48 Stunden Saalbach
Foto: Tom Son
Zwischen dem Steinernen Meer im Norden und den Hohen Tauern im Süden gelegen, hat das Salzburger Glemmtal seinen eigenen Charakter. Wer sich in alle Richtungen tragen lässt – landschaftlich wie menschlich –, der erlebt ein vielfältiges Wochenende: Auf das Pfeifkonzert zum Auftakt folgt einsame Idylle, auf den wilden Mittelteil ein ruhiges Intermezzo, und am Ende wartet ein Grande Finale.
Sissi Pärsch für das Bergweltenmagazin Oktober/November 2018
TAG 116 Uhr: Willkommen in Kanada
Bevor wir Saalbach erreichen, leitet uns das Navi nach rechts. Es geht bergan zu unserer Unterkunft, dem Spielberghaus. Nur wenige Meter von der Tiroler Grenze entfernt liegt es auf 1.311 Metern zwar abseits des Tals, jedoch mittendrin im Bike-Geschehen. Und das nicht nur, weil man direkt von der Hütte aus in jegliche Himmelsrichtung auf Touren starten kann. Wirt Walter Höll kam als Einjähriger auf das Spielberghaus und schon in jungen Jahren auf das Bike. Inzwischen hat er die Hütte zu einem Bike-Spot ausgebaut.
Seine Familie ist entsprechend ausgerichtet: Ehefrau Bine steht ihm in Sachen Bike-Begeisterung in nichts nach, Tochter Vali ist eine der weltbesten Downhillerinnen – und begegnet mit ihren 16 Jahren der World-Cup-Elite auf Augenhöhe. Man sieht sich um. Die Gäste genießen im Holz-Jacuzzi Bier und Bergblick. Kanadischer bekommen es die Kanadier auch nicht hin.
18 Uhr: Pinzgauer Pfeiffkonzert
Bricht man dann aber in der frühen Abendsonne auf zum Kleberkopf, der 500 Höhenmeter über dem Spielberghaus liegt, lässt man Kanada zurück. Nur wenige Schritte, und es begrüßt uns die Alpenszenerie mit bodenständiger Stille. Allerdings nur, bis tierische Einheimische uns gnadenlos auspfeifen. Murmeltiere stellen lautstark klar, was sie von unserem Eindringen halten. Viel freundlicher klingt da schon das Gebimmel der Kühe.
Dann wird es auch von tierischer Seite ruhiger. Nichts hat eine solch besänftigende Wirkung wie die tief stehende Sonne. Ihr weiches Licht überzieht die Bergwelt in all ihrer Vielfalt: links ihre imposante Majestät, der Wilde Kaiser, vor uns die weichen Grashügel des Pinzgaus, rechter Hand die schroffen Gipfel der Leoganger und Loferer Steinberge. Es ist halbdunkel und komplett still, als wir wieder absteigen.
TAG 29:00 Uhr: All-Inclusive-Tour
Am nächsten Morgen reihen wir uns mit Walter in eine bunte Liftschlange aus Bikern und Wanderern an der Reiterkogelbahn ein. Oben teilt sich der Gondeltrupp auf: Die Downhiller rollen zu ihren Strecken, die Wanderer zücken die Stöcke. Walter möchte uns auf einer Tour die Nordseite des Tals zeigen. In Serpentinen geht es hinauf.
Die Leute werden weniger, der Schweiß wird mehr. Nur eine ist noch munter: Roxy, Walters Trail-Dog, rennt vergnügt voraus. Nach 600 Höhenmetern landen wir auf dem Grat zum Spieleckkogel, der uns ein Prachtpanorama eröffnet. In aller Einsamkeit rollen wir weiter Richtung Talschluss zum Hochalm-Trail. Auf ihm zirkeln wir durch die von Beerensträuchern überzogenen Hänge hinab. Auf der Schotterstraße mag Roxy nicht mehr. Walter hebt einen Arm, die Hündin hüpft und nimmt auf dem Rahmen Platz, die Füße auf dem Lenker.
13:30 Uhr: Stadl-Atelier & Royal Academy
Zurück im Spielberghaus folgt auf Walters Knödelvariationen eine ausgiebige Rast im Liegestuhl. Vielleicht erträgt der fleißig werkelnde Hüttenwirt nur unsere Faulheit nicht mehr, zumindest drängt er uns, Evi Fersterer zu besuchen. Eine Malerin von Weltruf, „und ein besonderer Charakter“, verspricht er.
