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Mit dem Esel durch die französischen Alpen

Reise

8 Min.

05.04.2023

Foto: Jens Wehofsky

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Sturer Esel? Reiseblogger Jens und Yvonne Wehofsky sind mit ihrem Sohn durch den Nationalpark Mercantour an der italienischen Grenze gewandert. Ihr Begleiter trug nicht nur das Gepäck, sondern auch viel zum Spaßfaktor des Abenteuers bei.

Bericht: Jens Wehofsky

Nur noch wenige Meter, das Ziel in greifbarer Nähe. Doch von unserem Lagerplatz trennt uns noch ein schmaler, in Felsen gehauener Bergpfad. Unser Esel bleibt wie angewurzelt stehen. Er weiß, dass er hier nicht mit den breiten Packtaschen durchkommt. Wir versuchen es ohne Gepäck, doch nach einigen Metern stoppt er und läuft im Rückwärtsgang vorsichtig zurück. Hier kommen wir nicht weiter, wir müssen umdrehen. Warum sind wir nur von der Normalroute abgewichen? Doch es kommt noch schlimmer. Unser Esel steht nun vor einer hohen, unüberwindbaren Stufe, die von einem querliegenden Baumstamm blockiert wird. Auf dem Hinweg hatte er dieses Hindernis ohne Probleme übersprungen. Doch von dieser Seite ist die Stelle jetzt zu schmal, zu steil und zu rutschig. Wir stecken fest, kein Vor, kein Zurück. Hilflosigkeit und die Abenddämmerung machen sich breit.


Wie es dazu kam…

Die Einschulung am Starttag liegt hinter uns, das Gepäck ist fixiert, die Rucksäcke sind geschultert – es kann losgehen. Oslo, unser erster Esel im Nationalpark Mercantour in den französischen Seealpen, läuft bereitwillig mit. Die heutige Etappe soll auch schon eine der schwersten der Tour sein. Somit überspringen wir die Eingewöhnungsphase und legen bei praller Sonne gleich richtig los. Bald passieren wir die Baumgrenze und genießen die exponierten Ausblicke auf die Umgebung.

Am späten Nachmittag erreichen wir den Lac Petit auf 2.240 Metern Höhe und schließlich unser Lager. Alle sind glücklich und erschöpft zugleich. Ein Erfrischungsbad im eiskalten See belebt Körper und Geist binnen Sekunden.

Am nächsten Tag betreten wir den eigentlichen Nationalpark am Pass Col du Barn und durchqueren das Mercantour die folgenden zwei Tage von Süd nach Nord. Dabei durchstreifen wir dichte Wälder, endlose Wiesen und unwegsame Geröllfelder.
Da die Etappen für unsere Verhältnisse kurz und wir mittlerweile eine eingespielte Herde sind, planen wir mehr Pausen ein. Das verschafft uns viel Zeit für Entspannung und Spaß. Oslo bindet sich immer mehr an uns, ist fast schon aufdringlich. Die zweite Nacht verbringen wir am sonst so einsamen See Lac Graveirette. Aufgrund des Pandemie-bedingten Camping-Booms müssen wir den See jedoch mit zwanzig anderen Zelten teilen.

Am Ende des dritten Tages überqueren wir die Staats- und Parkgrenze und befinden uns nun in Italien und im Nationalpark Alpi Maritime. Entlang dieser Staatsgrenze führte einmal der Alpenwall – der befestigte Schutzwall Italiens im Zweiten Weltkrieg – entlang. Verfallene Bunker, Kasernen und Schützengräben sind eine echte Abwechslung für unseren neunjährigen Sohn und so begeben wir uns in den Pausen auf abenteuerliche Erkundungen.

Die zwei Tage in Italien sind die ungemütlichsten. Es windet, regnet und donnert. Die Wolken hängen tief, die Sonne lässt sich nur selten blicken. Doch Oslo ist immer wieder ein Garant für Spaß. Entweder bettelt er in den Pausen angriffslustig um unseren Proviant oder er kuschelt mit jedem von uns um die Wette. Er ist der ideale Wegbegleiter und läuft auch ohne Leinenzwang flüssig und zuverlässig mit. So können wir uns auf die Überquerung des 2.620 Meter hohen Passes Baisse Du Druos konzentrieren. Doch am Ende müssen wir auf 2.300 Metern Höhe abbrechen. Die Wolken hängen noch tiefer und bringen Regen und Gewitter mit sich. Hand in Hand ist unser Camp schnell errichtet. Oslo tut uns leid, weil er Wind und Wetter ausgesetzt ist, aber die saftige Wiese entschädigt ihn dafür. Am Tag darauf sind wir wieder in Frankreich und fortan begleitet uns schönes Wetter.


