Zwischen Riesen und Trollen – Wandern auf den Färöer Inseln
Foto: OUT OF OFFICE/ www.oooyeah.de
Ohne wetterfeste Kleidung geht gar nichts auf den Färöern. Zur Orientierung muss schon mal ein Steinhaufen ausreichen und der Rucksack als Schutz vor angriffslustigen Möwen herhalten. Katharina und Henryk vom Reiseblog Out of Office haben die einsame Inselgruppe im Nordatlantik erwandert.
Infos und Adressen
Anreise: Atlantic Airways und SAS fliegen täglich, z.B. von Kopenhagen, Oslo oder Reykjavik auf die Inseln. Spektakulärer, aber auch länger, ist die Anreise mit der Fähre Smyril Line von Island oder Dänemark aus.
Beste Reisezeit: Dank des Golfstroms herrscht auf den Färöer Inseln ganzjährig ein konstantes und vergleichsweise mildes Klima. Selbst im Winter fallen die Temperaturen selten unter 0 Grad – allerdings sind die Sommermonate mit durchschnittlich 12 bis 15 Grad eher kühl. Dazu kommt es ganzjährig zu ergiebigen Niederschlägen und schnellen Wetterumschwüngen. Regnet es in der Hauptstadt Tórshavn, kann auf den Inseln im Norden die Sonne scheinen – und umgekehrt.
Unterwegs: Es gibt zwar Busverbindungen zwischen den größeren Städten, jedoch ist man deutlich unabhängiger mit dem Mietwagen unterwegs (z.B. über 62°N). Bei Anreise mit der Fähre ist es auch möglich den eigenen Camper, Wagen oder das eigene Motorrad mitzunehmen.
Unterkünfte: In der Haupstadt Tórshavn gibt es Hotels jeder Preisklasse. In den übrigen Landesteilen muss man vermehrt auf Gästehäuser, B&Bs und private Gästezimmer zurückgreifen. Zudem gibt es 21 offizielle Campingplätze. Wildes Camping ist verboten.
Gut zu wissen:
Kommunikation: Die meisten Färinger sprechen und verstehen Englisch, in größeren Städten gibt es WLAN und ein verlässliches Mobilfunknetz. Unterwegs auf Wanderungen, jenseits der besiedelten Gebiete, herrscht jedoch häufig Funkstille.
Preise: Das Preisniveau auf den Färöer Inseln liegt deutlich niedriger als beispielsweise in Norwegen oder Island und ist mit dem in Deutschland vergleichbar. Lediglich Alkohol ist wie in fast allen skandinavischen Ländern durch die hohe Besteuerung deutlich teurer.
Mehr Infos: Visit Faroe Islands
Orientierung auf der Straße
Es gibt viel, was es nicht gibt auf den Färöer Inseln, Europas einsamem Außenposten im Nordatlantik. Bäume, zum Beispiel. Es ist hier schlichtweg zu kalt und zu windig für eine üppige Flora. Glaubt man dem Navi im Mietwagen, gibt es nicht einmal die Inselgruppe selbst – es findet sie einfach nicht. Wir setzen also auf die altbewährte, analoge Straßenkarte, um über die fünf größten der insgesamt 18 Inseln zu navigieren, die durch eine Vielzahl abenteuerlicher Brücken und noch abenteuerlicherer Tunneln miteinander verbunden sind.
Wander-Empfehlung: Entlang der Lagune von Saksun
Eine der schönsten Wanderungen startet in Saksun, im Norden der Hauptinsel Streymoy. Der winzige Ort am Ende eines ausgedehnten Tals liegt an einer Lagune und ist von einem feinen, langegezogenen Sandstrand umrahmt. Bei Ebbe kann man die gesamte Küstenlinie rund um Saksun entlang spazieren. Dafür sollte man allerdings unbedingt die Gezeitentabelle beachten, die am Ortseingang ausgehängt wird. Wir wollen ohnehin nicht an den Strand, sondern hinauf in die Berge. Eine schöne vier- bis fünfstündige gemäßigte Wanderung von rund sechs Kilometern Länge und knapp 600 Höhenmetern führt über ein Hochplateau bis ins benachbarte Tjørnuvík.
Wir lassen den Wagen am Parkplatz des alten Bauernhofs stehen, der zu einem Museum umgebaut wurde und wandern querfeldein über die Wiesen los, bis wir nach rund 300 Metern einen Wasserfall passieren. Es gibt keinen ausgewiesenen Pfad – am Horizont, in rund einem Kilometer Entfernung, erkennen wir jedoch auf dem Hügelkamm einen Wall aus Steinen. Dieser Wall dient als Orientierung. Wir kämpfen uns weiter hinauf durch das unbefestigte Gelände. Festes Schuhwerk und wetterfeste Kleidung sind ein Muss auf den Färöern. Immer wieder frischt der Wind auf. Es regnet und wir müssen Acht geben, auf dem feuchten Untergrund nicht auszurutschen. Doch mit jedem Meter, den wir an Höhe gewinnen, wird der Blick über die Lagune von Saksun spektakulärer.
Attacke aus der Luft
Schließlich erreichen wir den Steinwall und vor uns eröffnet sich die gewaltige Hochebene. Endlich wird auch ein Weg erkennbar. Wir werfen einen letzten Blick zurück auf Saksun. Inzwischen hat die Flut eingesetzt. Meter für Meter verschwindet der Strand und der tobende Atlantik verwandelt die friedliche Lagune in einen wilden Küstenstreifen.
