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Initiative

Allianz für die Seele der Alpen

• 5. Juni 2018
4 Min. Lesezeit
von Christina Schwann

Eine neue Allianz kämpft ab sofort aktiv für den Schutz und Erhalt naturbelassener Landschaftsräume in Österreich: WWF, Alpenverein und Naturfreunde haben sich zur „Seele der Alpen“ zusammengeschlossen. Jetzt kann man sich auch selbst für den Umweltschutz einsetzen und mit einer Unterschrift ein Zeichen für die Politik setzen. Christina Schwann berichtet.

Ruhegebiet Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen
Foto: Christina Schwann
Ruhegebiet Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen
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Nur 7% der österreichischen Landesfläche, das sind rund 5.900 km2, können gemäß einer aktuellen Studie des Instituts für soziale Ökologie (SEC) als naturbelassene Landschaftsräume bezeichnet werden. Jeden Tag würden zudem 14,7 ha verbaut. Das entspricht 21 Fußballfeldern. Diese höchst alarmierenden Zahlen haben nun die drei größten Natur- und Umweltschutzorganisation in Österreich – den Alpenverein, die Naturfreunde und den WWF – auf den Plan gerufen. Erstmals in der Geschichte haben sie sich zu einer Allianz zusammengeschlossen und präsentieren gemeinsam das Positionspapier „Alpiner Freiraumschutz in Österreich“.

Wertvolles Gut

In unserer schnelllebigen Welt, in der es scheint, als könne man sich mit Geld alles kaufen, als müsse die Wirtschaft immer nur wachsen und als könne man mit technischem Fortschritt allen Problemen entgegenwirken, wird plötzlich ein völlig anderes Gefühl in uns wieder wach: die Sehnsucht nach dem Natürlichen, nach frischer Luft, klarem Wasser und Ruhe – selbst die Dunkelheit fehlt uns insgeheim, denn „neben der Lärmbelastung haben wir auch eine enorme ‚Lichtverschmutzung’“, wie Dr. Ingrid Hayek, Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins bemerkt.

Was für uns Menschen Erholung, Gesundheitsprävention, Bewegung und Glück bedeuten, ist für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ständiger Lebensraum. Viele dieser Arten haben sich – im Besonderem im Hochgebirge – an die dort vorherrschenden extremen Bedingungen angepasst. „Je spezialisierter, desto sensibler reagieren diese Arten auf jegliche großtechnischen Eingriffe“, so Ao.Univ.-Prof.Dr. Leopold Füreder, Vorsitzender der Naturfreunde Tirol und Präsidiumsmitglied der Naturfreunde Österreich.

Karte: Naturbelassene Landschaftsräume in Österreich
Foto: data.gv.at
Karte: Naturbelassene Landschaftsräume (grün) in Österreich

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Und selbstverständlich müsse man gleich einen Schritt weiterdenken, denn die Vielfalt der Arten, die Biodiversität, sei für die Ökosystemleistung verantwortlich, das heißt: für den Wasserhaushalt, für die Stabilität der Böden, für das Binden von CO2. In Summe stellen naturbelassene Freiräume einen immensen Wert für sauberes Trinkwasser und die Artenvielfalt dar und sind zudem effektiver Schutz vor Naturgefahren, die im Zuge des Klimawandels zu steigen drohen. Abgesehen davon sind sie unabdingbare Grundlage für einen sanften Tourismus, für die Almwirtschaft, für eine nachhaltige Forstwirtschaft und für den Erhalt unseres kulturellen Erbes.

Faktum: 7%

7 % – diese Zahl ist in der Tat erschreckend. Sieht man sich die Darstellung dieser Flächen auf der Österreich-Karte an, dann fällt zudem sofort auf, dass in Niederösterreich, Oberösterreich und dem Burgenland praktisch keine naturnahen Flächen mehr zu finden sind. Das ist umso bemerkenswerter, als sich hier immerhin die Nationalparks Donauauen, Thayatal und Neusiedlersee befinden.

Tatsächlich wurde im Rahmen der Studie des Institutes für soziale Ökologie ein Raster von 25x25 m über Österreich gelegt. Nur wenn auf diesen 25 m2 keine Straßen, Schienen, Häuser oder Stromleitungen zu finden waren, wurde die Fläche aufgenommen. Das macht auch Sinn, denn die Größe der zusammenhängenden Fläche ist ausschlaggebend für das Gedeihen von Tier- und Pflanzenarten, insbesondere bei größeren Arten wie dem Steinbock, der Gämse oder dem Schneehuhn.

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Karte: Naturbelassene Landschaftsräume in Österreich
Foto: data.gv.at
Karte: Geschützte naturbelassene Landschaftsräume (orange) im Vergleich zu ungeschützten Landschaftsräumen (grün)

Die meisten noch relativ unversehrten Flächen findet man in Tirol, nämlich 56% der österreichweit naturnahen Gebiete, gefolgt von Salzburg mit 13% und Vorarlberg und der Steiermark mit jeweils 10%. Rund 40 % dieser Flächen genießen aktuell einen effektiven Schutz, sind also Nationalpark-Kernzone, Ruhegebiet (Besonderheit in Tirol), Naturschutzgebiet oder Sonderschutzgebiet. „Das heißt aber, dass im Umkehrschluss 60 % dieser wertvollen Flächen keinerlei Schutz genießen und selbst vor den geschützten Gebieten machen Erschließungsprojekte keinen Halt“, so Mag. Hanna Simons, Leiterin der Natur- und Umweltschutzabteilung und stellvertretende Geschäftsführerin des WWF Österreich. Und tatsächlich sind aktuell 17 Großprojekte (Skigebietszusammenschlüsse, Wasserkraftwerke, Verkehrswege) in eben diesen geschützten oder schutzwürdigen Gebieten in Planung – 14 davon in Tirol.

Eine starke Allianz

Naturfreunde, WWF und Alpenverein stellen gemeinsam eine starke Allianz dar. Seit Jahrzehnten setzen sie sich für den Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft ein und es ist höchst an der Zeit, dass sich diese drei Vereine zusammenschließen und weitere Kooperationen mit Partnern wie der CIPRA (internationaler Alpenschutzkommission) sowie Partnern aus den Nachbarländern vereinen. Die Zeit scheint reif zu sein, denn nicht nur in Österreich gehen die Wogen um Erschließungsprojekte hoch, die zum Nachteil einer intakten Naturlandschaft und entgegen gesetzlicher Grundlagen umgesetzt werden sollen. Beispiel „Riedberger Horn“ in Bayern – hier soll der 1972 in Kraft getretene „Alpenplan“ ausgehebelt werden.

Karte: Aktuelle Projektpläne in alpinen Freiräumen in Österreich
Foto: data.gv.at
Karte: Aktuelle Projektpläne in alpinen Freiräumen in Österreich
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Die Bevölkerung wird zunehmend aufmerksamer. Zahlreiche Fälle zeigen, dass intakte Naturlandschaften auch für die Wirtschaft, für den Katastrophenschutz und für den Tourismus von großer Bedeutung sind. Die Bergsteigerdörfer Sachrang und Schleching würde es ohne den Bayerischen Alpenplan beispielsweise gar nicht geben.

Die drei konkreten Forderungen der Vereine richten sich an die Landeshauptleute, an den nächsten Umweltminister/die nächste Umweltministerin sowie generell an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, das noch bis Oktober 2018 den Vorsitz der Alpenkonvention innehat:

  • Keine weiteren großtechnischen Erschließungen
  • Rechtlicher Schutz und Erhalt von alpinen Freiräumen und Alpinregionen
  • Strategisches Konzept für Erhalt und Nutzung alpiner Freiräume
Allianz für die Seele der Alpen: Leopold Füreder (Naturfreunde), Hanna Simons (WWF Österreich) und Ingrid Hayek (Österreichischer Alpenverein)
Foto: Österreichischer Alpenverein/Norbert Freudenthaler
Allianz für die Seele der Alpen – von links nach rechts: Leopold Füreder (Naturfreunde), Hanna Simons (WWF Österreich) und Ingrid Hayek (Österreichischer Alpenverein)

Die drei Vereine werden sich in Zukunft sehr intensiv für die Einhaltung bestehender Gesetze auf Landes- und Bundesebene sowie der Alpenkonvention einsetzen und ihre Parteistellung als NGOs entsprechend nutzen. Gleichzeitig wollen sie aber auch die Bevölkerung, das „öffentliche Interesse“, mit ins Boot holen und mit viel Aufklärungsarbeit auf die Dringlichkeit des Themas hinweisen, das uns alle etwas angeht und längst kein Luxusproblem mehr darstellt.

Seit 5. Juni 2018 besteht nun auch die Möglichkeit, sich selbst aktiv für den Schutz der letzten alpinen Freiräume einzusetzen. Mit der Unterzeichnung der Petition kann man ein klares Zeichen an die Politik senden. Weitere Informationen rund um die Allianz und zur Petition: Seele der Alpen

Foto-Galerie

Überblick zu den verschiedenen Schutzgebietskategorien in Österreich

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