Vogelfrei im Oberallgäu: Langer Aufstieg, sanfter Abgang
Hinauf steigen, hinab fliegen: Von Hinterstein über den Hindelanger-Klettersteig und per Tandem-Gleitschirm zurück ins Tal nach Oberstdorf im bayerischen Oberallgäu.
Tobias Böck nutzt die Luftströmungen am Schattenberg, um mit dem Tandemgleitschirm an Höhe zu gewinnen. Als der 25-jährige Pilot von Vogelfrei ihn nach oben schraubt, rückt auch der Startpunkt, die Station Höfatsblick am Nebelhorn, wieder ins Sichtfeld. Noch ein paar Mal im Kreis fliegen, die Aussicht genießen und dann gleitet das Tandemgespann wieder in Richtung Oberstdorf hinab.
Mit jedem Meter wird das ameisengleiche Treiben wieder menschlicher, die Zivilisation rückt näher – ein spektakuläres und zugleich entspannendes Ende einer langen Tour. Ihren Ausgang hat sie im Tal von Hinterstein im Landkreis Oberallgäu genommen. Über Mösle- und Untere Nickenalpe (1.304 m) ging es rauf zum Türle, einem kleinen Felsdurchlass über dem Engeratsgundsee (1.878 m). Vom Türle aus ist es dann schon nicht mehr weit zum großen Daumen. Unterhalb des 2.280 m hohen Daumens befindet sich der Einstieg in den Hindelanger Klettersteig. Auf 5 km wartet der Grat mit 30 Türmen und Zacken darauf, überklettert zu werden.
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Östlicher und westlicher Wengenkopf (2.235 m) sind schnell überschritten, ein kurzer Sprint zum Nebelhorn (2.224 m) macht das Gipfelquartett komplett. Normalerweise käme jetzt der Graus vieler Bergsteiger: Ein langer und mühsamer Abstieg. Die Lauferei hält sich diesmal jedoch in Grenzen. Über den Gratweg ist die Station Höfatsblick in wenigen Minuten erreicht. Dort starten die Gleitschirmflieger. Auch Tobi Böck legt an der Wiese unter dem Gasthaus seinen weißen Schirm sorgfältig aus, versorgt seine Gäste mit Ausrüstung und erklärt, wie der Start abläuft.
Nach einer kleinen Trockenübung ist es endlich soweit: Böck wartet den richtigen Wind ab und gibt das Kommando zum Start. Nach wenigen Schritten raschelt der Schirm, richtet sich auf und erzeugt heftigen Widerstand, sodass startende Flieger ab diesem Moment fast auf der Stelle laufen. Wenige Sekunden später ist schon Zurücklehnen und Genießen angesagt. „Ab diesem Moment sind die meisten Leute richtig losgelöst“, erzählt Böck in der Luft. Die große Euphorie komme meistens bei der Landung.
„Für mich ist das Fliegen etwas sehr Besonderes und es ist schön, es auch anderen zu ermöglichen“, sagt er über seine Profession. Auch sein elf Jahre älterer Kollege Michael Gebert genießt es, an den Landeplätzen „eigentlich nur fröhliche Gesichter zu sehen“.
Und das obwohl einem Gast schon auch einmal schlecht werden kann. „Das kommt auf die Bedingungen an“, sagt Gebert und vergleicht die Thermik mancher Tage mit unruhiger See. Trotzdem sei es keine Seltenheit, dass er und Böck auch sie wieder für einen weiteren Flug zu Gesicht bekommen. Kein Wunder, denn nicht umsonst verheißt das Fliegen vor allem eins: Grenzenlose Freiheit.
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