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Eine Reise ins dunkle Herz Österreichs

Aktuelles

3 Min.

12.08.2022

Foto: Daniel Kubera / Bergwelten

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von Daniel Kubera

Bergwelten-Redakteur Daniel Kubera hat sich auf die Suche nach dem dunkelsten Ort Österreichs gemacht. Dort ist er tief in die Nacht eingetaucht, um ihre reine Schönheit einzufangen und mehr über das Phänomen der Lichtverschmutzung zu erfahren.

Das Schönste an einer Nacht in den Bergen ist der funkelnde, unendlich wirkende Sternenhimmel. Besonders wenn er so hell strahlt wie hier: Ich stehe im Gesäuse, und über meinem Kopf spannt sich die Milchstraße von einem Ende des Himmels zum anderen. Es ist komplett ruhig, und nur das Klicken meiner Kamera unterbricht die Stille. Begleitet werde ich von Andreas Hollinger, dem Fachbereichsleiter der Kommunikationsabteilung des Nationalparks. Er zeigt mir heute einen der besten Plätze, um Sterne zu fotografieren und die Perseiden zu beobachten.


Die wilde Mitte Österreichs

Kaum eine Region in den Alpen eignet sich besser dafür als das Gesäuse. Die Nächte zählen zu den lichtärmsten in Europa – das Bergsteigerdorf Johnsbach ganz in der Nähe hat Österreichs dunkelsten jemals in einer Ortschaft gemessenen Nachthimmel. Bei idealen Verhältnissen kann man hier bis zu 6.000 Sterne mit freiem Auge sehen.

„Wir liegen in der wilden Mitte Österreichs – genau zwischen Linz, Graz, Salzburg und Wien. Diese Distanz zu den Metropolen und die dünne Besiedlung machen die Nächte im Gesäuse so finster. Die Lichtdome der großen Städte kann man oft hunderte Kilometer weit sehen. Nur dort, wo nicht viele Menschen wohnen, gibt es wenig künstliches Licht und damit kaum Lichtverschmutzung“, erzählt Andreas, während wir gegen 21 Uhr etwas oberhalb des Buchsteinhauses unsere Stative aufstellen.


Was ist Lichtverschmutzung?

Unter Lichtverschmutzung versteht man die vom Menschen verursachte Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen, die Richtung Himmel strahlen. Dazu zählen etwa Straßenlaternen oder Außenbeleuchtungen. Während absolute Dunkelheit vor der Elektrifizierung Normalität war, ist sie heute ein Privileg. 99 Prozent der europäischen Bevölkerung leben unter einem lichtverschmutzten Himmel.

Und die dunklen Flecken werden immer kleiner: Satellitendaten zeigen, dass die Intensität der Lichtverschmutzung und die Ausdehnung der beleuchteten Flächen weltweit jährlich um rund zwei Prozent zunehmen – in Europa sogar um fünf bis sechs Prozent.


Problemfaktor Licht

Gegen 22 Uhr erkenne ich die ersten Umrisse der Milchstraße – mit freiem Auge! Während wir auf die „maximale Dunkelheit“ warten, erklärt Andreas, warum Lichtverschmutzung überhaupt ein Problem ist: „Das Ökosystem der Erde hat sich seit Jahrmillionen an einen Tag-Nacht-Rhythmus angepasst. Wenn das Verhältnis gestört wird, hat das natürlich Konsequenzen.“

Dass wir immer weniger Sterne sehen, ist dabei das geringste Übel. Wirklich problematisch sind die Auswirkungen auf unseren Körper und die Umwelt: Künstliche Lichtquellen können zum Beispiel den menschlichen Biorhythmus stören, was sich auf den Hormonhaushalt auswirken und in weiterer Folge gesundheitsschädlich sein kann.

Auch die Tierwelt leidet: 70 Prozent aller Säugetiere und viele für die Pflanzenbestäubung unersetzliche Insekten sind nachtaktiv und brauchen die Dunkelheit. „Insekten dient der Mond als Orientierungshilfe. Wenn er immer auf der gleichen Seite von ihnen steht, wissen sie, dass sie geradeaus fliegen. Verwechseln sie beispielsweise eine Straßenlaterne mit dem Mond, kommen sie nie an ihr Ziel – sie umkreisen die Laterne in dem Irrglauben, geradeaus zu fliegen, so lange, bis sie erschöpft vom Himmel fallen“, veranschaulicht Andreas eines der vielen Probleme.

Selbst die Pflanzenwelt wird von der zunehmenden Aufhellung des Nachthimmels gestört. Künstliches Licht kann nächtliche Fotosynthese anregen und damit zu einer Verausgabung der Pflanzen führen. Was wiederum ihre Lebenszeit verringert.

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Ein Lichtblick

Es ist 23 Uhr. Während die gegenüberliegende Hochtorgruppe (2.369 m) und der Reichenstein (2.251 m) von den letzten Mondstrahlen in ein silbergraues Licht getaucht werden, zeigen sich die Sterne und die Milchstraße inzwischen von ihrer strahlendsten Seite. Wir blicken verzaubert in den Himmel und vorsichtig optimistisch in die Zukunft.

Mittlerweile ist das Thema Lichtverschmutzung in der Politik angekommen. Es gibt unterschiedlichste Initiativen, Organisationen und Projekte, Lichtimmissionen zu reduzieren und zum Himmel gerichtete Beleuchtung baulich umzugestalten. Auch Andreas ist positiv gestimmt: „Es wird in Zukunft viel intelligenter beleuchtet werden. Ich hoffe, dass die Städte damit wieder etwas dunkler werden.“ Dazu kann jede und jeder von uns seinen Teil beitragen.

Die Uhr zeigt kurz nach Mitternacht. Der Mond ist untergegangen und die maximale Dunkelheit angebrochen. Wir schießen auf der Terrasse des Buchsteinhauses die letzten Fotos der Nacht (Tipps dafür gibt es hier), bevor ich müde, aber glücklich in meinen Hüttenschlafsack krieche.

Beim Einschlafen muss ich über Andreas’ abschließende Worte nachdenken: „Eigentlich haben wir nichts für unseren Sternenhimmel getan – er ist einfach da.“ Mir gefällt der Gedanke, dass einfach „nur“ die Abwesenheit von uns Menschen die Nächte im Gesäuse zu etwas Besonderem macht.

Wir müssen bloß das Licht abdrehen.

Gleichzeitig teile ich die Hoffnung, dass die Städte wieder dunkler werden, damit man wieder öfter die ursprüngliche Schönheit der Nacht erleben kann. Theoretisch, meint Andreas, wäre es so einfach: „Keine Verschmutzung ist leichter in den Griff zu bekommen als die Lichtverschmutzung. Wir müssen bloß das Licht abdrehen.“

Schon gewusst? In der Gesäuse-Fotoschule lernst du alles, was du über Sternenfotografie wissen musst. Kein Fotograf? Der Nationalpark bietet auch geführte Nachtwanderungen an. Alle Veranstaltungen zum Thema findest du auf der Website vom Gesäuse.


Bergwelten-Podcast

Begleitet wurde ich übrigens von meiner Kollegin Johanna, die eine Podcast-Folge über unseren Trip ins Gesäuse produziert hat: