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Kurt Lauber: „Zum Jubiläum geben wir dem Matterhorn Ruhe“

Alpingeschichte

3 Min.

14.07.2015

Foto: Klaus Haselböck

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von Klaus Haselböck

Niemand kennt das Matterhorn wie Kurt Lauber: Mehr als 400 Mal ist der Bergführer auf dessen Gipfel gestanden, 1.000 Rettungseinsätze hat er dort durchgeführt und seit 21 Jahren bewirtschaftet er die Hörnlihütte auf 3.260 Metern Höhe.
Anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums der Erstbesteigung: Ein Gespräch über schwierige Wegfindung, stinkende Strümpfe und den Umstand, dass die Zermatter Bergführer am Matterhorn jeden Morgen als erste starten dürfen.

Bergwelten: Wie viele Menschen besteigen jährlich das Matterhorn?

Kurt Lauber: Das lässt sich nicht exakt ermitteln, aber grob geschätzt sind es 3.000 Leute. Für einen schwierigen und begehrten Viertausender ist das insgesamt nicht so viel. Eine Besteigung ist aber überhaupt nur an rund 60 Tagen im Jahr möglich. Am Mont Blanc, wo der Weg zwar länger, aber leichter und einfacher zu finden ist, sind es 30.000 Menschen pro Jahr.
 
Kommen auf die Hörnlihütte erfahrene Bergsteiger, oder sind die Leute mit dem Berg eher überfordert?

Ende der 1980er Jahre, als die Grenzen in Osteuropa fielen, kamen ungeheuer viele Bergsteiger mit schlechter Ausrüstung und wenig Erfahrung zu uns. Wir hatten damals einen Sommer mit zwanzig Toten – das war fast wie im Krieg! Seither sind die Unfälle stark zurückgegangen. Es hat sich offenbar herumgesprochen, dass das Matterhorn ein heikler und schwieriger Berg ist, der keinen Fehler erlaubt. 500 bis 600 Menschen sind seit der Erstbesteigung am 14. Juli 1865 gestorben, 25 davon hat man nie mehr gefunden. 
Es gibt weltweit keinen Berg mit so vielen Toten und Unfällen. Viele Gäste machen sonst eigenständige Touren, aber fürs Matterhorn nehmen sie einen Bergführer.

Gediegene Vierbettzimmer, große Fenster, dreigängiges Abendessen: Durch den Umbau ist die Hörnlihütte fast ein Hotel geworden. Ist das in deinem Sinn?

Ich hatte das Glück von Anfang an bei der Planung dabei zu sein. Das alte Gebäude ist so, wie es 1911 gebaut wurde, aber das neue Gebäude ist neu und das passt auch so. Der Gast ist auch am Berg anspruchsvoller geworden. Wir müssen uns im Tourismus den Gästen anpassen und nicht umgekehrt. Das Jubiläum gibt uns die Chance, die Modernisierung voranzutreiben.
 
Geht mit so viel Komfort das „echte“ Bergsteigen verloren?

Ja, was ist das echte Bergsteigen? Stinkende Strümpfe (lacht)?
Bin ich traurig, dass die alte Hütte weg ist? Um Gottes Willen, nein! Es war kalt feucht, zugig und wir konnten uns mit Glück einmal in der Woche duschen. So eine Hütte wünschen sich oft die Städter. Wenn man hier den ganzen Sommer lebt, dann ist das etwas anders.
Ich würde es nicht gut finden, wenn alle Hütten modern wären, aber die neu gebauten sind komfortabler und das ist gut so.
Außerdem haben wir die Hütte verkleinert: Jetzt sind es nur mehr 130 Betten und auch der Campingplatz ist weg. Wir haben das gezielt so gemacht, damit der Rummel am Berg kleiner wird. Der Umbau hat 8,5 Millionen Franken gekostet. Das ist eine riesige Summe, die sich bei einer Saison, die lediglich drei Monate dauert, nur durch Sponsoren bewältigen lässt.

Warum haben die Zermatter Bergführer das Vorrecht, in der Früh als erste auf das Matterhorn zu gehen?

Ja, das können viele nicht verstehen! Dabei ist das eine ganz einfache Geschichte: Wenn du am Matterhorn auf der richtigen Route bist, dann ist der Fels ziemlich fest. Sobald du die Route verlässt, ist es loses Gestein und saumäßig gefährlich. Also ist es doch das Logischste, dass die vorausgehen, die den Weg kennen und nicht die, die ihn nicht kennen. Es hat also seinen Grund.
 
Was war in den 21 Jahren als Hüttenwirt das kurioseste Erlebnis?

Da waren zum Beispiel drei oder vier Spanier, die auf der Terrasse der Hütte Wasser gekocht haben. Wir haben ja keine Quelle hier, deshalb müssen wir das Wasser hochfliegen und verkaufen es auch. Einer meiner Mitarbeiter hat entdeckt, dass die Spanier das Wasser aus dem Siphon der Toilette holen. Ich habe ihnen dann gesagt, dass es keine gute Idee ist mit Toilettenwasser zu kochen. Die meinten dann nur, ich soll mich um meine eigenen Probleme kümmern. Am nächsten Tag kam ein Notruf vom Gipfel des Matterhorns. Wir sind hochgeflogen und ich habe gesehen, dass es die Spanier waren – die hatten jetzt Bauchkrämpfe und konnten nicht mehr vom Berg herunter. Ich habe ihnen gesagt: „Seht ihr, ihr seid jetzt zu meinem Problem geworden!“
Das Leben ist schon verrückt. Wahrscheinlich sollte ich auf die WC-Muscheln schreiben, dass das kein Trinkwasser ist (lacht).

Wie wird das Jubiläum der Erstbesteigung gefeiert?

Am 14. Juli ist offizielle Eröffnungsfeier der Hörnlihütte mit geladenen Gästen. Wir haben viel darüber nachgedacht, was wir aus Anlass des Jubiläums tun könnten. Wir kamen dann zu der Entscheidung, dass wir dem Berg an diesem Tag Ruhe gönnen wollen. Es ist seit 150 Jahren das erste Mal, dass am 14. Juli niemand hochsteigt. Wir wollen aus Respekt gegenüber all den Verunfallten und gegenüber dem Berg ein Zeichen setzen.
Die Italiener machen dasselbe auf der anderen Seite. Ob sich alle daran halten werden, wissen wir nicht. Aber wir appellieren an den gesunden Menschenverstand.


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