Churfirsten: 7 Summits an einem Tag
Alle 7 Gipfel der Churfirsten in den Appenzeller Alpen an einem Tag? Michel, Mathis und Janine haben sich der Herausforderung gestellt und das letzte warme Oktoberwochenende genutzt, um ihr lang gehegtes Bergprojekt zu verwirklichen. Wie es ihnen dabei ergangen ist, lest ihr hier.
Text: Janine Streich, Mathis Weber und Michel Härtli
Ausgangslage
Als begeisterte Berggänger und Höhenmeterjunkies haben wir uns schon lange gefragt, wo denn unsere persönlichen Grenzen für eine Tagestour liegen. So kam uns nach längerer Überlegung die Idee, gar nicht so weit in die Ferne zu schweifen, wenn das Gute doch so nahe liegt: Unsere persönlichen Grenzen wollten wir mittels einer Besteigung aller 7 Churfirsten an einem Tag erforschen. Die Herausforderung bei dieser Bergtour ist offensichtlich: rund 4.000 Höhenmeter und 24 km innerhalb von 12 Stunden gilt es zu bewältigen. Werden wir uns übernehmen? Schaffen wir es, rechtzeitig die letzte Luftseilbahn zu erreichen?
Die 7 Churfirsten
Die Tour kann von Osten nach Westen oder umgekehrt gemacht werden. Die meisten Tourenberichte empfehlen Chäserrugg als Ausgangspunkt. Dort bringt einen die Bahn von Unterwasser aus auf 2.230 Meter hinauf, dann folgt gleich ein kleiner Abstieg. Wir haben uns aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit (Bahnbetrieb eingeschränkt) für den Start ab Starkenbach entschieden. Da unser Gipfelsturm just auf Sonntag, den 27. Oktober fiel – den Tag der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit – taten wir uns mit dem Aufstehen ein wenig leichter. Erklärtes Ziel war es, alle 7 Gipfel zu erklimmen und die letzte Bahn um 17.13 Uhr ab Chäserrugg zu erreichen.
Beliebt auf Bergwelten
Ausrüstung (leichtes Gepäck)
Leichter Rucksack
Windstopper-Jacke (Gore-Tex Jacke)
Wanderstöcke
Stirnlampe
Sonnenschutz (Mütze) und Sonnencreme
Trekkingschuhe (nur geeignet bei trockenen Bedingungen)
ca. 4 Liter Wasser (unterwegs besteht keine Möglichkeit Wasser aufzufüllen)
je 2 Bananen und 5 Müsliriegel
Routenwahl
Ausgangspunkt: Starkenbach
Zielort: Chäserrugg
Auch beliebt
Route von West nach Ost: Jeweils 300 - 400 m absteigen und traversieren, ohne Absturzgefährdung. Trittsicherheit vorausgesetzt.
Dauer und Länge
Rund 4.000 Hm, 24 km und 12 Stunden reine Wanderzeit
1. Starkenbach / 890m
Start: 4.10 Uhr
Mit der Stirnlampe auf dem Kopf starten wir um 4:10 Uhr ab Starkenbach. Der Wanderweg ist gut ausgeschildert, sodass wir trotz Dunkelheit keine Schwierigkeiten haben den Pfad zu finden. Ein traumhafter Sternenhimmel leuchtet über uns, sogar der Dolch im Sternenbild Orions ist klar und deutlich zu erkennen. Um diese Uhrzeit trübt keinerlei Lichtverschmutzung den Blick auf zahlreiche Sternschnuppen am Himmel. Wir steigen weiter durch die Nacht empor. Unser erstes Ziel ist der Gipfel des Selun (2.205 m), welchen wir um 6:30 Uhr pünktlich zum Sonnenaufgang erreichen. Unterhalb des Gipfelkreuzes liegt ein interessanter, grosser Findling im Dunkeln. Erst als darin ein Wecker läutet erkennen wir, dass es ein Biwak ist.
2. Selun / 2.205m
Ankunft: 6.30 Uhr
Distanz: ca. 6 km
Aufstieg: 1.315 Hm
Der Abstieg vom Selun direkt nach Nordosten ist nur auf einem sehr steilen, abschüssigen Grasband möglich, welches einen in kurzer Zeit auf ca.1.900 m absteigen lässt. Das spart zwar etwa 150 bis 200 Höhenmeter, allerdings ist die Wegfindung schwierig und eher gefährlich – steigt man dabei doch über einen Hang von mindestens 45 Grad Steilheit ab. Außerdem ist das Band schmal und nach Osten hin herrscht große Absturzgefahr. Wir haben uns darum für die gefahrlosere Variante entschieden, bei der man über einen Pfad weiter auf 1.700 m absteigt, oberhalb einer Alp traversiert und so auf den Wanderweg Richtung Frümsel (2.266 m) stößt. Den Gipfel erreichen wir um 8:30 Uhr – der Aufstieg zählt mitunter zu den steilsten Gipfelanstiegen unter den Churfirsten.
