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Norwegen: Mit Tourenski aufs Segelboot

Reise

5 Min.

10.01.2022

Foto: Fjord Norway

von Simon Schöpf

Klar, man kann auch das Auto nehmen. Oder mit dem Zug Richtung Berg aufbrechen. Doch wer wirklich elegant auf Skitour gehen will, der nimmt ein Boot und segelt durch den Fjord zum Powder. Eine Skitouren-Reportage über die noch unberührten Hänge Norwegens.

Wyvern. So heißt in der nordischen Mythologie ein Drache. Ein ganz Böser, mit Stachelschwanz angeblich. Kann Feuer speien, schwimmen und ist 27 Meter lang, 26 Meter hoch und verschluckt bis zu 10 Skitourengeher gleichzeitig. Wyvern heißt auch unser Segelboot, Wyvern av Ålesund. „Eine wirkliche Schönheit,“ schwärmt Skipper Erlend Lindseth, „wie man sie nur ganz selten trifft im Leben.“ Die Queen sei hier auch schon mitgesegelt, früher gehörte die Wyvern nämlich einem talentierten Maler. „Und die Queen wollte eben unbedingt das Malen lernen!“

Malen lernen, in dieser Landschaft, das klingt durchaus wildromantisch. Ist auf der Wyvren aber nicht unbedingt unsere Mission. Wir knipsen zur Ersatzbefriedigung aber ein paar Fotos, ein paar viele, denn ständig überkommt einem das Verlangen, den Auslöser zu streicheln. Hinter jeder Ecke wirkt die Landschaft gleich noch mystischer, angezuckert mit dem Neuschnee von gestern Nacht. Ob gleich mal ein Drache unseren Weg kreuzt, einer mit Stachelschwanz? Wundern würde das keinen an Bord. Schroffe Felsen, tiefe Täler, dazwischen tiefblaues Eismeer.

Doch schöne Fotos sind auch nicht unsere Mission. Die Skier, Stöcke und das LVS-Gerät verlangen nach dem weißen Gold. Skitourengehen in Norwegen, sowas darf man als bodenständiger Alpenbewohner getrost mal als Lebenstraum bezeichnen, und genau das ist unsere Mission: wir jagen Powder und Fjordblicke. Unser Revier: Der Hjørundfjord.


Sunnmøre und die Einsamkeitsgarantie

Sunnmøre Alps heißt die Gegend, die links und rechts und unter der Wyvren vorbeizieht. Sunn steht eigentlich für Süd, anfühlen tut sich das aber nach ganz viel Nord. Die Wahrheit liegt dennoch in der Mitte, sprich Mittelnorwegen, irgendwo zwischen Molde und Ålesund. Die Topografie ist in etwa so zersplittert wie ein Tonkrug, der von 10 Metern auf einen Marmorboden gedonnert ist. Weit hinein schneidet der Hjørundfjord, einer der längsten Fjorde in Norwegen, 36 km lang. Ziemlich schwer, hier den Überblick zu behalten, selbst im Maßstab 1:10.000. Deshalb hilft nicht nur die Karte, sondern auch Sverre bei der Orientierung. Sverre hat gut Sonnenfalten im Gesicht, trägt selbstgestrickten Schafswollpullover und dazu einen ordentlichen Bart im Rotstich. So, wie man sich das von einem Norweger eben erwartet.  


Die first line gehört dir

Und unsere schaukelnde Berghütte, null Meter über dem Meeresspiegel, die bringt uns von dort zu den lohnendsten Skitouren. „Die Gegend hier ist wie ein riesengroßes Skigebiet. Nur ohne Lifte“, mein Sverre und vergisst dabei: Ohne Apres-Ski. Ohne Großparkplätze. Ohne Menschen. „Wenn ich mit meinen Leuten am Weg bin, sind wir immer allein. Immer“, sagt Sverre, der Bergführer aus Sæbø. Kein Lärm, dafür erzählt die Landschaft demjenigen viele Geschichten, der lange genug hinhört. Die Bergnamen sind tausend Jahre alt, abgeleitet vom Bootfahrervokabular von denen, die die Gegend hier sehr lange prägten: Den Wikingern. Wik? Heißt so viel wie Fjord. Råna? Ein Bootsteil. Jakta? Die Yacht. So heißen auch die Gipfel hier.

Unsere Wahl heute: Kopphornet, 1.120 Meter hoch. Klingt nach wenig, startet man allerdings am Nullpunkt ergibt das doch eine satte Tour. „Die Leute fragen mich immer, wie hoch über dem Meeresspiegel wir hier sind. Naja, das ist der Meeresspiegel!“, meint unser Skipper Erlend noch, während er uns die Skier an Land reicht. Mitten im Hjørundfjord fühlt man sich tatsächlich wie auf einem überdimensionalen Bergsee, nicht wie auf dem Meer.

