Grand Canyon: Abstieg in die Schlucht der Schluchten
Foto: mauritius images/ Nick Hanna
von Gerald Valentin
Wer kennt nicht die atemberaubenden Bilder des Grand Canyons - dieser unermesslich großen Schlucht im Wilden Westen Arizonas, die der Colorado River fast 2.000 Meter tief in den Fels geschnitten hat. Die wahre Dimension und Magie des Naturwunders können Fotos kaum wiedergeben. Gerald Valentin hat über den South Kaibab Trail einen Abstieg in die Tiefe des Canyons gewagt und schildert uns seine Eindrücke.
Tipp: Habt ihr Fernweh? Dann hört euch doch unsere Podcast-Folge an! Darin erzählen Abenteurerinnen und Globetrotter wie es ihnen mit den derzeitigen Reise-Beschränkungen geht.
„Oh my god!“ Wieder ist ein Shuttle-Bus am Yaki Point angekommen und hat eine Reisegruppe ausgespuckt. Eine ältere Lady mit Cowboyhut erreicht als erste den Aussichtspunkt und gibt ihrem Staunen lautstark Ausdruck. Um der Mittagshitze zu entgehen hoppen viele Besucher schon in aller Früh von einem Viewpoint zum anderen. Fast fünf Millionen sind es, die jährlich den Nationalpark Grand Canyon besuchen.
Die eindrucksvolle Besucherstatistik darf nicht abschrecken. Wenige Meter abseits der ausgetretenen Pfade schwillt der Menschenstrom ab und es breitet sich erhabene Ruhe aus. Wenn auch noch der Colorado River am Grund der Schlucht sichtbar wird, wächst das Verlangen dem Rummel am South Rim gänzlich auszuweichen und zum türkisenen Nass abzusteigen.
In die Schlucht
Für den Abstieg in den Grand Canyon empfiehlt sich der South Kaibab Trail. Beginnend beim Yaki Point führt er auf einer Länge von 10 km annähernd 1.500 Höhenmeter nach unten. Der aufwendig gebaute Trail windet sich entlang einer Rippe talwärts wodurch sich stets wechselnde Blicke in das Tal ergeben. Ein Fest für Fotografen! Die Wanderung ist auch dank der verschiedenen Vegetationszonen abwechslungsreich: Kieferbewuchs am South Rim, darunter Wacholder- und Pinyonkiefer-Sträucher. Es folgen eine Wüstenzone mit Kakteen und spärlicher Graswuchs am Ufer des Colorados. Bisher sind rund 1.500 Pflanzenarten nachgewiesen. Aber auch die Fauna präsentiert sich überraschend artenreich. Der Puma und das Dickhornschaf sind prominente Vertreter von rund 80 verschiedenen Säugetieren. Am häufigsten begegnet man Maultieren, die weniger sportliche Touristen in die Schlucht tragen und dabei den Trail stark in Mitleidenschaft ziehen.
Durch 1,8 Milliarden Jahre Erdgeschichte
Am Grund des Grand Canyon angekommen hat der Wanderer die letzten 1,8 Milliarden Jahre der Erdgeschichte durchschritten. Schicht für Schicht hat der Colorado im Laufe von Millionen Jahren abgetragen und rote Sandsteine, grüne Gneise und schwarzen Schiefer freigelegt. Durch den Wechsel von weichen und harten Gesteinen entstanden die charakteristischen Hangtreppen, die je nach Sonnenstand in verschiedenen Farben leuchten.
Am Ende des Abstieges führt der South Kaibab Trail über eine imposante Hängebrücke an das rechte Ufer des Colorado. Hier befindet sich ein beliebter Rastplatz von Bootsfahrern, die mit ihren kippsicheren Raftbooten in mehreren Tagen durch die Schlucht schippern. Mit dem Bau der mächtigen Staumauer Glen Canyon Dam hat man die Wasserfluten des Colorado Rivers gezähmt und den Sedimenttransport zum Erliegen gebracht. So präsentiert sich der einstmals gefürchtete Wildwasserfluss als sauberer und zahmer Riese.
Wasser und Schatten
Zehn Minuten nach der Hängebrücke befindet sich der Bright Angel Campground, der eine Möglichkeit bietet die Trinkflaschen aufzufüllen. In der extremen Trockenheit Arizonas verlangt der Körper beim Abstieg so viel Flüssigkeit wie ein ähnlich langer Aufstieg in den Alpen. Wer den Sternenhimmel bewundern und am Grund der Schlucht übernachten will, muss sich rechtzeitig um ein Permit kümmern. Essen in der Ranger-Station gibt es nur nach Anmeldung.
Der 15 km lange Bright Angel Trail ist die bevorzugte Route für den Wiederaufstieg zum South Rim. Sie ist deutlich länger als der South Kaibab Trail, hat aber zwei entscheidende Vorteile. Der Weg folgt einem oasenartigen Tal, in dem die Vegetation und die Topographie immer wieder Schatten spenden. Zudem verläuft parallel zum Weg eine Wasserleitung, an der im Sommer ein paar Zapfstellen aktiviert werden. Für Durstige ein wahrer Segen! Wer es in einem Tag nicht nach oben schafft kann im paradiesischen Indian Garden Campground Quartier beziehen und den restlichen Aufstieg am nächsten Tag antreten.
Arizona: Weitere Naturwunder
Mit einem Besuch des Grand Canyon wächst der Wunsch mehr von den faszinierenden Felsformationen im Wilden Westen Arizonas kennen zu lernen. Nichts liegt näher als dazu das Städtchen Page knapp drei Fahrstunden weiter im Norden zu besuchen. Hier lädt der aufgestaute Colorado im Lake Powell zu vielfältigen Wasseraktivitäten ein. Noch viel eindrucksvoller ist jedoch die andere Seite des 215 m hohen Glen Canyon Dam. Im Marble Canyon fallen die Wände aus rotem Sandstein hunderte Meter senkrecht zum türkisfarbenen Fluss ab. Nach der anstrengenden Wanderung im Grand Canyon empfiehlt es sich diese Schlucht mit einer gemütlichen Fahrt im Schlauchboot zu erkunden. Danach steht der Upper Antelope Canyon am Programm. Nur etwas mehr als 40 m tief, 400 m lang und zu jeder Tageszeit von Touristen überschwemmt. Aber die optischen Eindrücke in dieser engen Kluft sind überwältigend und werden wie die Wanderung in den Grand Canyon ein Leben lang in Erinnerung bleiben.
Infos und Adressen: Grand Canyon, Arizona (USA)
- Anreise: Mit dem Flugzeug nach Las Vegas (Nevada) und weiter mit dem Mietwagen.
- Beste Reisezeit: März bis Juni und September bis November.
- Unterkünfte: Die Hotels sind zu den Feiertagen und an den Wochenenden oft ausgebucht. Eine frühzeitige Reservierung ist sehr empfehlenswert.
- Wohnmobile: Die amerikanische Art zu reisen: Flexibel, unkompliziert und mit einer Prise Abenteuer (www.fti.at).
- Hiking im Grand Canyon National Park: Tipps und Trails
- Weitere Informationen: www.visit-usa.at
- Berg & Freizeit
Am Rande der Zeit: Mountainbiken in den Canyonlands
- Berg & Freizeit
Oh Mann! Oman: Klettern & Wildcampen in der Wüste
- Berg & Freizeit
Senja – Ein Outdoor-Inselparadies in Norwegen
- Berg & Freizeit
Trailrunning auf Madeira