Weitwandern auf den Kanaren
Foto: Matthias Kodym
Weitwanderer Matthias Kodym aus Niederösterreich ist dem Winter entflohen und hat sich zu einer besonderen Wanderung quer über sieben Kanarische Inseln aufgemacht. Von Lanzarote nach La Palma - entlang des GR-131 ging es durch Star-Wars-taugliche Vulkan-Landschaften, Kiefernwälder mit schwarzem Sand und zum Pico del Teide, den höchsten Berg Spaniens.
Das neue Jahr ist erst wenige Tage alt. Meine Sommerpläne sind bisher nicht so recht vorangekommen. Ich vertreibe mir die Zeit in bewährter Weise: Eine Skitour da, ein winterlicher Lauf dort – alles gut.
Doch ich kann einen gewissen Lagerkoller nicht leugnen. In meinem Kopf hat sich die Idee einer Weitwanderung festgesetzt, auf der man die kurzen Wintertage zurücklassen kann. Ich spüre die Sehnsucht nach einem langen Trail, der sich durch steinige Landschaften schlängelt, nach Übernachtungen unter freiem Himmel.
Auf den Kanarischen Inseln sollte all das zu finden sein. Doch ich will nicht einfach auf eine Insel fliegen und sie abwandern. Ich habe etwas Größeres im Sinn. Wie wäre es, wenn ich die sieben überschaubaren Inseln der Hauptgruppe der Kanaren zusammenhänge? Gibt es auf jeder Insel Wanderwege? Wie lassen sie sich miteinander verbinden? Der GR-131, der westlichste Teil des europäischen Fernwanderweges E7, verläuft tatsächlich durch sämtliche Inseln. In den nächsten Tagen tauche ich ins Studium verschiedenster Berichte, Guides und Karten ab.
Der Trail ruft und ich folge
Wien, -4°C, 05:00 Uhr morgens. Ich betrete mit meinem Rucksack, der die zulässigen Handgepäcksmaße nicht überschreitet, den Flughafen. Wenn die Anreise planmäßig klappt, werde ich heute noch auf Lanzarote, der nordöstlichsten der Kanarischen Inseln, meine Wanderung beginnen. Ein seltsamer Gedanke, doch tatsächlich stehe ich acht Stunden später in Orzola, im Norden von Lanzarote.
Nach einem ersten Orientieren verlasse ich die Stadt in südliche Richtung. Zunächst geht es über Asphalt, später über einen schön angelegten, im Vulkansand verlaufenden Singletrail. Ich bin erstaunt über die gute Markierung – auf Lanzarote ist beinahe jeder Kilometer mit einem Pfosten im Boden gekennzeichnet. Ein Wegweiser zeigt, dass es noch 70 Kilometer nach Playa Blanca, den Endpunkt des Weges im Süden der Insel, sind. Es ist bereits nach 16 Uhr und ich werde noch etwa zweieinhalb Stunden Tageslicht zur Verfügung haben. Ich setze mir zum Ziel, es noch knapp bis vor die Ortschaft Haria zu schaffen. Die vom Wind schnell am Himmel vorbeigetriebene Wolkendecke und die bereits nieder stehende Sonne tauchen die ohnehin schon ungewöhnliche, von Vulkangestein geprägte Landschaft in ein kontrastreiches und warmes Licht.
Kurz vor Haria errichte ich auf einer Landschaftsterrasse mein erstes Camp. Der Platz ist von großen Sträuchern überwachsen und bietet somit ein wenig Schutz vor dem mittlerweile starken Wind. Mit dem vom Wind aus der nahen Ortschaft herbeigetragenen Bellen der Hunde schlafe ich ein. Es war ein guter erster Tag.
Gehen. Essen. Staunen.
Bereits am zweiten Tag fühle ich mich angekommen. Ein Rhythmus aus Gehen, Essen, Orientieren und die Landschaft beobachten stellt sich ein. Meine Freude und Neugierde an dieser Tour wächst mit jedem Schritt. Nach einer weiteren Nacht auf einem Lavafeld, fünf Kilometer vom Hafen entfernt, erreiche ich die Fähre die mich nach Fuerteventura bringt.
Das Übersetzen von Hafen zu Hafen per Autofähre ist für Wanderer vollkommen unkompliziert. Zu meinem Erstaunen brauche ich nicht einmal eine Reservierung dafür. Die Zeit auf den Schiffen verbringe ich meist mit Essen, Schlafen und nebenbei dem Aufladen meiner Elektrogeräte. Auch etwas Vorausplanung steht an.