Sverres Versprechen hält: Den ganzen Tag sehen wir keine andere Menschenseele. Und das ist wohl der größte Unterschied zu den Skitouren in den Alpen: Die Stille. Die Einsamkeit. Die Entspanntheit. Niemand, der dir die first line wegschnappt. Niemand, der von hinten randrängelt. Aber auch niemand, der dir vorne weg spurt: Hier heißt es, selbst schwitzen und die Spur in den unberührten Schnee legen. Dann fühlen sich 1.120 Meter gleich noch viel höher an.

Beim Abfellen schaut Sverre plötzlich verträumt in die Landschaft und sagt: „Alles, was wir hier haben, ist das hier: Stille. Meine Kinder sollen eine Welt kennenlernen, wo es noch Stille gibt.“ Die wird allerdings bald von den Jauzern unserer Gruppe gebrochen werden: Die feinen Pulverschwünge, die first lines, das ist der gerechte Lohn für unsere Aufstiegsarbeit.

Unten im Fjord wartet derweil geduldig die Wyvren auf uns. Bis sie uns zum Abendessen wieder verschlucken kann, zehn hungrige Skitourengeher für ihren Wanst.


Infos und Adressen: Skitourengehen in Fjord Norway

Beste Reisezeit

Die stabilste Schneelage und viel Tageslicht für viele Skitouren hat man in den Sunnmøre Alps im März und April. Je nach Winter reicht im April der Schnee nicht mehr bis ganz zum Fjord. Februar hat mehr Schnee, aber auch mehr Dunkelheit. Mai geht meistens auch noch gut, halt mit mehr Ski-tragen.

„Das essentiellste in Norwegen“, weißt unser Guide Sverre, „ist die Zeit“. Eine Woche ist Minimum, besser sind zwei. Das Wetter hier kann hartnäckig sein, es lohnt sich deshalb auf die Sonne zu warten.

Schlechtwetteraktivitäten reichen von Fischen bis Puffin-Beobachtungen. Langweilig wird einem ohnehin nie mit so einer Landschaft.

Segelboot chartern

Karsten von ski the fjords ist nicht nur Pro-Skifahrer und Gebietskenner, er ist auch kompetenter Ansprechpartner in Sachen Boote, Touren und Skitourengeher-Hotels im Großraum Ålesund. Bei Interesse am besten mit ihm Kontakt aufnehmen.

Rahmenprogramm

Sollte man mal keine Lust auf selbsterzwungenen Aufstieg haben, aber dennoch Powderlust: Das Stranda Ski Resort ist nur 35km von Ålesund entfernt und bietet mit 7 Liften und Fjordblicken beim Powderschwung eine der besten Backcountry-Locations in Skandinavien. Auch an Tagen mit starkem Schneefall zu empfehlen, wenn die Lawinenwarnstufe das Ausrücken ins freie Gelände einschränkt.

Das Städtchen Ålesund selbst nennt sich „Adventure Capital of the Fjords“ und ist immer einen Besuch wert. 1904 komplett abgebrannt, wurde die Stadt darauf auf mehreren Inselchen im Jugendstil wieder neu errichtet.

Anreise

Von Wien, München oder Berlin mit dem Flugzeug nach Ålesund, meist über Oslo. Von dort entweder direkt in das Segelboot hüpfen oder bei individueller Organisation mit Mietwagen zu den Ausgangspunkten der Touren.

Skitouren & Guides

Sollte man wissen: In Norwegen darf sich prinzipiell jeder als „Guide / mountain guide“ ausgeben. Dass er oder sie auch tatsächlich qualifiziert ist, heißt das aber noch lange nicht. Deshalb: Immer nachfragen, ob die Guides auch tatsächlich ausgebildete IFMGA Bergführer sind. Verlässliche und sympathische Profis in der Region sind die Guides von UTEGUIDEN und NORDESGUIDENE.

Weitere hilfreiche Infos & Touren in der Region findet man auf visitnorway.com/skitouring

Unterkünfte

Wer nicht auf dem Segelboot nächtigt, findet in der Gegend um das Hjørundfjord einige sehr gute und auf Skitourengeher spezialisierte Hotels wie zB das Storfjord Hotel (Bild oben), das Sagafjord Hotel oder das Hotel Union Øye. Eine gute Übersicht über die Adventure-Hotels in der Region findest du auf ski the fjords.

Die Reise erfolgte auf Einladung von Fjord Norway.