Die 10 erstaunlichsten Bergformationen
Foto: www.project5peaks.nl
Charakteristische Nebengipfel, delikate Details, steinerne Muster – einige Berge sind mit einem besonderen Blickfang ausgestattet, der ihrem höchsten Punkt glattweg die Schau stiehlt. Wir stellen euch zehn besonders faszinierende „Nebendarsteller“ im Ensemble der Weltberge vor.
Text: Simon Schreyer
„Willst du dich am Ganzen erquicken, so musst du das Ganze im Kleinsten erblicken“
(Johann Wolfgang von Goethe)
1. Nanga Parbat: Silberzacken
Wer von der nördlichen Rakhiot-Seite des Nanga Parbat zum Gipfel aufsteigt, passiert diese beiden steinernen Wächter (7.530 m und 7.597 m) auf dem Weg zum sogenannten Silbersattel, einem zwei Kilometer langen, flachen Hochplateau. 1934 wurde der Silbersattel von den Tirolern Peter Aschenbrenner und Erwin Schneider erstmals erreicht. Auch Hermann Buhl, der den Nanga Parbat 1953 als erster Mensch bestieg, kam hier vorbei und passierte nach fast 40-stündigem Alleingang wieder diese ikonische Pforte der Gipfelregion.
2. Manaslu: Ostgipfel
Beim Aufzählen der 8.000er wird der Manaslu wohl am häufigsten vergessen, vielleicht knapp gefolgt vom Shisha Pangma. Auch tobten wenige Wettkämpfe um seine Erstbesteigung (1956 durch den Japaner Toshio Imanishi und Sherpa Gyalzen Norbu) und optisch ist er eher unscheinbar. Nur auf seiner Ostseite zeigt der „Berg der Seele“ unverwechselbar Profil: durch seinen markanten Nebengipfel (7.992 m), der erst 1986 von Jerzy Kukuczka bestiegen wurde. Die Distanz zum Hauptgipfel (8.163 m) beträgt 500 m.
3. Kangchendzönga: Jannu
Das Massiv des Kangchendzönga breitet sich über 5.500 km2 zwischen Nepal und dem indischen Sikkim aus. Wenn das Auge über seine vielen Gipfel schweift, fällt der Khumbakarna Jannu (7.710 m) auf den ersten Blick kaum auf. Dennoch spielt diese markante Berggestalt für Alpinisten in einer eigenen Liga: die große Höhe, komplexe Felsstrukturen und steile Gipfelwände machen nicht nur seine gefürchtete Nordseite (2004 von einem russischen Team im Bigwall-Stil durchstiegen; siehe Bild) zu einem enormen Challenge.
4. Dhaulagiri: Eiger
Die dunkle, gestufte Pyramide am Fuße der Nordflanke des 8.000ers Dhaulagiri in Nepal wurde von europäischen Bergsteigern in den 1950er Jahren „Eiger“ getauft. Naheliegend, denn die Ähnlichkeit mit ihrem Namenspatron im Berner Oberland ist augenscheinlich. Allerdings offenbart sie die Himalaya-Dimensionen umso deutlicher: Knapp 1.200 m hoch (im Vergleich zur 1.800 m hohen Eiger Nordwand), wird ihr Gipfel vom Dhaulagiri selbst noch um 2.600 m überragt.
5. Meru Peak: The Shark’s Fin
In der Götterwelt des Hinduismus und des Buddhismus nimmt der Berg Meru das Zentrum des Universums ein. Auf der berühmten Aussichtswiese Tapovan im indischen Garhwal Himalaya spielt der Meru optisch jedoch nur eine Nebenrolle im Vergleich zum dominierenden Shivling. Allerdings wartet der Meru Central (6.310 m) mit einem ganz besonderen Fels-Feature auf, das mehr als 30 Top-Alpinisten vor unüberwindbare Probleme stellte. Den direkten Weg über die Shark’s Fin Route fand 2011 die amerikanische Seilschaft Anker-Chin-Ozturk.
