Der Paternkofel ruft
Bergwelten-Redakteur Daniel Kubera war mit Berg-Buddy Patrick und Van in den Dolomiten unterwegs. Dort hat er nicht nur die Große Zinne bestiegen, sondern auch den formschönen Paternkofel (2.744 m) überschritten – und am Weg nach Hause noch ein Runde mit dem Stand-up-Paddle am Tristacher See gedreht.
Tag 1 + 2 nachlesen
Bevor es losgeht: Kennt ihr schon Teil 1 der Geschichte? Hier könnt ihr nachlesen, was Daniel und Patrick an den ersten beiden Tagen erlebt haben. Von der Besteigung der Großen Zinne bis hin zu einem magischen Sonnenuntergang.
Tag 3: Der Paternkofel – Eine Schönheit mit hässlicher Vergangenheit
Ganz ehrlich: 04.20 Uhr ist eine ungemütliche Zeit, um vom Weckerklingeln aus seinen Träumen gerissen zu werden. Vor allem, wenn man noch eine anstrengende Tour vom Vortag in den Knochen stecken hat. Am liebsten würde ich mir die Decke über den Kopf ziehen und weiterschlafen. Schließlich weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, ob sich das frühe Aufstehen lohnen wird … Umso erstaunlicher, dass ich es trotzdem in mein Berg-Outfit schaffe.
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Als wir losmarschieren, ist es stockdunkel und ziemlich frisch – im Schein der Stirnlampen (danke an Lupine) können wir unseren Atem sehen. Trotzdem sind wir nicht die Einzigen, die schon auf den Beinen sind. In der Ferne schwirren ein paar Lichtkegel wie Glühwürmchen durch die Nacht. Wir tun es ihnen gleich und bahnen uns unseren Weg durch die Dunkelheit Richtung Paternsattel (2.454 m).
Langsam bricht die blaue Stunde an. Als wir die Lampen im Rucksack verstauen und sich unsere Augen an die Dämmerung gewöhnen, offenbart sich eine mystische Stimmung um uns herum. Bedrohlich ziehen Wolken über die scharfen Grate und schroffen Gipfel. Untermalt wird die Szenerie von einer unheimlichen Stille.
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Am Paternsattel zweigen wir auf einen steilen Pfad hoch zum Passportensteig ab, dem eigentlichen Start der Paternkofel-Überschreitung. „Jetzt beginnt der spannende Teil“, sage ich zu Pazi während wir die Helme aufsetzen und die Klettersteigsets anlegen.
Ab hier verläuft der Weg durch schmale Stollen und über ausgesetzte, teils ungesicherte Bänder Richtung Norden – immer auf den Paternkofel zu. So muss sich Frodo am Weg zum Schicksalsberg gefühlt haben.
Überall erinnern alte Schießscharten und in den Fels geschlagene Nischen an den Ersten Weltkrieg. Bei dem Gedanken, dass sich hier Soldaten jahrelang bei Wind und Wetter einen sinnlosen Stellungskrieg geliefert haben, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Wie dumm der Mensch doch sein kann – und scheinbar hat er bis heute nichts dazugelernt. Ich versuche meine Aufmerksamkeit wieder auf die schönen Dinge zu lenken. Schließlich befinden wir uns mitten in dieser atemberaubenden Dolomiten-Landschaft, die gerade von den ersten Sonnenstrahlen vergoldet wird.
Ein steiler Weg mit leichten Kletterstellen führt uns zur Gamsscharte (2.675 m), wo wir uns in die letzten Meter des De Luca Innerkofler-Klettersteigs (B/C) einklinken. Die kurzweilige Via Ferrata bringt uns in Nullkommanichts auf ein Plateau, auf dem wir über Geröllfelder, Bänder und einen kurzen ungesicherten Felsaufschwung (I) zum Gipfel des Paternkofels gelangen.
Es ist 07.30 Uhr und wir sind mutterseelenallein. Ich danke meinem Vor-drei-Stunden-Ich, dass es sich nicht umgedreht und weitergeschlafen hat. Die Schauergeschichten von Staus und Menschenmassen am Paternkopfel bewahrheiten sich für uns nicht. Ganz im Gegenteil: Seit wir am Passportensteig sind, haben wir gerade einmal fünf Menschen getroffen.
Wir genießen die Einsamkeit am Gipfel. Nach dem wirklich aller aller letzten Foto (danke an dieser Stelle an Relloq für die Smartphone-Sicherung) beginnen wir mit dem Abstieg, der mir im oberen ungesicherten Bereich volle Konzentration abverlangt. Ohne einer Menschenseele zu begegnen, gelangen wir wieder in die Gamsscharte, bleiben diesmal aber am De Luca Innerkofler-Klettersteig und klettern weiter Richtung Dreizinnenhütte ab.