So finden wir uns kurze Zeit später in einem alten Stadl an der Kohlmaisbahn wieder und blicken in die leuchtenden Augen der Künstlerin. In ihrem Atelier, einer winzigen Holzhütte, zeigt uns Evi Fersterer ihre Werke. „Seelenbilder“ nennt sie ihre Ölporträts, und als „Klotzmenschen“ bezeichnet sie die Holzskulpturen, die ihr Markenzeichen geworden sind.
Sie erzählt von ihrem Werdegang, von Wien und der Toskana, von St. Petersburg und New York. „Am meisten gelernt habe ich aber nicht auf der Royal Academy in London“, meint sie lächelnd, „sondern hier auf der Alm – nah an dem Einfachen, nah an der Natur, nah an dem Eigentlichen.“
19:00 Uhr: Tiroler Bua im Salzburger Land
Für den kulinarischen Gipfel (mitten im Salzburger Land) ist Robert Mair zuständig – der Chef des Restaurants „Tiroler Buam“. Der Vater stammt zwar aus Tirol, der junge Spitzenkoch hat seine Wurzeln aber im Glemmtal. Hier hat er auch seine Jagd sowie seine Beerenfelder und Schwammerlplätze.
Er war einige Jahre in der Welt unterwegs, hat in Neuseeland und in der Schweiz gelernt. Doch jetzt führt er in Vorderglemm sein Restaurant, wo man Gourmetküche genauso bekommt wie knusprig-rustikale Holzofenpizza – und den wohl flaumigsten Sauerrahmschmarrn zwischen Down Under und dem Pinzgau.
TAG 3 09:00 Uhr: Trail-Traum am Morgen
Jede Region hat ihre Legenden – in Saalbach Hinterglemm ist es ein Bike-Trail: Der Hacklberg-Trail liegt an den Nordhängen – also in der Schattseite – des Tals. Er führt über gut zehn Kilometer vom Schattberg hinunter und gilt als einer der schönsten Trails Österreichs. Von der Bergstation treten wir ein Stück zum Westgipfel und starten auf dem schmalen Pfad. Ja, der Hacklberg-Trail ist ein Schmankerl, das jeder Bikerin ein Lächeln entlockt. Verspielt schlängelt er sich durch die wilde Idylle und will gar nicht mehr aufhören. Unten angekommen fordert Walter eine Wiederholung. Wir schütteln die Arme aus und nicken.
13:00 Uhr: Dankbar, Höflich, Hungrig
Zuvor haben wir sie rechts liegen gelassen, nun ist es aber definitiv Zeit für eine Einkehr in der Hacklbergalm. „Der Großvater hat den Trail in den Siebzigern mit seinen eigenen Händen angelegt. Damals natürlich als normalen Wanderweg“, erzählt Hüttenwirtin Nadja. „Dann kamen mehr und mehr Radler. Man konnte fast schon von Woche zu Woche beobachten, wie sich die Strecke bei den Bikern herumgesprochen hat.“
Und jetzt? „Haben wir fast nur Biker zu Gast.“ Um fünf Uhr früh beginnt Nadja mit der Schwiegermama Brot und Kuchen zu backen. Nebenher werden die knapp sechzig Stück Vieh versorgt, bis dann Biker und Wanderer dran sind. Sie macht eine Pause und lächelt nur: „Und ich mag die Biker. Sie sind immer dankbar und höflich – und hungrig.“ So wie wir.
15:00 Uhr: Werkstatt unter Sternen
In Hinterglemm will uns Walter noch eine Werkstatt zeigen. Die ist unkonventionell unter dem Außenpool eines 5-Sterne-Hotels zu finden. Die Brüder Florian Breitfuss-Wolf und Jörg Schnell hobeln, sägen und schnitzen hier gemeinsam mit Holzbildhauer Herbert Aschaber. Flo hat lange Locken und trägt ein weißes T-Shirt. Jörg, mit Melone am Kopf und Hosenträgern, ist zehn Jahre jünger.
Unter dem Label „Glemmart“ fertigen sie kunstvolle Möbel aus heimischem Massivholz. Flo ist 38, war einst Freeride-Pionier und Skater. Heute lastet ihn das Handwerk voll aus: „Ich gehe nicht mehr klettern, die Motorsäge ist Training genug.“ Das Element Holz schätzt er so, weil es „lebt, eine Geschichte erzählt“. Flo führt neben Glemmart das 5-Sterne-Hotel über uns. Jörg leitet das 4-Sterne-Hotel gegenüber. Alles andere als gewöhnlich,denkt man sich da zum Abschied – aber mit überraschenden Wendungen spart dieses Saalbach Hinterglemm ja generell nicht.
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