Skijöring in den Nockbergen
Foto: Sam Strauss
Der Hund läuft, und der Mensch lässt sich durch die Landschaft ziehen: Ganz so gemütlich ist Skijöring dann doch nicht – Langläuferin Anna Milazzi und Hund Finn zeigen, wie es geht.
Katharina Lehner für das Bergweltenmagazin Juni 2020
Artikel zum Hören
Was die besondere Beziehung zwischen Mensch und Hund ausmacht, was man beim Skijöring mit Hund beachten muss und welche Hunde besonders für Bergabenteuer geeignet sind, erfahrt ihr im Bergwelten-Podcast.
Was ist Skijöring?
Das Wort „Kjøring“ ist Norwegisch und heißt ganz einfach „Fahren“. Skijöring beschreibt aber nicht nur das Langlaufen mit Hund, sondern hat ganz unterschiedliche Formen. Allen gemeinsam ist: Jemand wird auf Skiern durch den Schnee gezogen. Das kann entweder von einem Hund sein, einem berittenen oder unberittenen Pferd, einem Auto, Motorschlitten oder was einem sonst so einfällt. Die bekannteste Skijöring-Veranstaltung ist der „White Turf“ auf dem St. Moritzersee im Schweizer Oberengadin: Dabei werden Skifahrer von galoppierenden Pferden gezogen.
Geht das mit jedem Hund?
Man sagt, Hunde können – wenn sie entsprechend trainiert sind – das Neunfache ihres Körpergewichtes ziehen. Das heißt: Die Größe des Tieres ist entscheidend. Von Chihuahua oder Dackel wird man sich nicht durch die Winterlandschaft ziehen lassen – vom Weimaraner oder Schäferhund schon. Die Rasse ist aber nicht so wichtig, sondern ob der Hund Freude am Ziehen hat. Wichtig: vorher abchecken lassen, ob körperlich alles in Ordnung ist und es keine Probleme gibt, etwa mit der Hüfte.
Wie trainiert man dafür?
Anna Milazzi empfiehlt, das Training ab einem Alter von 9 Monaten zu beginnen: „Wenn der Hund nicht von Haus aus zieht, dann hängt man ihm zum Training etwa eine schwere Kette an, und er muss zum Futternapf laufen. So hat er eine Motivation, wo hinzulaufen, und gewöhnt sich daran, etwas zu ziehen.“ Grundsätzlich ausprobieren kann man das Ganze auch beim Laufen. Canicross nennt sich das Laufen mit Bauchgurt, Hundegeschirr und Leine. Wichtig: langsam die Distanzen steigern, damit der Hund merkt, dass er ziehen soll und darf.
Dürfen Hunde auf die Loipe?
Es gibt ausgewiesene Hundeloipen und solche, wo Hunde geduldet werden. Im Großteil der Gebiete herrscht jedoch ein Hundeverbot. Anna Milazzi hat Tipps für die Loipensuche:
• Am besten beim örtlichen Tourismusverband nachfragen, welche Loipe man mit Hund nutzen darf.
• In Kärnten trainieren Anna und Finn in der Innerkrems (und gleich jenseits der Salzburger Grenze in Schönfeld – wie hier in der Geschichte), am Weißensee auf der Hundeloipe „Husky“ und in Thörl-Maglern.
• Im Salzburger Altenmarkt-Zauchensee gibt es zwar keine Hundeloipen, aber auch kein Verbot.
• In Tirol gibt es die Hundeloipe „Lenerwiese“ in Seefeld und das Langlaufgebiet Pertisau am Achensee.
• In Oberösterreich empfiehlt sich die „Sauwaldloipe“ in Haugstein.
• Hier gibt es eine gute Übersicht von Hundeloipen in der Schweiz.
Reportage: Das Loipenrudel Anna und Finn
Gute Gesellschaft verändert die Wahrnehmung, wie man die Zeit erlebt. Das gilt generell für alle Tage und Stunden. Und es gilt speziell in den Bergen. Je nachdem, mit wem wir unterwegs sind, wandelt sich unser Fokus. Was nehmen wir wahr? Was sehen und hören wir? Wie anstrengend ist die Tour? Wie schön glitzert der Schnee?
Der Wunsch nach guter Gesellschaft verbindet Menschen. Aber nicht nur: Hinausgehen, auch wenn man keine Lust hat, weil es stürmt und schneit; sich sicher fühlen, weil man nicht allein im nächtlichen Wald unterwegs ist – auch die Gesellschaft eines Hundes verändert das Erleben.
„Ich komme aus dem Leistungssport und habe sehr viel allein trainiert – Langlauf ist eben kein Teamsport. Die Trainings werden deshalb irgendwann langweilig. Auch als ich mit dem Leistungssport aufgehört habe, habe ich mir beim Wandern oder Laufen immer gedacht: Es wäre so schön, einen Kumpan zu haben, jemanden, mit dem ich das alles teilen kann.“
Die 28-jährige Kärntnerin Anna Milazzi ist mit dem Langlaufsport aufgewachsen – in ihrer Jugend war sie Profi-Langläuferin, hat nach dem Ende ihrer Karriere weiterhin an Volkslanglauf-Rennen teilgenommen und ist heute einfach zum Spaß unterwegs. Aber nicht nur das Langlauf-Gen hat sie von zu Hause mitbekommen, sondern auch die Veranlagung zur Rudelbildung. Sechsundvierzig Hunde hatten die Eltern, begeisterte Schlittenhundesportler, in ihren Hochzeiten. Heute, zwanzig Jahre später, führt Anna die Familientradition in minimalistischer Form weiter: beim Skijöring mit Weimaraner-Mischling Finn.
