Melde dich an und erhalte Zugang zu einzigartigen Inhalten und Angebote!


AnmeldenRegistrieren
Abonnieren

Ein ewiges Souvenir. Wandern auf den Äolischen Inseln

Reise

7 Min.

31.03.2023

Foto: Andreas Jakwerth

Anzeige

Anzeige

Wandern, wo es brodelt, dampft und spuckt: Auf dem Vulkanrücken vor der Nordostküste Siziliens ragen die sieben Äolischen Inseln aus dem Meer. Sie beherbergen gleich zwei Feuerberge. Diese Reisestory ist im Bergwelten Magazin (01/2021) erschienen.

Text: Katharina Lehner, Fotos: Andreas Jakwerth

Das Erste, was man vergisst, ist das Gefühl auf der Haut: den Wind, der einem feinste Lavasandkörner ins Gesicht weht. Dann lässt die Erinnerung an den Geschmack im Mund nach: salzig; ein Gemisch aus Kapernbeeren, Ricotta und Schwefel. Das Grollen im Ohr verblasst erst langsam, so wie der Anblick der zum Himmel geschleuderten glühenden Lava.

Am längsten bleibt der Geruch. Lange nachdem man heimgekehrt ist von den Äolischen Inseln mit ihren Vulkanen, trifft einen plötzlich eine Schwade Schwefel, während man im Lieblingspulli auf der Couch sitzt oder das Reisehandtuch aus dem Schrank nimmt. Nur ganz kurz, sodass man sich fragt, ob es nicht doch Einbildung war. Das Unterbewusstsein tut sein Übriges – und schon ist der Geist zurück auf den Inseln.

Bei den Schritten, die man am Kraterrand der Grande Fossa auf Vulcano mit angehaltenem Atem durch den Schwefeldampf gemacht hat. Der deshalb zwar nicht in die Lunge gelangt ist, doch sich zum Ausgleich in den Fasern des Pullovers festgesetzt hat. Erinnerungen an das Bad, das man trotz Abraten eines Einheimischen im Fango, dem vulkanischen Mineralschlamm, genommen hat. Als würde er sich in jeder Pore einzeln einnisten, sitzt der Geruch tagelang auf der Haut. Im Badetuch wird ein Hauch davon wohl für immer bleiben.

Und wie der Kopf so in die Vergangenheit reist, rückt auch alles andere wieder näher: das Grollen und die Lavaausbrüche des Stromboli, das Gefühl des Windes auf der Haut, der Geschmack am Gaumen – der Schwefel, ja. Aber auch die Pasta mit den frischen Tomaten, die süßen, mit Frischkäse gefüllten Cannoli. Dies alles zur Warnung. War man einmal auf den Äolischen Inseln, sind solche Flashbacks ein ewiges, körperloses Souvenir.

Die sieben Inseln, die nach der größten Insel Lipari auch Liparische Inseln genannt werden, liegen vor der Nordostküste Siziliens. Sie sind eine Welt in der Welt in der Welt: Dass sich die Sizilianer nicht wie Italiener fühlen, ist bekannt. Die knapp 14.000 Liparoten fühlen sich jedoch auch nicht den Sizilianern zugehörig. Und den Italienern schon gar nicht. Begründet ist das sicher durch die Abgeschiedenheit, in der man sich hier befindet: auf kleinen Inseln vor einer großen Insel im Süden einer riesigen Halbinsel. Möchte man auf das italienische Festland nach Reggio Calabria, dauert das per Fähre, Bus und noch einmal Fähre schon dreieinhalb Stunden – und dann ist man erst an der Stiefelspitze; Rom erreicht man je nach Wahl des Verkehrsmittels nach etwa zehn Stunden.

Die Liparischen Inseln gehören zu einer Vulkankette, die sich vom Ätna auf Sizilien bis zum Vesuv bei Neapel zieht. Dort, wo sich die Afrikanische Platte unter die Apulische schiebt, tritt das Erdinnere nach außen. So entstanden erst Filicudi, Panarea, Salina und Lipari; später dann Vulcano und Stromboli – die beiden, die uns locken, mit ihren dampfverhangenen Gipfeln, gelben Nebelschwaden und glühenden Lavaeruptionen.


Furchtlosigkeit und Naivität

Es wäre eine Überraschung, wäre so ein abgelegener und vermeintlich lebensfeindlicher Ort nicht mythenumrankt. Als wir mit Guide Luigi Segatta auf die Grande Fossa – den schlummernden Vulkan der Insel Vulcano – steigen, erzählt er von den Göttern, die im Umgang miteinander bekanntlich alles andere als zimperlich waren. Der Legende nach war der römische Feuergott Vulcanus schon bei der Geburt so hässlich, dass er aus dem Götterhimmel zu den Menschen auf die Erde geworfen wurde. Er machte das Beste daraus, wurde Schmied und richtete sich eine Werkstätte unter der Insel Vulcano ein.

