnt dabei auch selbst ein wenig.