6. Lhotse: The Swirl
Genau wie seine große Schwester Chomolungma (Mount Everest) im Norden, ist der Lhotse (8.516 m) von einem gezackten gelben Band umgürtet. Besonders an seiner 3.700 m hohen Südwand ist dieses Band im Frühjahr gut sichtbar. Auf seiner Nordseite zeichnet es sich als wellige Spirale ab. Diese geschwungene Einlagerung aus Marmor und Sandstein zieht sich oberhalb des Lhotse Face bis zur Ostwand des Nuptse (am Bild ganz rechts) hin. Amerikanische Bergsteiger nennen dieses geologische Muster „The Swirl“.
7. K2: Angel
Steht man auf dem Concordia-Platz im zentralen Karakorum, beherrscht der K2 das nördliche Blickfeld uneingeschränkt. Doch gleich zu seiner linken erhebt sich ein steiles Trapez aus Schnee und Eis, gleich einem weißen Weihnachtsengel im Rüschenkleid und mit hohen, gefalteten Flügeln: Der Angel Peak oder Angelus (6.858 m). Obwohl der Berg im Umfeld seines überragenden Nachbarn nicht weiter auffällt, ist er diesem zumindest an Eleganz voraus. Erst 1983 plagte sich ein italienisches Team auf seinen Gipfel. Als Akklimatisations-Tour für den K2.
8. Jungfrau: Silberhorn
Wuchtig und Ehrfurcht gebietend breitet sich das Dreigestirn des Berner Oberlandes – Eiger, Mönch und Jungfrau – über den Tälern aus. Rechts (also nordwestlich) der Jungfrau zieht diese kleine, anmutige Pyramide, das Silberhorn, seit Jahrhunderten Blicke auf sich. Seine Erstbesteigung gelang 1863 Edmund von Fellenberg, gemeinsam mit Karl Baedeker und drei Grindelwalder Bergführern. Fellenberg: „Der funkelnde Firnkegel bildet mit seinem majestätischen Eistalar das Feierkleid, in das sich die angebetete Jungfrau gehüllt hat.“ Seit 2003 ziert es auch die TV-Übertragungen des Lauberhornrennens beim sogenannten „Silberhornsprung“.
9. Khan Tengri: The Serp
Ob der Khan Tengri (7.010 m) tatsächlich der nördlichste 7.000er der Erde ist, wird bezweifelt: Seine Eiskappe alleine sei mehr als 15 m hoch, meinen manche Vermesser. Fest steht, dass der Khan Tengri eine selten schöne Marmoreinlagerung an seiner Südwestwand aufweist. „The Serp“ („Schleife“ oder „Serpentine“), ist ein wahres geologisches Kunstwerk, besonders wenn die Abendsonne ein Spotlight darauf setzt. Die Grenzen dreier Länder treffen sich am Gipfel des Khan Tengri: Kasachstan, Kirgisistan und die Volksrepublik China. Einen Seitenkamm des Tian-Shan-Gebirges krönend, liegt dieser Schnee- und Eisberg nur knapp 70 km nördlich der Wüste Taklamakan.
10. Nuptse: Westwand
Die kannelierten Riffeleis-Wände der Nuptse-Westwand gehören zu den berühmtesten Eindrücken, die das Chomolungma/Mount Everest-Massiv zu bieten hat. Wie eine buddhistische Mönchshaube geschwungen, präsentiert sich der 7.861 m hohe Nub-Tse („westlicher Gipfel“). Im Hintergrund erkennt man den Lhotse (Lho-Tse = „südlicher Gipfel“). Diese klassische Perspektive zeigt zwar nicht die höchste Erhebung des Nuptse-Kammes, sie symbolisiert jedoch die steile, tiefgefrorene Welt des Himalaya in ihrer Gesamtheit. Als Schaustück gebührt dieser Ansicht des Nuptse daher der Oscar für die beste Nebenrolle.
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