Melde dich an und erhalte Zugang zu einzigartigen Inhalten und Angebote!


AnmeldenRegistrieren
Abonnieren

Königliche Aussichten: Ammergauer Alpen

Regionen

3 Min.

02.11.2021

Foto: Manuel Ferrigato

Anzeige

Anzeige

Eintauchen in die Täler der Ammergauer Alpen, tief im bayerischen Süden: ein Gipfel zum Sonnenuntergang, ein Gipfel zum Sonnenaufgang und ein Stanzerl für ein Stamperl.

Sissi Pärsch für das Bergweltenmagazin Februar 2017

Wir lassen den König fast schon achtlos links liegen – und kommen prompt ins Schwitzen. Bis jetzt sind wir ganz entspannt durch das samtige Graswangtal gerollt, ein wunderschönes Naturschutzgebiet tief im Süden von Bayern, wo die Ammer entspringt. Doch nun führt der Weg steil bergan, und wir kommen nur noch im Schritttempo voran.

Linker Hand, etwas unterhalb, liegt Schloss Linderhof, das Lieblingsschloss von Ludwig II. Unser Ziel sind aber die Brunnenkopfhäuser, die sein Vater Maximilian II. 1856 als Jagdhütten erbaut hat. Sie liegen knapp 700 Höhenmeter höher, sind deutlich kleiner, deutlich prunkfreier – und deutlich ruhiger.


Ludwig und der Lausbub

Zweiundzwanzig Mal war König Ludwig hier oben. Fünfhundert Mal war Norbert Misnik allein mit dem Mountainbike auf den Brunnenkopfhäusern, bevor er ihr Hüttenwirt wurde. Das erzählt er uns ganz nebenbei zur Begrüßung, als wir schweißgebadet und stolz vor ihm stehen. Unser Stolz leidet ein wenig.

„Ach, Schmarrn“, sagt Norbert und lenkt unsere Aufmerksamkeit damit auf eine der kulinarischen Hüttenspezialitäten. Bei diesem majestätischen Erbe ist ein guter Kaiserschmarrn geradezu Pflichtprogramm. Und der schmeckt genau so, wie die Aussicht ist: einfach großartig. Die hohen Herrschaften wussten seinerzeit schon, warum sie diesen Platz gewählt haben.

Zum Sonnenuntergang begleitet uns Norbert auf den nahen Brunnenkopf-Gipfel. Ob er sich dem Kini verbunden fühlt, wollen wir wissen. „Selbstverständlich! Ich bin in Linderhof aufgewachsen“, sagt er und setzt lausbübisch schmunzelnd nach: „Im Weiler, nicht im Schloss. Aber wo wir uns damals herumgetrieben und was wir so angestellt haben, dafür würde man uns heute wohl einsperren.“

Das würde jetzt womöglich sein eigener Bruder übernehmen, denn der ist erster Kastellan, sprich: der oberste Aufsichtsbeamte am Hofe. So passt der eine Bruder im Tal aufs königliche Schloss auf, während der andere die alte Jagdhütte bewirtschaftet. Bei dem Schauspiel, das uns der Sonnenuntergang bietet, kann man Norbert zu seiner Wahl nur gratulieren.


Handwerk und Heimatsound

Die Hütte bietet knapp 40 Schlafplätze, sie ist einfach und liebevoll hergerichtet. Außer uns ist nur ein Trupp älterer Herren aus dem Allgäu zu Gast. Fünf Stunden sind sie von der Kenzenhütte hermarschiert und stimmen nun zur Begrüßung ein Stanzerl an. „So sieht Hüttengaudi bei uns aus“, meint Norbert und steht auf, um den Chor mit Marillenschnaps zu belohnen. Ein Stanzerl für ein Stamperl. Das hat sich für beide Seiten gelohnt.

Die Kombination aus starker Marille und langem Marsch lässt die Herren tief und fest schlafen. Zumindest lassen sie sich von uns nicht stören, als wir uns nur wenige Stunden später aus den Hüttenschlafsäcken schälen, um auch den Tagesanbruch auf dem Gipfel zu erleben. Unter uns am Hang grasen die Gämsen, frühe Vögel melden sich. So harmonisch und friedlich kann die Welt sein!

„Wie bestellt, oder?“ meint unser Ammergauer Freund Lukas Gerum mit einem Grinsen beim Frühstück. Sein Ziel, uns richtig zu beeindrucken, hat der passionierte Biker längst erreicht. „Die Ammergauer Alpen“, sagt er, „sind Gott sei Dank eine komplett unterschätzte Region. Die meisten Touristen fahren bloß die Sehenswürdigkeiten ab. Kloster, König, Lüftlmalerei – abgehakt.“ Wer hingegen in die Täler eintaucht, das bestätigt auch Hüttenwirt Norbert, „der trifft oft keine Menschenseele. Das liegt daran, dass keine breiten Straßen zu uns herein- oder gar heraufführen und auch kaum Lifte.“

Dabei ist Oberammergau keineswegs ein verschlafenes Nest. Töpfer, Bildhauer, Schnitzer, Maler – die Gegend ist geprägt von einer heute noch sehr lebendigen Handwerkstradition. Für Lukas ist diese Prägung der Grund, warum die Region sich abhebt von anderen Ecken der Alpen. „Die Handwerker waren viel auf Reisen, haben viel gesehen und erlebt. Deshalb sind wir recht offen gegenüber Neuem. Künstler eben.“

Exemplarisch dafür ist das jährliche „Heimatsound“­Festival. Da wird nicht zu Schürzenjägern geschunkelt, sondern zu Wanda aus Wien oder den Lokalmatadoren Kofelgschroa gerockt.