3. Frümsel / 2.266m
Ankunft: 8.30 Uhr
Distanz: ca. 10 km
Aufstieg: ca. 550 Hm (Total 1.865 Hm)
Vom Frümsel geht es bis auf rund 1.900 Meter hinab. Der Brisi, mit seinen 2.277 m der höchste der mittleren Firsten, wird über eine Grasnarbe mit voller Westorientierung sowie über eine kleine Schotterpartie auf unwegsamen Gelände erstiegen. Der Weg ist ungefährlich (T4 laut SAC-Skala), Trittsicherheit vorausgesetzt, und von Westen her klar sichtbar. Den Wanderweg zum Gipfel erreicht man erst wieder weiter oberhalb, auf etwa 2.000 Metern, und folgt diesem stetig bis zu seinem höchsten Punkt.
4. Brisi / 2.277 m
Ankunft: ca. 10.15 Uhr
Distanz: ca. 13 km
Aufstieg: ca. 350 Hm (Total: 2.215 Hm)
Da der Brisi neben dem möglichen Aufstieg über die Grasnarbe nur einen einzigen, anderen Zustieg hat – sofern man nicht abseilen möchte –, führt auf dem Weg nach unten durchs Brisital, wobei man dafür einige Höhenmeterverluste in Kauf nehmen muss. Aus dem Brisital führt der alte Wanderweg unterhalb eines Bandes von überhängendem Kalksteinfels (Achtung: brüchig und rutschig , andere Wanderer können Steinschlag auslösen) über die westliche Flanke direkt auf den neuen Wanderweg auf rund 2.000 m. Der nächste Gipfel, der Zuestoll (2.234 m), ist für uns der schönste der Churfirsten, führt doch ein alpiner Wanderweg (ca. T4) über einen Grat vom Gipfel nach unten. Am Gipfel angekommen sind uns dann auch die ersten anderen Wanderer begegnet, wenn man vom einsamen Fotografen im Biwak am Selun absieht. Wir erreichen den vierten Churfirsten-Gipfel kurz nach Mittag.
5. Zuestoll / 2.234 m
Ankunft: ca. 12.20 Uhr
Distanz: ca. 16 km
Aufstieg: ca. 500 Hm (Total 2.715 Hm)
Vom Zuestoll geht es zunächst wieder auf 1.736 m hinab zum Rüggli – hier besteht keine Möglichkeit abzukürzen oder Höhenmeter einzusparen. Also heißt es im Anschluss wieder auf den Gipfel des Schibenstoll und auf knapp 2.300 m aufsteigen. Dieser Anstieg zählt für uns zu den härtesten Metern nach oben – haben wir doch bereits rund 3.000 Höhenmeter in den Beinen. Beim Gipfelkreuz angekommen sind wir etwas verwundert kaum andere Wanderer anzutreffen, doch so haben wir die Aussicht fast für uns alleine.
6. Schibenstoll / 2.234 m
Ankunft: ca. 14.10 Uhr
Distanz: ca. 19 km
Aufstieg: ca. 550 Hm (Total 3.265 Hm)
Vom Schibenstoll steigen wir dann bis 1.800 m ab und umgehen den großen Kalkfelsen in nördlicher Richtung. Die weitere Wegfindung quer über die Kalksteinformationen des Gluristals ist spannend und nach fast 3.500 Höhenmetern und rund 10 Stunden Weg anspruchsvoll für Kopf und Beine. Man muss sich auf seinen Orientierungssinn und das Kartenmaterial verlassen. Den Wanderweg in Richtung Hinterrugg (2.306 m) erreichen wir dann schliesslich auf einer Höhe von ca. 1.900 m. Die Wanderer, welche uns um 15.45 Uhr entgegenkommen, meinen, es würde wohl noch eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen, um zum Ziel nach Chäserrugg zu gelangen – sie warnen uns, dass wir das Bähnli verpassen könnten. Wir legen einen Gang zu und marschieren weiter.
7. Hinterrugg / 2.306m
Ankunft: ca. 16.15 Uhr
Distanz: ca. 23 km
Aufstieg: ca. 530 Hm (Total rund 3.800 Hm)
Um 16.15 Uhr stehen wir auf dem letzten Gipfel, dem Hinterrugg. Jegliche Anspannung in unseren Körpern weicht wohliger Müdigkeit und einem unglaublichen Glücksgefühl. Wir haben es geschafft! Nun freuen wir uns auf Kaffee in der Chäserrugg und die anschließende Bahnfahrt ins Tal.
8. Chäserrugg / 2.260 m
Ziel: ca. 16.30 Uhr
Distanz: ca. 24 km
Um 17:13 fahren wir mit der letzten Bahn nach Unterwasser und nehmen dort den Bus zurück nach Starkenbach. Am ersten Tag der Winterzeit brauchen wir um 18:00 zum Auffinden des Parkplatzes in Starkenbach bereits wieder unsere Stirnlampen. Die Dunkelheit und Erschöpfung können unsere gute Stimmung jedoch nicht schmälern, überglücklich treten wir in unserem Auto den letzten Weg für heute an: nach Hause.