Ich muss gestehen, runter bereitet mir der Eisenweg mit seinem abgeschmirgelten Fels weniger Freude – vor allem, weil wir ab der Gamsscharte langsam auf Gegenverkehr stoßen. Wir sind nicht unglücklich, als wir vor einem finsteren Stollen endgültig die Karabiner unserer Klettersteigsets vom Stahlseil aushängen können.
Und schon wieder ein „Herr der Ringe“-Moment: In dem Moment, wo ich Pazi mit seinem Bart vor dem Stolleneingang sehe, muss ich unweigerlich an Gimli und die Minen von Moria denken. Wir befestigen unsere Stirnlampen am Helm und tauchen zwergengleich in die Dunkelheit ab.
Die Tunnel führen uns zehn Minuten durch das Innere des Berges. Wieder im Tageslicht und bei der Dreizinnenhütte angekommen, blicken wir ungläubig zurück und wundern uns, dass man den Paternkofel doch „so leicht“ be- bzw. durchsteigen kann.
Getarnt als Wanderer – mit dem Kletterzeug im Rucksack – lassen wir die Dreizinnenhütte rechts liegen und spazieren unter den imposanten Nordwänden zur Langalm. Die urige Hütte sieht so einladend aus, dass wir gar nicht anders können, als uns auf ihrer Terrasse eine Speckplatte und einen Radler zu genehmigen. Mit vollen Bäuchen fällt uns das Weiterkommen zwar nicht leichter, aber das Wissen, in 40 Minuten wieder beim Van zu sein, beflügelt uns.
Nach insgesamt sieben Stunden sitzen wir wieder vor unserem VW California von Roadsurfer und beraten uns, wie es weitergehen soll. Schnell wird klar: Nach drei Tagen in den Bergen ohne Dusche (die Stellplätze bei der Auronzohütte – mehr dazu im ersten Teil der Story – bieten keine Infrastruktur, sogar das öffentliche WC wird über Nacht geschlossen) muss ein See her! Ein Campingplatz ist mit Camping Seewiese am Tristacher See schnell gefunden. Die Website mit ihren Vanlife-freundlichen Worten hat uns überzeugt: „Reservierungen sind auf unserem Platz nicht möglich und auch nicht notwendig.“
Wir verstauen unseren Kram und rauschen los. Auf Wiedersehen Drei Zinnen, hallo Tristacher See! Nicht einmal zwei Stunden später knotzen wir schon wieder in unseren Campingstühlen – umgeben von einer komplett anderen Welt.
Es ist heiß. Einen Steinwurf entfernt hören wir die Leute im See planschen. Keine Spur mehr von schroffen Dolomitengipfel, überfüllten Parkterrassen und Menschenmassen. Statt Kieselsteinen spüre ich Grashalme zwischen den Zehen. Hier regiert die Gemütlichkeit. Wir unterwerfen uns und lassen den Abend ruhig mit einer Dusche und ein paar Bierchen ausklingen.
Tag 4: Ein SUP-er Abschluss am Tristacher See
Was für ein Luxus: kein Wecker! Das Erste, was ich heute höre, ist Vogelgezwitscher. Im Halbschlaf erinnere ich mich an das Stand-up-Paddle, das wir eingepackt haben. Einen Kaffee und Münzwurf später pumpt Pazi schon fleißig 16 Bar in unser SUP (danke an Indiana für die Ausstattung).
Gnädig lasse ich ihn im Seebad zu Kräften kommen, während ich die erste Runde drehe. Es ist meine Jungfernfahrt mit einem SUP und ich muss sagen, ich finde Gefallen daran. Beinahe widerstandslos gleite ich über den Tristacher See und habe das Gefühl, eins mit dem Wasser zu sein. Als ich zurück zum Ufer paddle, steht Pazi schon für einen schwimmenden Wechsel bereit.
Leider ziehen nach ein paar Runden langsam Wolken auf und wir vernehmen in der Ferne Donnergrollen. Wir zögern im Seerestaurant die Abfahrt noch mit einem Schnitzel hinaus, bevor wir unsere sieben Sachen packen und den Heimweg antreten.
In dem Moment, als ich den Zündschlüssel im Schloss umdrehe, fällt der erste Regentropfen auf die Windschutzscheibe. Besser hätten wir die letzten vier Tage nicht timen können. Mit einem Grinsen im Gesicht und vielen schönen Bildern im Kopf geht es für uns im Regen zurück Richtung Alltag.
Danke an Roadsurfer, Lupine, Reeloq und Indiana für die Ausstattung für diesen Trip.