Lawinenlagebericht III: Gefahrenstellen
Im letzten Beitrag der dreiteiligen Serie zum Lawinenlagebericht klären wir euch über die Gefahrenstellen im Lagebericht auf. Dabei handelt es sich um jene Bereiche im Gelände, an denen eine Lawine am ehesten ausgelöst werden kann.
Der regionale Lawinenlagebericht gibt mit zwei Symbolen Auskunft über die „Kernzonen der Gefahrenstufe“, also über das Gebiet, wo er aktuell genau passt. Außerhalb dieser Kernzonen kann man mit günstigeren Verhältnissen – sprich: einer etwas geringeren Lawinengefahr – rechnen. Aber Achtung: Der Lagebericht mit all seinen Informationen zu den regionalen Verhältnissen bezieht sich immer auf die Bedingungen innerhalb einer gesamten Region, die sich auf einer Fläche von mindestens 100 km2 oder sogar auf eine ganze Gebirgsgruppe bezieht, und nicht auf Einzelhänge!
Der Lawinenlagebericht ist eine großartige Auskunftsquelle für die Tourenplanung am Vortag und eine wertvolle Informationsquelle hinsichtlich des bisherigen und aktuellen Aufbaus der Schneedecke. Auf Tour im freien Gelände darf man sich aber nicht blind auf ihn verlassen. Schließlich wird der Lawinenlagebericht überall für bestimmte Regionen erstellt und nicht für die Einzelhänge der individuell geplanten Skitour. Außerdem ergeben Lage und Topografie entlang der geplanten Skitour oft – manchmal auch sehr kleinräumige – Abweichungen von der Wetter- und Schneesituation im Tal nebenan. Also nicht überrascht sein, wenn die Lawinenprognose die in meinem Gipfelhang liegenden Triebschneepakete nicht am Radar gehabt hat. Die Lawinenwarndienste sind sehr gut, aber so gut noch nicht – noch besser werden sie, wenn du ihnen deine abweichenden oder ergänzenden Beobachtungen rückmeldest.
Selbiges gilt auch für die angegebenen Kernzonen: Die Höhenangaben und Hangausrichtungen dürfen nicht auf den Meter beziehungsweise Grad genau genommen werden.
1. HÖHENANGABE
Ein Bergsymbol (Dreieck) gibt an, ob die angegebenen Gefahrenstellen ober- oder unterhalb einer bestimmten Höhe zu erwarten sind. Meistens ist die Situation in höheren Lagen kritischer (bei Neuschnee-/Triebschneeproblem), es gibt aber auch Situationen (bei Nassschnee-/Gleitschneeproblem), wo es sich umgekehrt verhalten kann und die Gefahrenstufe dann in geringeren Höhen größer ist. Es wird auch immer wieder die Waldgrenze als Höhenangabe herangezogen.
2. EXPOSITION
In eine sogenannten Hangroseeinfache Kompassrose sind die am stärksten gefährdeten Hangexpositionen, also Hangausrichtungen, eingezeichnet. Weil es hier gerne zu Missverständnissen kommt: Ein Nordhang „schaut“ nach Norden, ein Südhang nach Süden. In der Hangrose Kompassrose sind jene Hangrichtungen (Expositionen) mit den meisten Gefahrenstellen markiert.
In manchen Lawinenlageberichten kann es bei bestimmten Situationen für verschieden angegebene Lawinenprobleme jeweils eigene Kernzonen geben: Beispielsweise (s. Abb.) kann ein Altschneeproblem dann in der Kernzone „über 1.800 m in allen Expositionen“ und ein Triebschneeproblem in der Kernzone „über 2.400 m in der Nordhälfte“ gelten.
Ein Beispiel (siehe auch Abbildung darunter):
Allgemeine Gefahrenstufe 2 | |
Problem: Altschnee | Alle Expositionen über 2.200 m |
Problem: Triebschnee | Nord bis Nordost über 2.800 m |
GEFAHRENSTELLEN IM TEXT
Der Lawinenlagebericht verrät nicht nur mit den Symbolen der Kernzone, wo sich kritische Bereiche befinden, er liefert vor allem in seinem Textblock wertvolle Zusatzinformationen zur Schneedecke und zum Wetter. Dabei geht es oft um konkretere Angaben zu den Gefahrenstellen selbst.
Folgende Begriffe und Definitionen zu den herrschenden Gefahrenstellen treten häufig auf:
1. Mit Triebschnee gefüllte Rinnen und Mulden
Damit sind Steilhänge über 30 Grad gemeint, in denen frischer Triebschnee abgelagert wurde. Der Lagebericht kann zwar die aktuelle Hauptwindrichtung angeben, kleinräumig werden die Winde aber in Abhängigkeit von der Geländeform in andere Richtungen abgeleitet und der Schnee entsprechend auch in andere Expositionen verfrachtet.
2. Kammlagen
Auch hier stellt der Triebschnee das primäre Problem dar: In Kammnähe und auf Graten treten zumeist die höchsten Windgeschwindigkeiten auf, wodurch es folglich zu einer Verfrachtung des lockeren Pulverschnees kommt.
3. Übergang von wenig zu viel Schnee
Eine Hauptgefahrenstelle, an der regelmäßig Lawinen ausgelöst werden, befindet sich am Übergang von wenig zu viel Schnee. Das ist zum Beispiel der Übergang von einer schneegefüllten Mulde zu einem aperen Rücken. Während eine vorhandene Schwachschicht in der Mulde für einen Skifahrer zu tief (unter ca. 1 m) eingeschneit ist, um von ihm gestört zu werden, kommt sie vor dem aperen Rücken aber weiter zur Schneeoberfläche hoch und kann dort leichter zerstört werden – die Folge kann ein Lawinenabgang in Form eines Schneebretts sein.
4. Sonnenexponierte Hänge
Vor allem im Frühjahr verlieren sonnenexponierte Hänge aufgrund der starken Sonneneinstrahlung schnell an Stabilität und ein Wintersportler kann somit leichter bzw. tageszeitlich früher eine Nassschneelawine auslösen.
5. Schattige Hänge
Anders als sonnenexponierte Hänge bekommen Schattenhänge lange Zeit keine oder nur wenig Sonne ab, weshalb dort ein komplett anderer Schneedeckenaufbau – über einen längeren Zeitraum hinweg – bestehen kann. Besonders Altschneeprobleme – generiert durch kantig aufgebaute Schwachschichten aufgrund von hohen Temperaturgradienten bei geringer Schneehöhe vom „warmen“ Untergrund zur kalten Schneeoberfläche – halten sich dort gerne lange.
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Lawinenlagebericht I: Gefahrenskala
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