Rainer Maria Rilke: „Du Berg, der blieb“
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Wir geben euch wieder ein Berggedicht mit in die Woche. Diesmal: „Du Berg, der blieb“ von Rainer Maria Rilke (1875-1926), einem der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne.
„Du Berg, der blieb, da die Gebirge kamen, –
Hang ohne Hütten, Gipfel ohne Namen,
ewiger Schnee, in dem die Sterne lahmen,
und Träger jener Tale der Cyclamen,
aus denen aller Duft der Erde geht;
du, aller Berge Mund und Minaret
(von dem noch nie der Abendruf erschallte):
Geh ich in dir jetzt? Bin ich im Basalte
wie ein noch ungefundenes Metall?
Ehrfürchtig füll ich deine Felsenfalte,
und deine Härte fühl ich überall.
Oder ist das die Angst, in der ich bin?
die tiefe Angst der übergroßen Städte,
in die du mich gestellt hast bis ans Kinn?
O daß dir einer recht geredet hätte
von ihres Wesens Wahn und Abersinn.
Du stündest auf, du Sturm aus Anbeginn,
und triebest sie wie Hülsen vor dir hin ...
Und willst du jetzt von mir: so rede recht, –
so bin ich nicht mehr Herr in meinem Munde,
der nichts als zugehn will wie eine Wunde;
und meine Hände halten sich wie Hunde
an meinen Seiten, jedem Ruf zu schlecht.
Du zwingst mich, Herr, zu einer fremden Stunde.“
Rainer Maria Rilke
Der 1875 in Prag geborene Rainer Maria Rilke gilt als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne. Nach Abbruch einer militärischen Ausbildung in St. Pölten studierte Rilke zunächst Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie in Prag, ehe er sich auf das Studium der Rechtswissenschaften in München verlegte.
Es folgten ausgedehnte Reisen nach Venedig, Berlin, Russland, Paris und Florenz. Mit Ausbruch des 1. Weltkriegs wurde Rilke für den Militärdienst in einer Wiener Kaserne eingezogen. Es sollte ein traumatisches Erlebnis für den zart besaiteten Dichter werden. So kehrte er Österreich 1919 den Rücken und wurde im Schweizer Kanton Wallis sesshaft, wo er die letzten Jahre seines Lebens in einem Schlösschen oberhalb von Siders verbrachte.
Zu seiner unmittelbaren Nachbarschaft zählte der Naturpark Pfyn-Finges – hohe Berge wird Rilke also genug zu sehen bekommen haben. Als dichterisches Motiv tauchen sie jedenfalls immer wieder in seinen Werken auf. 1926 verstarb Rilke in einem Sanatorium in Montreux an Leukämie.
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