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Patagonien: Der frühe Vogel fängt den Cerro Torre

Reise

3 Min.

01.03.2017

Foto: The Wild Routine

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Elisabeth und Philipp haben zu Hause alles verkauft und ihr Leben in einen Campervan gesteckt. Eine Geschichte über Wandern in Zweisamkeit, das Staunen am Naturwunder Cerro Torre und die Multikulturalität Patagoniens.

Zugegeben: Ich gehöre zu denjenigen unter uns, deren alpinistische Fähigkeiten weit unter denen eines David Lamas oder Reinhold Messners liegen. Ich gehöre zu denjenigen, die sich dennoch mit großem Respekt und Ehrfurcht die Bilder besagter Profis ansehen, sich mitreißen und motivieren lassen, sich jedoch auch mit kleineren Gipfeln begnügen.

Ich gehöre auch zu jenen, denen es – abgesehen von den mangelnden bergsteigerischen Fähigkeiten – auch an organisatorischen Möglichkeiten fehlt, gewisse namhafte Berge dieser wunderschönen Erde zu besteigen.

Und ich spreche hier nicht von der Art von Organisation, mich von sieben Sherpas auf den Everest tragen zu lassen, nachdem ich im Basislager meinen Beitrag zur Müllkippe geleistet habe; nein danke! Eher meine ich einen dieser Berge wie den Cerro Torre, an den Ausläufern der Anden gelegen, im wunderbaren Patagonien.

Unglaublich wie diejenigen, zu denen ich mich just nicht zählen kann, scheinbar mühelos diesen senkrechen Turm aus Granit bezwingen. Wie atemberaubend muss dieser Moment sein, da ganz oben zu stehen? Beneidenswert.

Dafür kann ich nach einer gemütlichen Wanderung mit bestem Gewissen ein kühles Bier auf der Berghütte genießen, ohne hartes Training einzubüßen. 1:1, Herr Messner! Aber zurück zum Cerro Torre: Mein Plan war nun nicht, ganz oben zu stehen, sondern vom letzten Camp im Tal zum Mirrador zu wandern: Dort wird man mit einen perfekten Blick aus südöstlicher Richtung auf das Massiv belohnt, auch genug für mich.

Ich bin schwer motiviert. Meine Freundin Elisabeth ist schwer motiviert. Das Massiv hat uns aus der Ferne schon staunen lassen, brav aufgegessen haben wir gestern auch, dementsprechend versprach uns die Wetterprognose bestes Wetter.

6 Uhr Früh: Der Wecker läutet, vor uns eine gemütliche 6-Stunden-Wanderung. Zusammen den ersten Sonnenstrahlen kreuzen den Fluss und beginnen mit dem Anstieg. Bis auf eine kleine Gruppe, die wir bald überholt haben, genießen wir die Stunden des Aufstiegs in herrlicher Zweisamkeit. Ein traumhafter Pfad, nach einer Stunde eine köstliche Frühstückspause, und dann am Ziel: Ein unglaubliches Bild, das sich da vor uns in die Landschaft malt. Perfekte Sicht auf die Granittürme, wie sie da hoch aus der Laguna herausragen!

Mein Kopf liegt noch im Nacken, Elisabeths Mund ist vor Faszination noch halb geöffnet, als kurz nach uns zwei weitere Wanderer an ihrem Ziel ankommen.
Sie schenken uns ein saloppes „Hola“ bevor sie ebenfalls in ähnliche Staun-Haltungen verfallen: Kopf nach oben, Unterkiefer nach unten, laut „Aaaahhh!“ 

Als wir den letzten Schluck Tee aus unserer Thermoskanne kitzeln, stelle ich einigermaßen erschrocken fest, das sich in dem kleinen Tal um die Lagune nun unsere ruhige Zweisamkeit verabschiedet hat. Die nächsten Stunden des Abstieges versetzen mit ebenfalls ins Staunen, aber diesmal menschlicher Natur: Faszinierend, wie viele Menschen sich hier hochkämpfen!

Im Blitzlicht der Kameras höre ich zwischen dem Spanisch auch meine Muttersprache, sehe eine Gruppe Japaner, erspähe zwei überzeugte Schweizer, sehe so viele Gleichgesinnte aus der ganzen Welt, dass ich von einem Gefühl der Zufriedenheit gepackt werde. Hier an diesem gefühlt hintersten Ort der Erde so viele Menschen, so viele Kulturen zu sehen, die mit simpelster Ausrüstung einfach einen Berg hochlaufen. Großartig!

Immer mehr Menschen kommen uns entgegen, keuchend, schwitzend, und alle fragen sie nach, wie weit es denn noch sei. Ich bewundere Eltern, die ihre Kinder hochschleppen, entdecke eine Gruppe, deren Ausrüstung doch etwas zu viel für diesen Weg sein könnte und freue mich über jedes „Hola“, das mir entgegenkommt.

Während ich zum gefühlt hundertsten Mal einen Schritt zur Seite mache, um schweiß-triefende Ausblicks-Aspiranten passieren zu lassen, kommt mir ein Gedanke: Eigentlich bin ich ja am liebsten mit Elisabeth am Berg, wir Zwei und die Einsamkeit. Aber wie vielen Menschen suchen dasselbe Erlebnis? Wollen die Natur spüren, allein, genau wie wir? Hier scheinen sich alle zu treffen. Ein schöner Gedanke.

Hola“, kommt es wieder von unten. Ich mache Platz, Schritt zur Seite. „Hola!“


Über die Autoren

Elisabeth Schrenk und Philipp Mück sind die Gründer von thewildroutine. Nach Filmprojekten in Europa und Afrika reisen die beiden Österreicher mit ihrem ausgebauten Campervan gerade durch Südamerika. Auf bergwelten.com teilen sie immer wieder ihre Gedanken und Erfahrungen über das Leben unterwegs mit uns.

Mehr Infos & Videos findet ihr unter:


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