Auf Fuerteventura fühle ich mich wie jemand, der nach der Apokalypse auf Erkundungstour geht. Stark erodierte Vulkane und karge steinige Landschaften soweit das Auge reicht. Ich warte nur darauf, dass mir – wie in Star Wars – ein Droide übern Weg rollt. Ab und zu sorgt ein vertrocknetes Bachbett für Abwechslung, oder ein allein auf weiter Flur stehendes Haus, an dem nur die Hunde darauf aufmerksam machen, dass es bewohnt ist. Ich habe die Route aber auch so geplant, dass regelmäßig Ortschaften am Horizont auftauchen – auf diese Weise kann ich meine Wasservorräte auffüllen.
Eine Landschaft wie aus Star Wars
Die Nächte verbringe ich in halb offenen Steinhüttchen. In manchen ist ein Tisch vorhanden, in anderen nicht. Meine Matte und meinen Biwaksack kann ich nur auf dem staubigen Boden ausrollen, doch ich bin hier einigermaßen vor dem Wind geschützt.
Eines Abends, es ist bereits dunkel und ich auf den letzten Kilometern des Tages, passiere ich ein Grundstück, das für mich unbewohnt aussieht. Ein halb verfallenes Haus, kein Licht. Plötzlich erkenne ich im dunklen einen Hund, der nicht angeleint ist und jetzt bellend auf mich zukommt, gefolgt von einem Pfiff. Ich nehme meine Beine in die Hand und mache mich wortlos wieder in die Nacht auf. Zeit für die nächste Insel.
Ins Hinterland von Gran Canaria
Gran Canaria ist für seine unzähligen Strände und Hotelburgen bekannt. Zurecht, doch jenseits davon beginnt ein Hinterland das landschaftlich einiges zu bieten hat. Die unterschiedlichen Vegetations- und Klimazonen auf der kleinen Insel sind wirklich einzigartig. Ich beginne meine Tour oberhalb von Maspalomas im trockenen und sonnenreichen Süden der Insel. Der Weg führt mich zunächst durch steile Schluchten (Barrancos), später, in den höheren Lagen, durch wunderschöne Kiefernwälder, deren Nadeln einen starken Kontrast zum schwarzen Sandboden und unwirklich blauen Himmel bilden. In der Mitte der Insel treffe ich auf ein beliebtes Ausflugsziel, das auch über die Straße im Südosten gut erreichbar ist: mächtig ragt hier der Felsmonolith Roque Nublo in den Himmel.
Der Nordwesten der Kanareninsel wiederum überrascht mich mit seinem satten Grün. An einigen Stellen fühle ich mich sogar an die Flora und Fauna Neuseelands erinnert. Im Hafen von Agaete findet meine Gran Canaria-Überquerung ihr Ende. Ich bin guter Dinge, denn auf Teneriffa sollte es landschaftlich nicht minder lohnend weitergehen.
Teneriffa: Am Fuße des Pico del Teide
Meine Wanderung startet im Norden in La Esperanza, oberhalb der Hauptstadt Santa Cruz de Tenerife. Ich versorge mich in einem Supermarkt mit Lebensmittel für zwei Tage und fülle meine Wasservorräte auf. Gleich hinter dem Hauptplatz beginnt bereits der Weg, der mich durch eine mit subtropischem Lorbeerwald bewachsene Schlucht führt. Mit zunehmender Höhe wechselt die Vegetationszone und die Kanarische Pinie wird zum willkommenen Schattenspender. Immer wieder ergibt sich ein Blick auf den Pico del Teide (3.718 m), den höchsten Berg Spaniens und höchten nicht-aktiven Vulkan Europas, und auf die Nebeldecke die im Winter die Nordwestküste bedeckt.
Bei El Portillo erreiche ich den Teide-Nationalpark, eine wüstenartige Hochebene, die durch die Präsenz des Berges, den Lavagürtel und unterschiedlichsten Gesteinsformationen in Europa absolut einzigartig ist. Nach einem langen Tag durch den Nationalpark genieße ich im beginnenden Pinienwald, oberhalb der Nebelgrenze, einen tollen Sonnenuntergang der die umliegende Landschaft in goldenes Licht taucht. Am nächsten Tag steige ich weiter nach Arona ab und erreiche den südlichen Endpunkt meiner Teneriffa Überquerung.