Ein treuer Wegbegleiter

Vor uns liegen noch vier Tage, die wir nun auf Umwegen und einsameren Pfaden bestreiten. Mittlerweile ist unser Proviant, der komplett vom Esel getragen wird, so weit geschrumpft, dass unser Sohn bergab auch mal auf Oslo reiten kann. Sie sind ein eingespieltes Team und Oslo ein fürsorglicher Freund. Am kleinen Bergsee Lac Scluos beziehen wir wohl unser einsamstes und schönstes Camp. Hier stimmt einfach alles.

Ab Mollières, einer kleiner Häuseransammlung, stoßen wir auf den urigsten Teil unserer Tour. Hier treffen wir zwei Tage auf keine Menschenseele. Gern wären wir hier noch länger geblieben, doch wir haben einen Plan und den müssen wir verfolgen. Und ja – auch unser Proviant wird knapp. Es liegen noch zwei Tage und 23 Kilometer vor uns. Da sich alle gut fühlen, entscheiden wir uns, an einem Tag 20 Kilometer mit 1.000 Metern Aufstieg und 1.700 Metern Abstieg zu bewältigen. Als Belohnung – und als Motivation für unterwegs – sollen dann im Ziel La Roche Pizza, Cola und Wein auf uns warten.

Die letzten Kilometer werden zur Tortur – es ist einfach keine Quelle in Sicht. Doch bald erscheinen die ersten Häuser, die uns genug Motivationsschub geben. Nachdem wir alle Besorgungen im Ort gemacht haben, beziehen wir einen Kilometer außerhalb unser Lager. Während Yvonne alles herrichtet, laufen mein Sohn und ich in den Ort zurück und besorgen die Pizzen. Am Abend stoßen wir auf eine gelungene Tour an und sind erleichtert, dass es morgen nur noch drei Kilometer bis zum Ziel sind.

Nächster Halt Queyras. Auf dem Weg dorthin verschlechtert sich das Wetter dermaßen, dass wir uns gegen das Zelten entscheiden und beim Eselanbieter spontan ein Zimmer buchen. Wir müssen unser Proviant auffüllen, Klamotten wechseln und mit dem Hausherrn die Tour besprechen. Er klärt uns über die aktuelle Covid-Lage auf. Frankreich steht seit kurzem auf der Risikogebietsliste, was für uns bei Rückkehr eine 14-tägige Quarantäne bedeutet. Brechen wir nun hier ab und reisen zurück? Wir gehen einen Kompromiss ein. Die Queyras-Tour wollen wir noch gehen, aber die dritte Woche im Ecrins streichen wir.

Am nächsten Tag warten wir auf Wetterbesserung. Da sich diese aber nicht einstellt, gehen wir gegen Mittag bei Nieselregen und tiefen Wolken los. Mit unserem zweiten Esel Titu läuft es anfangs nicht so gut. er stellt uns mehrmals auf die Probe, doch das lenkt uns vom Schlechtwetter ab. Wir steigen noch bis auf 2.400 Meter Höhe auf und brechen an der Kapelle Clausis ab. Wind und Regen zwingen uns dazu. Den Rest des Tages verbringen wir im Zelt.


Wind, Regen und eine Überraschung

Der nächste Morgen beginnt mit einer Überraschung. Beim Blick aus dem Zelt erwartet uns eine schneebedeckte Landschaft, auf dem Zelt liegen 15 Zentimeter Neuschnee. Das bringt unsere Pläne ein weiteres Mal durcheinander. Bei diesen Verhältnissen möchten wir den Aufstieg auf den 2.900 Meter hohen Pass Col de Chamoussière heute nicht riskieren. Wir schlafen also weiter und vertagen die Tour auf morgen

Mit jedem Tag bessert sich nun das Wetter und nach vier Tagen liegen drei Pässe, mehrere kleine Ortschaften und unzählige Bergseen hinter uns. Im Torrent Du Malrif lockt uns ein Traumplatz und wir verschieben den Aufstieg zum See Le Grand Laus auf morgen. Aufgrund des unplanmäßigen Entspannungstages habe ich die Route optimiert, um das Ziel planmäßig zu erreichen. Wir biegen im Abstieg auf einen schmalen Bergpfad ab, der immer enger und unwegsamer wird. Bald stehen wir vor dem in Felsen gehauenen Bergpfad, ein unüberwindbares Hindernis. Titu will weder vor noch zurück. Er scheint verunsichert zu sein und will nun auch nicht mehr den Rückweg antreten, den er vorher mit Bravour gemeistert hat. Wir stecken fest.

Yvonne kommt auf die Idee, dass ich den zehn Meter langen Baumstamm doch zur Seite rücken soll. Mit letzter Kraft ziehe und schiebe ich den morschen Stamm beiseite, der Weg ist wieder frei. Wir atmen auf und gehen zurück zur Schotterpiste. In der Dämmerung bauen wir bald unser Zelt auf und müssen erneut die Tour umplanen. Wir gehen kein Risiko mehr ein und folgen in den letzten drei Tagen ausgeschilderten und empfohlenen Wegen.