„Skijöring ist Langlaufen mit Hund. Das kommt aus den skandinavischen Ländern und ist dort ein Traditionssport. Der Hund zieht dich, und du skatest hinterher. Ich wollte das unbedingt machen, und deshalb habe ich mir extra einen Hund genommen, der das kann und selbst Freude daran hat.“
Lokale Attraktion
Für die Langläufer, Skitourengeher und Winterwanderer, die rund um die Höhenloipe Schönfeld auf einer Seehöhe zwischen 1.700 und 2.100 Metern unterwegs sind, ist das Duo jedenfalls eine Attraktion. Das kleine Salzburger Wintersportgebiet gleich an der Grenze zu Kärnten ist frisch angezuckert. Eine dicke Schneedecke liegt in der Ebene und rastet an den Hängen.
Der Hüttenwirt des Almstüberls – eines der wenigen Häuschen hier oben – hat die Loipe gerade gespurt. Man hört einen Hund bellen, dann hört man eine Frauenstimme rufen: „Heja! Heja!“ Und schon flitzen die beiden an den Zuschauerinnen und Zuschauern vorbei: Vorn Finn im Laufgeschirr, dann Anna mit Hüftgurt, Langlaufskiern und Stöcken. Eine Bungeeleine verbindet das Gespann.
„Das erste Mal, als Finn und ich unterwegs waren, war ein Highlight. Finn war gerade einmal 12 Monate alt, und schon als Welpe war er sehr zugfreudig – was beim normalen Spazierengehen etwas anstrengend sein kann. Jetzt hat er aber gewusst: Er darf ziehen. Und was macht er? Er zieht an – mit voller Kraft. Ich falle. Er zieht weiter, schleppt mich hinter sich her. Ich rufe, dass er stehen bleiben soll, aber wir sind auf einer harten, eisigen Spur, also rutsche ich leicht und falle ihm nicht zur Last. Bis er verstanden hat, was los ist, waren wir dreißig Meter weiter. Das war unsere erste Erfahrung mit Skijöring.
Heute sind die beiden ein eingespieltes Team. Das liegt unter anderem daran, dass nicht nur im Winter gemeinsam gesportelt wird. Matthias Stonig, einer der besten Enduro-Biker Österreichs, ist das dritte Mitglied des Rudels und mit Finn vor allem im Sommer unterwegs. Auch das eine oder andere Bikejöring-Rennen haben die beiden schon gewonnen. Der Unterschied zum Skijöring? Die Leine wird nicht am Radler selbst befestigt, sondern am Rahmen des Bikes. Und die Gemeinsamkeit? Der Hund zieht.
„Als wir letztes Jahr bei der österreichischen Meisterschaft waren, hat uns Newcomer natürlich noch niemand gekannt – ein paar Leute haben geschaut, weil der Finn nicht gerade aussieht wie ein schneller Hund. Dann haben wir das Ding aber mit respektablem Vorsprung gewonnen, und alle wollten wissen: Was ist das für eine Zucht? Wer sind seine Vorfahren? Ich habe geantwortet: Der Finn ist aus einer Internet-Kleinanzeige, er hat 250 Euro gekostet und ist ein Bauernhofhund. Alle waren überrascht. Und nachdem ich im Interview gesagt habe, dass auch der beste Hund einem schlechten Radfahrer nichts bringt, haben sie auch ein bisschen blöd geschaut.“
Teamwork
Beim Beobachten wirkt das Langlaufen mit Hund sehr gemütlich – das Tier macht die Arbeit, die Läuferin/der Läufer lässt sich durch die Landschaft ziehen. Doch wer Skijöring selbst ausprobieren möchte, sollte gut auf den Skatingskiern stehen und zumindest so weit mitarbeiten, dass der Hund nicht die Lust an der Aktivität verliert.
Auch an den mitunter recht ruckartigen Zug an der Hüfte, wo das Seil befestigt ist, muss man sich gewöhnen. Nur nicht das Gleichgewicht verlieren. Und dann sind da noch die Kommandos – die wollen von klein auf trainiert sein, erklärt Matthias Stonig:
„Wenn man mit dem Hund spazieren geht, sagt man vor sich hin, was man tut. Zum Beispiel ‚links‘ beim Linksabbiegen oder ‚rechts‘ beim Rechtsabbiegen, ‚gerade‘, ‚schneller‘, ‚langsamer‘ oder ‚stopp‘. Und irgendwann merkt sich das der Hund.“
Wenn Finn „Heja!“ hört, dann weiß er: Jetzt wird Gas gegeben. In den Bewerben – ob auf Langlaufskiern oder mit Enduro-Bike – funktioniert das meist gut. Doch Finn ist für Anna und Matthias mehr Familienmitglied als Sportpartner, und so wird ihm ein eigener Wille zugestanden. Wenn er keine Lust hat, dann ist das halt so – umstimmen lässt er sich nicht. Ein Charakterhund vom Bauernhof eben und kein Zuchthund mit Stammbaum. Genau das macht ihn für Anna zum guten Kumpan, mit dem sie die Zeit in den Bergen ein bisschen anders wahrnimmt:
„Der Blick ändert sich. Man nimmt alles viel bewusster wahr, weil der Hund das auch tut. Manchmal sitzen wir gemeinsam auf dem Gipfel, und ich beobachte ihn dabei, wie er sich minutenlang einfach die Umgebung anschaut. Dann machen wir das zusammen.“
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