Wer am Gipfel der Grande Fossa steht, stellt sich unweigerlich die Frage, wie es in ihrem Inneren zugehen mag. Ist es der Blasbalg in der Schmiede des Vulcanus, der die gelben Schwefeldämpfe an die Oberfläche drückt? Sogar ein Pfeifen hört man. Einatmen sollte man die Dämpfe lieber nicht, doch manchmal ist die Passage durch die Schwaden so lang, dass man dem nicht entkommt. Ein kleiner Atemzug durch die Nase? Sofort wird man von den Göttern mit Hustenreiz gestraft.

Die Bewohner von Vulcano sind den Schwefelgeruch längst gewohnt. Die Touristinnen und Touristen kommen gar genau seinetwegen. Nicht ausschließlich nur, um das Spektakel am Krater zu erleben, sondern auch, um im Mineralschlamm zu baden, dem Heilkräfte nachgesagt werden.

Vielleicht hilft eine göttliche Furchtlosigkeit beim Einstieg in das öffentliche Schlammbad oder die menschliche Naivität, denn neben vulkanischen Mineralien sammelt sich auch organisches Material im Schlamm. Alles, was vom menschlichen Körper so abfällt, wird im Tümpel konserviert. Vor üblem Körpergeruch darf man auch keine Furcht haben: Tag für Tag und Pore für Pore treiben die Schweißgeister den Fango aus der Haut.


Glück und Neugier

Ähnliches gilt auch für die feinen Lavasandkörner von den Flanken des Stromboli, den die gleichnamige Insel beherbergt. Lange noch rieseln sie zu Hause aus dem Schuhwerk. Während des Abstiegs von diesem einzigen ständig aktiven Vulkan Europas sammelt man sie ein. Allein im Schein der Stirnlampen und sonst umgeben von absoluter Dunkelheit gleitet man nach unten – wobei … eher ist es ein Abwärtsstapfen mit geringstem Widerstand. Vulkanführer Luca Rizzo macht es vor: vertrauensvoll einen Sprung bergab ins Nichts setzen und sich auffangen lassen vom Sand, in dem man bis zum Knöchel versinkt.

Hatte man Glück, nimmt man ein nicht gerade alltägliches Erlebnis mit nach unten: Nach dem Aufstieg, geprägt vom Grollen des Vulkans, stand man am alten Kraterrand, biss in sein Pausenbrot und starrte quasi ins Erdinnere, in die junge Caldera, aus der alle paar Minuten glühend rotes Gestein gen Himmel geschleudert wird. Hatte man kein Glück, stand man mitten im undurchdringlichen Weiß und hoffte, dass sich die Wolken lichten und den Blick auf das Spektakel freigeben mögen. Doch Vulkane sind nicht gerade bekannt für ihre Güte – auch nicht zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen von Vulkanführern: „‚Bitte Stromboli, nur eine Eruption!‘, habe ich ihn an meinem letzten Geburtstag gebeten, aber er hat den Wunsch nicht erhört“, erzählt Luca.

Hätte er sich lieber an Äolus gewandt, die Wolken zu vertreiben, den Gott und Verwalter der Winde. Der Mythologie nach hatte dieser genau hier seinen Sitz und beherbergte auch Odysseus auf dessen Reise. Vor der Weiterfahrt überreichte er ihm einen Sack, in dem er die ungünstigen Winde gebannt hatte. Doch die Geschichte trägt nicht umsonst „Die Irrfahrten“ im Titel: Die Gefährten des Odysseus waren neugierig und öffneten den Sack, wodurch die Winde entkamen und das Schiff wieder zurück zu den Inseln trieb.

Vielleicht aber war es nicht die Neugier, welche die Gefährten dazu bewegte, den Sack zu öffnen. Vielleicht wussten sie ganz genau, was sich darin befand. Vielleicht war die Sehnsucht nach den Inseln, die all ihre Sinne berührten, für sie einfach zu überwältigend?


Infos und Adressen: Äolische Inseln, vor der Küste Siziliens

Wo man auf den Äolischen Inseln am besten unterkommt, isst und wandert.

