Rock and Roll: Mit dem Rollstuhl in die Berge
Die Allgäuer Profisportlerin Andrea Szabadi-Heine liebt es seit jeher, sich in der Natur auszutoben. Daran hat auch eine vor 20 Jahren erlittene Querschnittslähmung nichts geändert. Sie verrät uns, wie man mit dem Rollstuhl die Berge – und Gipfel – erobert.
Als ich 1999 meinen Unfall hatte, mit der Folge inkomplette Querschnittslähmung, dachte ich: Zu deinen geliebten Bergen kommst du ab jetzt nicht mehr, und rauf schon gar nicht.
Von wegen. Es gibt viele Möglichkeiten – Sommer wie Winter – mit dem Handicap Querschnittslähmung wieder in die Berge zu gelangen. Freilich muss man nach dem Grad der Lähmung unterscheiden. Ich selbst besitze Restfunktionen, das heißt ich kann meine Füße noch spüren und bewegen – doch es ist für jeden Betroffenen etwas möglich. Manche möchten vielleicht einfach nur wieder hinauf und die Aussicht genießen, andere bleiben (oder werden) nach der Verletzung ambitionierte Sportler. Ich möchte hier einige Wege aus meiner persönlichen Erfahrungswelt aufzeigen.
Rollstuhlgerechte Bergbahnen In vielen Fällen ist es ganz einfach mit Rollstuhl auf einen Berggipfel zu gelangen. Immer mehr Bergbahnen werden rollstuhlgerecht gebaut. In meiner Gegend, in Vorarlberg, sind beispielsweise die Bezauer Bergbahnen, der Diedamskopf und der Karren zu empfehlen. Alle drei Bahnen verfügen über Rollstuhlparkplätze direkt an der Gondel sowie über Rollstuhltoiletten. Auch die Panoramarestaurants sind alle barrierefrei zu erreichen – vor allem vom Karren genießt man einen sensationellen Ausblick über den Bodensee.
Barrierefreie Wanderungen Eine kürzlich neu eröffnete vollständige barrierefreie Wanderung ist der Naturlehrweg Astener Moos im Nationalpark Hohe Tauern. Eine weitere schöne barrierefreie Tour führt durch das Piller Moor, eines der schönsten Hochmoore Tirols. Als gutes Beispiel für eine barrierefreie Hütte ist das Sadnighaus zu nennen.
Spezielles Skigerät Es gibt verschiedenste Skigeräte, die speziell für Rollstuhlfahrer konzipiert wurden, zum Beispiel Monoski oder „Snowballs“. Als einer der renommiertesten Hersteller solcher Sportgeräte gilt Alois Praschberger, der selbst Rollstuhlfahrer ist. Es können natürlich auch spezielle Skikurse dafür absolviert werden.
E-Bikes und Handbikes Auch im Sommer kann auf speziell für Rollstuhlfahrer entworfene Sportgeräte zurückgegriffen werden. Die sogenannten Handbikes können in vielen Fällen an gängige Starrrahmenrollstühle montiert werden. Die Auswahl ist groß – es gibt Modelle mit Handantrieb, Elektroantrieb oder auch elektrischem Zusatzantrieb. Offroad-Fans empfehle ich das Speedbike Comp-CC von Praschberger, das einen besonders leistungsstarken Motor besitzt und eine sehr gute Geländegängigkeit aufweist.
Grazy Horse Dieses recht sportliche Gerät kann bergauf durch einfaches Anbringen von Bandschlingen von Begleitern mitgezogen werden. Bergab geht es rasanter, doch die Scheibenbremsen verrichten einen guten Job und ermöglichen kontrollierte Fahrten. Selbst ein Forstweg mit Rollsplitt und Wurzeln ist damit gut befahrbar. Hier geht es zum Hersteller.
SWISS TRAC Der Swiss Trac ist ein Zuggerät für Rollstuhlfahrer. Sein kraftvoller (aber dennoch leiser) Antrieb macht ihn zu einer wahren Bergkatze, mit der nahezu jeder Berg erklommen werden kann. Weder Wald- noch Wiesenwege noch Gehsteige sind ein Hinderniss. Einziger Nachteil: Das Gerät wiegt nicht gerade wenig.
Segway Die Firma Aigner hat einen speziellen Segway für Rollstuhlfahrer konzipiert. Der umgebaute Segway ist mit einfachen Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen zu steuern. Ein tolles Gerät, das aber auch kostet.
Klettersteig im Team Zugegeben – diese Option ist eine ziemliche Herausforderung. Doch wer seinen Bergausflug noch sportlicher als per Handbike oder Segway angehen möchte kann versuchen, einen Klettersteig zu bewältigen. Eine Restfunktion der Beine, wie in meinem Fall, sollte dazu vorhanden sein. Auch ein erfahrener Bergführer oder Partner sollte dabei sein.
Ich selbst habe mich über die “Zahme Gams“ in der Seisenbergklamm bei Weißbach (Pinzgau) getraut. Den Ehrgeiz, einen Klettersteig zu probieren, trug ich schon lange im Kopf – an diesem Tag habe ich die Chance beim Schopf gepackt. Wir waren ein tolles Team aus sieben erfahrenen Kletterfreunden – meine Begleiter haben bei mir nachgesichert und mir geholfen, die Füße zu stellen. Nach zwei Stunden im Klettersteig war ich sehr müde, aber auch überglücklich.
Podcast
In der fünften Episode des Bergwelten Podcasts gehen wir der Frage auf den Grund, wie man Menschen mit Behinderung den Zugang zu den Bergen erleichtern kann. Und ob man Watzmann, Großglockner und Co. jetzt einebnen muss. Andrea Szabadi-Heine ist darin ebenfalls zu hören.