Der Weg führt uns nun in östlicher Richtung über das Plateau mit seinem moorig-feuchten Untergrund. Hunderte Seevögel nisten hier, entsprechend vorsichtig bewegen wir uns fort, um die Tiere nicht zu stören. Plötzlich werden wir auf ein Vogelweibchen aufmerksam, das weniger als einen Meter neben uns im Gras sitzt. Henryk vermutet, dass es sich verletzt stellt, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, weg von ihren Jungen. Feinde? Wir doch nicht, denke ich mir. In diesem Moment rauscht etwas über meinen Kopf hinweg. Ich schrecke zusammen und starre in den Himmel. Senkrecht über mir kreist eine große Raubmöwe. Und sie setzt bereits zu einer neuen Attacke an. Wir sind dem Nest zu nahegekommen, Vater Vogel verteidigt seine Brut. Geistesgegenwärtig nehme ich meinen Rucksack ab und halte ihn zum Schutz über meinen Kopf. Vögel greifen meist den höchsten Punkt an. Henryk muss lachen, als ich voller Panik vor dem Möwenpaar Reißaus nehme. Wieso bin ich eigentlich der Feind und nicht Henryk?
Sehr vorsichtig bahnen wir uns nun den Weg über die nicht enden wollende Hochebene – bloß nicht noch weitere Nester in Unruhe versetzen. Tatsächlich sind die Brutplätze eine nicht zu unterschätzende Herausforderung bei Wanderungen auf den Färöer Inseln, wie wir in den folgenden Tagen noch mehrfach beobachten werden – man sollte also stets mit entsprechender Vorsicht unterwegs sein, um die Tiere in ihrem empfindlichen Ökosystem nicht zu stören.
Schließlich erreichen wir einen Flusslauf, der Gellingará windet sich von hier oben bis hinunter ins Tal. Tjørnuvíksskarð nennt sich das Gebiet, es bildet den höchsten Punkt auf unserer Tour. Bei guter Sicht hat man einen tollen Ausblick auf die Bucht von Tjørnuvík und die vorgelagerte Insel Eysturoy mit den beiden höchsten der insgesamt 340 Gipfeln der Inselgruppe: Slættaratindur (880 Meter) und Gráfelli (856 Meter). Wir haben leider kein Glück und stecken in einer weißen Wolkenwand fest.
Steinformationen wie Riesen und Trolle
Von nun an geht es nur noch bergab. Am Strand von Tjørnuvík angekommen blicken wir erschöpft und glücklich auf Risin und Kellingin, zwei Basaltfelsen die kerzengrade aus dem Meer ragen.
Um fast jeden Ort auf den Färöer Inseln ranken sich Sagen und Legenden – die Geschichte hinter der ungewöhnlichen Felsformation vor uns ist wie so häufig eine tragische: Island, der große Bruder im Nordatlantik, beauftragte einen Riesen und sein Trollweib die einsam im Meer schwimmenden Färöer Inseln zu sich herüber zu ziehen. Doch die beiden mussten feststellen, dass dies leichter gesagt als getan war. So sehr sie auch zerrten und zogen, sie schafften es einfach nicht. In dem Augenblick, als sie sich unverrichteter Dinge auf den Rückweg begeben wollten, ging bereits die Sonne auf und beide wurden augenblicklich zu Stein. Noch heute stehen sie in der Bucht und betrachten sehnsüchtig ihre Heimat Island, ohne sie jemals wieder erreichen zu können.
Herausforderung am Rückweg
Eine letzte Herausforderung steht uns noch bevor. Die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs ist wenig ausgebaut auf den Färöer Inseln. Um mit dem Bus von Tjørnuvík wieder in Richtung Saksun und damit zu unserem Auto zu gelangen, müssten wir nun lange warten. Schneller und effizienter ist es daher, nach einer Mitfahrgelegenheit zu fragen. Wir haben Glück und finden zwei junge Färinger, die uns zurück zum Ausgangsort unserer Tour mitnehmen. Auch diese Erfahrung gehört zu einer Reise auf die womöglich schönsten Inseln der Welt: Neben garstigen Seevögeln und jeder Menge Riesen, Trollen und anderen Sagengestalten begegnen uns vor allem unzählige gastfreundliche und hilfsbereite Menschen. Man ist hier eine echte Gemeinschaft und gibt aufeinander Acht. Ein schönes Gefühl.
Wander-Empfehlung: Um den größten Binnensee Vatnid
Ein See, zwei Namen: Sørvágsvatn oder Leitisvatn – welcher der korrekte ist hängt davon ab, wen man fragt und wo man sich auf der Insel befindet. Am westlichen Ufer nennen sie ihn Sørvágsvatn, am östlichen Leitisvatn. Oder auch einfach kurz: Vatnid. In jedem Fall ist der größte Binnensee der Färöer ein verzauberter Ort. Man wandert durch das moorige Torfgebiet der „verborgenen Menschen“. Einer Legende nach wurde einst ein Priester gebeten, das Gebiet der Huldufolk zu besuchen – als er den Ort wieder verließ versiegelte der Priester ihn mit einem Fluch. Bis heute hört man angeblich noch das Heulen und Klagen des verlorenen Volks. Der Vatnid grenzt direkt an die Steilküste der Insel Vágar, tausende Liter Süßwasser stürzen hunderte Meter aus dem See direkt in die tobende Gischt des Atlantiks. Ein unvergesslicher Anblick.
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