Ankommen

Am einfachsten gestaltet sich die Anreise mit einem Flug nach Catania auf Sizilien (ab Wien mit Austrian Airlines vier Mal pro Woche, siehe Flugplan). Milazzo ist eine etwa zweistündige Autofahrt entfernt (am besten einen Taxiservice buchen). Von dort legt eine Fähre nach Lipari ab (libertylines.it). Auf die anderen Inseln gelangt man ebenso über Fährverbindungen oder mit Ausflugsbooten.

Wandern

Lava auf Stromboli
Auf den Stromboli darf man nur in Begleitung eines Vulkanführers. In der Marina Corta in Lipari können Pakete aus Überfahrt und Aufstieg gebucht werden. Aber auch vor Ort haben die Anbieter ihre Büros.
Tipp: Der Aufstieg über den „alten Weg“ ist einsamer, anspruchsvoller und schöner. Achtung: Aufgrund stärkerer Eruptionen ist der Aufstieg aktuell gesperrt. Aktuelle Infos: magmatrek.it

  • Ausgangspunkt: Bergführerbüros im Ort

  • Strecke: 9 km Höhendifferenz: 891 m

  • Dauer: 5 h

Schwefeldampf auf Vulcano
Der Kraterrand der Grande Fossa liegt auf etwa 290 Metern. Der Weg ist gut ausgeschildert und recht einfach. Wanderschuhe braucht es aufgrund lockeren Gesteins, Sand und Vulkanasche dennoch. Oben angekommen, wandert man am Krater entlang und durch die Schwefeldämpfe, die man nicht einatmen sollte. Wer 100 Meter weiter nach oben steigt, steht auf dem Gipfel.

  • Ausgangspunkt: Hafen von Vulcano

  • Strecke: 7 km Höhendifferenz: 417 m

  • Dauer: 3,5 h (Rundtour)

Macchia auf Lipari
Von den Cave di Caolino (in der Nähe der Bushaltestelle) geht es gut beschildert durch die Macchia, die typisch mediterrane Strauchvegetation, und zwischen Felswänden hinunter an die Steilküste. Dort bieten sich schöne Ausblicke aufs Meer. Durch ein Tal geht es nach Lipari-Stadt.

  • Ausgangspunkt: Cave di Caolino

  • Strecke: 10 km

  • Höhendifferenz: 280 m im Aufstieg, 648 m im Abstieg

  • Dauer: 3,5 h

Essen und Schlafen

Ruhe und Meerblick
Ein Stück oberhalb der Altstadt von Lipari befindet sich das Vier-Sterne-Hotel Tritone. Man nimmt sich am besten ein Zimmer mit Balkon und Meerblick. Das Frühstück genießt man mit Panoramablick im Frühstücksraum; nach dem Wandern schwimmt man im Pool oder entspannt sich im Spa.

  • Hotel Tritone

  • Via Giuseppe Rizzo, 98050 Lipari ME

  • Tel.: +39/090 981 15 95, tritonelipari.it

Süßer Frischkäse
Bei einem Spaziergang in Lipari-Stadt sollte man unbedingt bei der Pasticceria Giovanni D’Ambra vorbeischauen und sich mit Ricotta gefüllte Cannoli holen.

  • Pasticceria Giovanni D’Ambra

  • Salita San Giuseppe 5, 98050 Lipari ME

Lokaler Geheimtipp
Bei Köchin Romualda Scaffidi im Restaurant Il Cratere auf Vulcano isst man typisch einheimisch: frischen Fisch, Pasta mit den Früchten der Inseln und des Meeres, dazu der Tafelwein – perfekt.

Gehobene Küche
Gleich neben der Burg von Lipari speist man vorzüglich traditionell und fischlastig: vom schwarzen Tintenfischrisotto bis zu Schwertfischhäppchen.

  • Ristorante da Filippino

  • Piazza Mazzini, 98055 Lipari

  • Tel.: +39/090 981 10 02, filippino.it

Informieren

Zum Erkunden der Äolischen Inseln empfiehlt sich Lipari-Stadt als Basislager. In der Altstadt gibt es einige Anbieter für Ausflüge auf die restlichen Inseln – die Boote legen in der Marina Corta ab.

Auf der Seite der italienischen Zentrale für Tourismus sowie auf der offiziellen Tourismus-Webseite der Äolischen Inseln finden sich zahlreiche Informationen und Reisetipps.

Podcast-Tipp: Jetzt beginnt die Reisezeit! Katharina, Katrin, Klaus und Martin von Bergwelten haben das Glück, ab und zu beruflich verreisen und darüber schreiben zu dürfen. In dieser Folge dürft ihr euch auf jede Menge Inspiration, lustige Anekdoten und persönliche Urlaubstipps freuen.

Anzeige

Anzeige


Mehr zum Thema