Alex Huber: Der ganze Watzmann und a Halbe Bier
Foto: Simon Schöpf
von Simon Schöpf
Einer der bedeutendsten Kletterer aller Zeit, einer der schönsten Berge aller Zeiten: Mit Alexander Huber am Watzmann unterwegs zu sein war eine Bergwelten-Lesertour der ganz besonderen Sorte. Eindrücke zweier fantastischer Tage weit oben im Berchtesgadener Land.
Wenn man mit Alexander Huber die Watzmann-Überschreitung macht, dann ist das ungefähr so, wie mit Tiger Woods Minigolf zu spielen: Für einen selbst wahnsinnig aufregend, für den Kletterstar aber nur ein Sonntagsspaziergang. 15 motivierte Bergwelten-LeserInnen haben sich den berühmtesten Berg Deutschlands in derart ehrenhafter Begleitung vorgenommen.
Das Video zur Tour
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Auch wenn Alexander zusammen mit seinem älteren Bruder Thomas – genau, die Huberbuam mit den wilden langen Haaren – durch das Speedclimbing im Yosemite Valley die große Berühmtheit erlangt hat, auf den Watzmann braucht man mit ihm schon gern mal länger. „Stoooop!“, schreit der Alexander nämlich allen nach, die fahrlässiger Weise auf unserem Weg zum Watzmannhaus an der Stubenalm vorbeigetrottet sind. „Halb drei hammas, Zeit für a Halbe!“. Gemütliche Einkehr also statt zielstrebigem Aufstieg: „Ja weißt, im ganzen Karakorum gibt’s ka einzige Alm mit Bayerischem Bier nit“, erklärt Alexander seinen Durst, „und ihr warat’s ma da glatt vorbeigloffa!“
Zwei Monate war er diesen Sommer im entlegensten Pakistan, natürlich für eine Erstbegehung der besonderen Sorte: „56 Seillängen und 2.500 Klettermeter perfekter Granit, sowas gibt’s nicht so oft auf der Welt.“ Genauso kennen die meisten den Alexander Huber, immer unterwegs als Extremkletter in den großen Wänden dieser Welt, an superharten Sportkletter-Routen – mit, aber auch ohne Seil. So gilt etwa seine Free Solo-Begehung des Kommunist am Schleierwasserfall (8b+) immer noch als die anspruchsvollste Tour, die jemals so geschafft wurde. Wir dürfen heute aber auch eine andere Seite von ihm kennenlernen: Alexander, der bodenständige Bayer, der auch gern mal länger auf der Alm sitzen bleibt und von seinen vielen Expeditionen erzählt wie andere von ihrem Ausflug in den Stadtpark. Geerdet, bedacht, ruhig.
Am Watzmannhaus
2.500 Klettermeter, das ist schon verdammt viel. Eine ähnlich große Zahl an Höhenmetern wird auch unser GPS-Track am Ende der Tour ausspucken, wenngleich nicht annähernd so vertikal wie die in Alex‘ seine Route. Die Watzmann-Überschreitung steht bei uns am Programm, eine der ganz großen Touren in den Ostalpen am wahrscheinlich schönsten Berg Deutschlands. Für Alexander quasi ein Heimspiel, nur 20 Minuten vom Ausgangspunkt an der Wimbachbrücke in der Ramsau bei Berchtesgaden liegt sein Bergbauernhof, wo er mit seiner Frau Nina und seinen drei Kindern wohnt. Trotzdem ist es auch für ihn, der schon so viel von der Welt gesehen hat, deine Premiere: Die Ostwand ist er natürlich geklettert, aber die Überschreitung ist auch für ihn neu. Klar, Tiger Woods spielt für gewöhnlich doch auch kein Minigolf.
