Skitouren in Indien: Curry Powder und Sonnenbrand
Ins Kullu Valley im Bundesstaat Himachal Pradesh kommen viele Inder, um einfach mal Schnee anzugreifen. Andere betreiben dort Skitourengehen auf hohem Niveau. Mark Buzinkay hat sich der „Manali-Gang“ angeschlossen und vom nordindischen Curry Powder gekostet.
Wir warten auf den passenden Augenblick – die schwache Schneekruste bröckelt, wird weich, wie Brösel auf hartem Untergrund. In den Alpen nennen wir es Firn. Hier, im nordindischen Himalaya, sagt man Curry Powder dazu. Kapil, Ravi und Pintoo nicken mir zu, die Zeit für die 2.000 m lange Abfahrt vom Kothi Peak ist gekommen.
Der Aufstieg auf über 4.600 m ist keine einfache Sache gewesen: die indische Armee hat die Straße zum Rothangpass trotz Räumarbeiten nicht gesperrt und wir konnten mit dem Jeep auf gut 3.000 m hochfahren. Zunächst macht der Schmelzharsch Harscheisen notwendig, die außer mir hier aber niemand besitzt. Tragen oder kämpfen, heißt es für meine drei indischen Freunde. Es soll unsere letzte gemeinsame Tour werden. Die Jungs habe ich während meiner Zeit in Solang kennengelernt. Alles erfahrene Skitourengeher und gute Skifahrer. Vom Kullu Valley habe ich mir vieles erwartet, aber das ganz bestimmt nicht: eine lokale Skitouren-Szene. Die Manali-Gang, wie ich sie gerne nenne, sind rund ein Dutzend Herren im besten Alter: der eine betreibt ein Hotel, der andere ist für das indische Ski-Nationalteam als Trainer zuständig, ein weiterer wiederum ist Trekking-Veranstalter. Ebenfalls dabei sind ein Trekking-Guide, ein Lehrer und ein Skiführer.
Ein Volksfest für Indische Schnee-Touristen
Das Kullu Valley ist ihre Heimat und der späte Winter die Hochsaison für Skitouren. Busladungen einheimischer Touristen strömen in das Tal und ganz hinauf bis nach Solang. Sie wollen vor allem eines sehen und greifen: den Schnee. Meist sind es Leute aus Delhi und dem Punjab, die hierherkommen, erzählt mir Kapil. Da geht es auf den schneebedeckten Wiesen rund um Solang zu wie auf einem Volksfest: Hunderte Leute tummeln sich auf einem halben Fußballfeld, jauchzen, springen, rutschen und tollen im Schnee herum. Lassen sich auf Skidoos im Kreis fahren, auf Yaks herumführen, leihen sich sogar Ski aus, in die sie steigen, um vom Vermieter für fünf Minuten durch den Schnee geschoben zu werden. Es ist ein lustiger, lauter Zirkus, dem man lange zusehen kann.
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Almlandschaft ohne Hütten
Die wahre Schönheit dieses Tales im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh liegt aber weit entfernt von Straße und Menschenmassen. Wenn ich mit der Manali-Gang oder solo die Höhe erklimme, dann ist zunächst der fantastische Waldgürtel die erste Zone, die man auf so einer Tour durchquert. Neben Föhren sind es vor allem die hier immergrünen Eichen, die den Baumbestand dominieren. Die Bäume stehen in weiten Abständen und ohne Unterholz, sodass ein übersichtlicher Aufstieg – und eine noch viel schönere Waldabfahrt – möglich ist.
Über der Waldgrenze erstreckt sich eine scheinbar endlose Almlandschaft, ähnlich den Alpen, allerdings mit zwei markanten Unterschieden: es gibt hier keine Hütten und die Wiesen reichen bis über 4.000 m Seehöhe hinauf. Gletscher sind erst viel höher anzutreffen, was an der viel stärkeren Sonne liegen mag. An meinem ersten Tag im Himalaya lernte ich sie so richtig kennen – Schwitzkur und Sonnenbrand inklusive. Am zweiten Tag bin ich klugerweise schon im Dunkeln aufgebrochen, um möglichst lange der Sonne auszuweichen. Aber egal was man tut, irgendwann erwischt einen die Sonne doch und der Körper gibt nach. Bald habe ich den Dreh raus: um vier hinaus, um zehn am Gipfel, um elf abfahren. Das garantiert für weite Teile der Abfahrt feinen Firn und im Aufstieg ein Minimum an Sonneneinstrahlung.
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Dass der Curry Powder im Laufe des Tages trügerisch sein kann, bekommt Ravi bei unserer letzten Abfahrt zu spüren. Sein Snowboard „säuft ab“ und bleibt an einer sulzigen Stelle stecken. Dabei überschlägt er sich mehrmals, verrenkt sich den Knöchel und kann nicht mehr abfahren. Später im Krankenhaus heißt die Diagnose: Bruch im Wadenbein. Wir haben Glück, die Heli-Ski-Saison im Tal ist noch nicht vorbei, Kalip kann den Hubschrauber organisieren und Ravi verkürzt seine Abfahrt um 1.500 Höhenmeter. Vier Stunden später sitzen wir wieder alle gemeinsam am Tisch in Manali und feiern Geburtstag: Ravi wird 41.
Exotisches Skitourenziel
Wer etwas Exotik im Skitourenurlaub sucht, der sollte den indischen Himalaya auf seine Wunschliste setzen. Neben hervorragendem indischen Essen und sehr gastfreundlichen Menschen sind es die einsamen, wilden und hohen Berge, die das Herz höherschlagen lassen. Ein wenig Abenteuergeist muss man natürlich mitbringen, denn Lawineninfo, Bergrettung oder gar topografisches Material wird man hier kaum finden. Wer nicht völlig selbständig auf Entdeckungstour gehen möchte, dem empfehle ich einen einheimischen Guide – etwa einen der Jungs aus der Manali-Gang: sie sind keine international anerkannten Bergführer (nach UIAGM), aber fundierte Kenner der Schnee-Berge des Himalayas. Und der Spaß kommt mit ihnen garantiert nicht zu kurz.
Infos und Adressen: Skitouren im Kullu Valley, Himachal Pradesh, Indien
Beste Skitourenzeit: März
Anreise: von Delhi mit Fernbussen nach Himachal Pradesh oder per Flugzeug nach Kashmir bzw. Ladakh.
Skitouren-Anbieter: Touren können über lokale Agenturen organisiert werden. Am besten schon im Vorfeld der Reise, z.B. über www.diy-expeditions.com.
Visa: Staatsbürger aus Österreich, Deutschland und der Schweiz können online E-Visa für Indien beantragen.
Unterkünfte: In den Tälern wie Kullu Valley gibt es zahlreiche und günstige Restaurants und Schnellküchen. Selber kochen erübrigt sich somit.
Kommunikation: Englisch wird so gut wie überall verstanden, auch wenn die Locals es selber nicht perfekt sprechen. Das Mobilfunknetz ist gut ausgebaut, WLAN häufig verfügbar, wenn auch nicht verlässlich.