Stürmischer Empfang auf La Gomera
Während der Überfahrt nach La Gomera ist leider ein starker Wetterumschwung zu erkennen, der – wie der hohe Seegang vermuten lässt – starken Wind über das Meer und die kleine Insel treibt. Am Festland angekommen, ist der Wind in den höheren Lagen so stark, dass ich mich an den ausgesetzten Stellen mit aller Kraft in den Sturm lehnen muss, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Zum Glück schlängelt sich der Weg aber auch durch einige Lorbeerwälder und Schluchten, sodass wenigstens zeitweise etwas Erholung vom Wind und der durch den Nebel verursachten Kälte gegeben ist.
Trotz des späten Einstiegs in die Wanderung, schaffe ich noch mehr als die Hälfte des in Summe nur 38 KIlometer langen Weges auf La Gomera, sodass mir für den folgenden Tag nur noch wenige Stunden nach Vallehermoso fehlen. Leider hat sich ein gewaltiges Tief über die Kanaren gelegt – auf Fuerteventura soll es sogar Schneefall geben, der Teide-Nationalpark ist wegen Schnee und Glatteis gesperrt und auch auf La Palma sieht es nicht besser aus. Diese Umstände erleichtern mir die Entscheidung, die aufwändige Anreise auf die nur über Teneriffa erreichbare Insel El Hierro nicht anzutreten. Stattdessen entschließe ich mich, gleich nach La Palma aufzubrechen und hoffe auf eine Besserung des Wetters in den nächsten Tagen.
Auf die Vulkanroute
Die Fähre nach La Palma (die „isla bonita“) hat auf Grund des Sturms Verspätung. Bei der Ankunft schüttet es wie aus Kübeln und ich bin froh, bereits ein Zimmer reserviert zu haben. Im Süden der Insel soll das Wetter allerdings besser sein und so entscheide ich mich, die Wanderung auf der Vulkanroute, die vom Meer bis auf 2.500 Meter ansteigt, in Angriff zu nehmen. Anfangs vielversprechend warm, mit blauem Himmel und Sonnenschein. Doch je höher ich im Laufe des Tages steige, desto bedrohlicher gestalten sich die Wolkenformationen am Himmel. Starker Wind wirbelt die am Boden liegenden Nadeln der Bäume und den Sand auf. Nach gut 40 Kilometern komme ich an eine Abzweigung, die geradlinig über einen Bergrücken hinunter nach Santa Cruz führt. Bei einsetzendem Regen entscheide ich mich für diese Option und folge so schnell wie möglich über den ohnehin schon sehr rutschigen Nadelboden dem steilen Pfad.
Ich hoffe, dass der Pfad durch keine Schlucht führt, denn das könnte durch Sturzfluten zu einer lebensgefährlichen Falle werden. Meine Pläne, am nächsten Tag wieder hochzusteigen und die Tour nach Tazacorte fortzuführen, muss ich leider verwerfen.
Sechs von sieben
Nach insgesamt 16 Tagen, in denen ich zumindest sechs von sieben Inseln zum Großteil durchqueren konnte, steht eines für mich fest: Die Kanarischen Inseln sind ein absolut lohnendes Wanderziel im europäischen Winter. Und ein hervorragender Ort, um sich auf längere Touren im Sommer vorzubereiten.
Infos und Adressen: Wandern auf den Kanarischen Inseln
Länge des GR-131: Der GR-131 ist der westlichste Teil des europäischen Fernwanderweges E7. Er ist auf 6 der 7 Hauptinseln ausgeschildert, auf Gran Canaria muss man die Wanderwege selbst verbinden.
- Lanzarote 70 km
- Fuerteventura 160 km
- Gran Canaria 100 km
- Tenerife 85 km
- La Gomera 38 km
- El Hierro 33 km
- La Palma 80 km
Wandersaison: Ein Wanderurlaub bietet sich am besten von Oktober bis April an. Im Sommer ist es zum Wandern normalerweise zu heiß.
Anreise: Bis auf El Hierro haben alle Inseln Internationale Flughäfen. Alle Inseln verfügen über ein dichtes öffentliches Busnetz. Mietwägen sind ebenfalls auf allen Inseln erhältlich. Zwischen den Inseln reist man am besten per Fähre oder Inlandsflug.
Unterkünfte: Hier ist Vorausplanung anzuraten, viele Ortschaften und Städte sind klein und haben wenig Kapazität.
Versorgung: Während der Wanderung kann man sich gut in örtlichen Supermärkten und Restaurants mit Nahrung und Wasser versorgen.
Markierungen: Die von mir begangenen Wege waren alle sehr gut markiert. Kanaren-Wanderführer gibt es z.B. von Cicerone Guides.
Wandertouren: Buch-Tipp - Botanische Wanderungen auf den Kanarischen Inseln.
Ausrüstungstipps: Meine persönliche Packliste findet ihr unter www.matthiaskodym.com
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