Für uns jedenfalls eine ganz große Tour, die wir inspirierter nicht angehen könnten: Im ersten Etappenziel, dem altehrwürdigen Watzmannhaus, gibt uns Alexander nach dem Abendessen einen Vortrag, diesmal aber in ganz kleiner, exklusiver Runde. „Der Watzmann ist nicht nur der schönste Berg der Welt, sondern auch einer der gefährlichsten“, warnt der Huberbua gleich am Anfang, bevor er uns in seine wilde Welt entführt, und die Statistik gibt ihm recht. Tatsächlich ist der Watzmann kein besonders schwerer Berg, aber eben ein besonders berühmter, weshalb er gern unterschätzt und mit mangelnder Vorbereitung angegangen wird. Das wird unserer Gruppe aber nicht passieren: Neben dem Weltklassealpinisten Huber haben wir noch sechs Berchtesgadener Bergführer und eine Bergführerin mit dabei, mehr lokale Expertise geht nicht.
„Denn es ist nicht der Berg, den wir bezwingen, sondern immer nur das eigene Ich“, sagt Alexander, „weil’s dem Berg scheißegal ist, ob du oben warst oder nicht.“ Und zum Abschluss des Vortrags: „Es muss nicht immer höher, schneller, weiter sein. Es geht einfach um das persönliche Glücksgefühl am Berg. Aber ein bisschen plagen muass ma si dann doch dafür!“
Die Überschreitung
Gesagt, getan: Wecker auf 5:45 Uhr, Frühstück, Sonnenaufgang, Abmarsch. Ein perfekter Spätsommertag erwartet uns, nur ein paar Schleierwolken und viel Kalkstein. Als erstes Ziel erreicht man bei der Watzmann-Überschreitung die kleine Biwakhütte am Hocheck, ab hier wird’s dann ausgesetzt und luftig: In eindrucksvoller Gratkraxlerei geht es auf die Watzmann-Mittelspitze, mit 2.713 Meter der höchste Gipfel im Massiv. Alles bis hierher war allerdings nur ein Vorspiel, für das was kommt: Der vom Königssee die Ostwand heraufziehende Nebel macht den Gratverlauf noch eindrucksvoller, das Panorama noch mächtiger. Der Weg hinüber zur Südspitze ist ein Genuss der Sonderklasse, vom Hohen Göll bis zum Wilden Kaiser reicht der Blick, ein Berg ist schöner als der andere. Der Watzmann wird also tatsächlich seinem Mythos gerecht – es gibt wohl wenige Berge in den Alpen, die ein vergleichbares 360°-Wow-Erlebnis bieten.
Vor lauter Staunen vergessen wir auf der Südspitze dann fast den Abstieg: gut 1.600 Höhenmeter sind es runter bis ins Wimbachgries, dann nochmal gut zehn Kilometer zurück zum Parkplatz. Aber nicht, ohne vorher noch auf eine Halbe in die Wimbachgrieshütte einzukehren, verdient ist verdient. „Der Watzmann ist nicht nur ein Highlight in den Berchtesgadener Alpen, sondern ein großer Klassiker in den Alpen“, kommentiert Alexander Huber abschließend den Tag, und auch die Teilnehmer unserer kleinen Expedition sind trotz der einen oder anderen Blase am Fuß und müden Beinen rundum glücklich.
„Die Überschreitung war einfach gigantisch“, sagt Mario aus Jena, „in dieser Begleitung, bei diesem Wetter.“ Für Michael aus dem Erzgebirge fand nicht nur den Vortrag am Watzmannhaus „richtig Spitze, auch die Gratüberschreitung würde ich jedem sofort weiterempfehlen.“ „Super habt ihr das wieder organisiert“, war das Resumé von Elisabeth aus Münsing bei Bad Tölz, die dieses Jahr mit Bergwelten und Gerlinde Kaltenbrunner schon den Großglockner bestiegen hat. „Da ist mir noch ein Wunschtraum in Erfüllung gegangen.“ Auch für Björn aus dem Ruhrpott, sichtlich gezeichnet, war es das „bisherige alpinistische Highlight. Auch wenn sich der Abstieg schon wahnsinnig zieht! Heute habe ich mein Limit kennengelernt.“
Oder wie es der Alexander ausdrückt: „A bisserl plagen muss ma si halt scho.“ Haben wir getan, werden wir auch gern wieder tun, denn genau dafür gehen wir in die Berge: Für das Glücksgefühl danach. Und die verdiente Halbe.
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