Nach einer Woche erreichen wir wieder Saint Véran, den Ausgangsort und müssen nun wieder unsere Heimreise antreten. Auf der Rückfahrt durchqueren wir auf Umwegen den Ecrins Nationalpark und sind beeindruckt von dieser Bergwelt. Wir sind uns einig, dass wir wiederkommen werden, um auch hier ein Eselabenteuer zu bestreiten.

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Infos und Adressen: Esel-Trekking im Nationalpark Mercantour, Frankreich

Eselmiete

Auf der Seite Ane-et-Rando findet man einen Überblick der meisten Eselanbieter in Frankreich, weitere findet man bei Bourricot. Die Kommunikation findet überwiegend auf Französisch statt und die Anbieter versuchen, alle eure Wünsche zu berücksichtigen. Ein Esel ohne Guide (Berg- und Eselführer) kostet etwa 50 Euro pro Tag und beinhaltet neben den Packtaschen auch einen Sattel, Geschirr, Leinen, Pflock und weitere Utensilien. Wer zum ersten Mal einen Trip mit Esel plant, sollte eher das Flachland wählen, um sich mehr auf den Esel als auf das Gelände konzentrieren zu müssen.

Planung und Ablauf

Die meisten Anbieter geben verschiedene Touren und Längen vor. Sie kennen das Gelände und ihre Esel besser als ihr. Wenn Ihr bestimmte Routenwünsche habt, könnt Ihr das bei Anreise am Vortag mit den Besitzern besprechen. Einige sind da flexibel, andere wiederrum nicht. Am Starttag findet dann die Einweisung statt, wo ihr Näheres zu den Eigenheiten eures Esels und zum Umgang mit ihm erfahrt. Die Tagestouren sind zwischen 8 bis 20 Kilometer lang, 1.000 Höhenmeter sind kein Problem. Mit einer Geschwindigkeit von drei bis vier Kilometern pro Stunde können die Esel locker fünf Stunden am Tag mithalten und sind dabei bergauf übrigens wesentlich schneller als bergab.
Die Esel schleppen ohne weiteres bis zu 40 Kilogramm Gepäck, brauchen aber regelmäßige Pausen. Am Abend wird der Esel in der Nähe des Zeltes angepflockt und ernährt sich von den saftigen Gräsern und den klaren Gebirgsbächen.

Umgang mit Eseln

Esel sind nicht störrisch und dickköpfig, sie haben nur ihren eigenen Willen, so wie wir Menschen auch. Sie sind exzellente Bergsteiger, können die engsten Pfade und steilsten Stellen überwinden, ohne sich dabei selbst zu überschätzen. Vertraut also mehr den Eseln als eurer eigenen Intuition. An den ersten Tagen versuchen die Vierbeiner gern, euren Befehlen Paroli zu bieten. Hier muss man zeigen, wer die Zügel in der Hand hat und alles konsequent durchsetzen. Am besten kommen Kinder mit Eseln zurecht. Einige Esel lassen es auch zu, dass die Kinder auf ihnen reiten.

Wildes Zelten

In den französischen Alpen, den Naturparks und den meisten Nationalparks ist das wilde Zelten erlaubt und nennt sich Bivouac. Man darf sein Zelt ab 19 Uhr abends bis zum Folgemorgen 9 Uhr überall dort aufschlagen, wo man sich mindestens eine Stunde Fußmarsch von einer Straße entfernt befindet. In der Praxis wird diese Regel in den Nationalparks meist sehr strikt eingehalten. In den Naturparks dagegen wird das Zeitfenster eher als Richtwert angesehen, Lagerplätze befinden sich auch mal unweit einer Straße und auch Lagerfeuer sind erlaubt.

Infrastruktur

Der Unterschied zwischen den National- und Naturparks besteht in ihrer Infrastruktur. In den Nationalparks gibt es wenige bis gar keine Ortschaften und Straßen, keine Einkaufsmöglichkeiten und nur wenige Übernachtungsoptionen. Die Naturparks weisen dagegen mehrere kleine Ortschaften auf, die dem Wanderer alles Mögliche bieten. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass man in den Naturparks auf mehr Wanderer und Zivilisation trifft.

Wildnis Faktor

Normalerweise sind die Alpen der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur auch im Sommer nicht überlaufen, doch das Jahr 2020 war wegen Corona anders. Selbst die Einheimischen zog es von den überfüllten Stränden in die Berge. So war man nur selten allein unterwegs. Gerade die bekannten und gut markierten Grande Randonnée (GR)-Wanderwege waren gut besucht. An den Hotspots traf man auf Menschenmassen und man war gut beraten, sich einen Lagerplatz abseits der Traumorte zu suchen.

Das Buch zur Tour

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