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Mehr als Meer: Wandern und Klettern auf Kreta

Reise

6 Min.

21.09.2021

Foto: Peter Neusser

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Auf Kreta kann man nicht nur bis in den Oktober hinein Badeurlaub machen – der Herbst bringt auch feine Tage zum Wandern und Klettern mit sich. Gero Günther hat die größte griechische Insel erkundet.

Text: Gero Günther, Fotos: Peter Neusser

Was für eine Wand! Senkrecht wie eine Mauer steht sie an der Bucht von Plakias. Ich streiche mit der Hand über den glatten Fels und lege den Kopf in den Nacken. Es gibt kaum Griffe, nur ein paar schmale Risse und millimeterbreite Vorsprünge. An die 50 Meter hoch und 200 Meter breit ist die Kalksteinklippe im Südwesten Kretas. Ein Paradies für ambitionierte Kletterer und Kletterinnen.

„Die meisten Routen hier sind mir zu schwer“, sagt Yorgos Georgoulakis und fügt hinzu: „Ich bin ja eigentlich noch Anfänger.“ Zusammen mit seiner Freundin Eva Symeonoglou versucht sich der drahtige 60-jährige an einer der wenigen einfacheren Routen der Wand. „Es ist ein wunderbarer Ort zum Klettern“, sagt Eva und pustet sich eine schwarze Locke aus dem Gesicht. „Wenn du ins Schwitzen gerätst, kannst du dich jederzeit abkühlen“. Der Strand ist nur einen Steinwurf entfernt.

Yorgos und Eva wohnen in Asomatos, einem Dorf ganz in der Nähe. Das Klettern haben die beiden erst vor einigen Jahren für sich entdeckt. „Dieser Sport kommt jetzt auch in Kreta immer mehr in Mode“, sagt Yorgos, „vor allem bei den Jungen“. Die Bedingungen auf der Insel sind ideal für Outdoor-Sportarten. Man kann auf der südlichsten der großen Mittelmeerinseln auch in Monaten klettern, in denen es anderswo viel zu kalt dafür ist.

Die beiden Einheimischen sind normalerweise eher für die Langstrecke zuständig. Sie arbeiten als Trekking-Guides. Und auch ich bin eigentlich zum Wandern auf Kreta und will in den kommenden Tagen der Küste entlang nach Westen marschieren. Yorgos gibt mir ein paar Tipps mit auf den Weg. „Am Schluss solltest du unbedingt den Melindaou besteigen“, sagt er. „Solche Gipfel hast du in den Alpen noch nie gesehen.“

Karg und zerklüftet ist die Region, in der ich unterwegs bin. Ganz Kreta ist ein majestätischer Steinhaufen, der hie und da von Kiefern, Zypressen und Eichen etwas abgepolstert wird. Große Flächen sind von einem Dreitagebart aus dornigen Gewächsen bedeckt, andere liegen ganz nackt da.


Steile Wände

Ich genieße die schattigen Passagen in den lichten Nadelwäldern. Selbst im Oktober klettern die Temperaturen am Nachmittag auf weit über 30 Grad. „Wenn der Wind aus Libyen herüberweht“, hatte Yorgos gesagt, „kann es sogar im Herbst noch extrem heiß werden“.

Besonders hier an der Steilküste zwischen Chora Sfakion und Loutro. Ein Großteil der Strecke führt über blanken Fels. In steilen Stufen ragt der Kalkstein in den tiefblauen Himmel. Auf und ab verläuft der Pfad. Mal glitzert das Meer tief unter mir, dann schwappt es fast neben meinen Schuhen. Den richtigen Rhythmus zwischen Wandern und Schwimmen zu finden, gehört zu den größten Herausforderungen einer Kreta-Reise. Am Sweet Water Beach halte ich es nicht mehr aus und gleite ins türkisblaue Wasser. Das Meer hat auch im Herbst noch 25 Grad und ist heute fast glatt. Ich schwimme so weit hinaus, dass ich die Kuppen der Lefka Ori, der Weißen Berge, über den Klippen erspähen kann.

Am Abend lasse ich mich mit dem Dampfer an meinen Ausgangspunkt zurückschippern, um am nächsten Tag eine Variante der Etappe nochmal zu gehen. Diesmal vollführe ich einen kräftigen Schlenker durch das Hinterland. Die 700 Höhenmeter über den Berg lohnen sich schon des Ausblicks wegen. Vom Gipfel aus blickt man auf die Bucht von Loutro, die sich wie ein blaues Samttuch unter mir ausbreitet. Zwei dänische Vogelforscher haben sich hier oben postiert und lassen mich durch ihr Fernrohr blicken. Die beiden strahlen. „Heute ist unser Glückstag“, sagt Birte Pedersen. Sie und ihr Mann haben in den vergangen Stunden nicht nur Bartgeier und Seeadler gesichtet, sondern auch einen überaus seltenen Eleonorenfalken.

Der Wandertag endet ein paar Stunden später mit einem ausgiebigen Bad im winzigen Küstenkaff Loutro. Es gibt keine Autos hier, dafür umso mehr Tavernen. Den Hunger stille ich mit Klassikern der griechischen Küche: Tarama aus Fischrogen, gefüllte Weinblätter, Tsatsiki und gegrillter Krake. Gefolgt vom obligatorischen Gratis-Schnaps, den man hier nach jedem Mahl gereicht bekommt.


Weiße Berge

Gewaltige Felsspalten sind eine kretische Spezialität. Mehr als zwanzig große Schluchten gibt es auf Insel. Viele von ihnen dienten als Versteck vor den Besatzern, die Kreta jahrhundertelang heimsuchten. Widerstandskämpfer schliefen hier in Grotten, Männer, die vor der Blutrache fliehen mussten und Banditen, die sich aus den Herden ihrer Rivalen bedienten.

Durch die Aradena- Schlucht bewegt man sich im ausgetrockneten Flussbett und auf gemauerten Muliwegen. Mal zwänge ich mich zwischen Oleanderbüschen hindurch, mal klettere ich Leitern hinunter, die an haushohen Felsen lehnen. Das besondere an Kretas Schluchten ist, dass sie sich zum Meer hin öffnen, und so purzele auch ich am Ende ins Wasser und schwimme durch blau und grün schimmernde Grotten, die die Wellen aus dem Kalk gewaschen haben.

Zwei Tage später steht der tiefste und gewaltigste der kretischen Canyons auf dem Programm. Leider ist die Samaria Schlucht ziemlich überlaufen. Wer den vielen Menschen entgehen will, marschiert ihnen von der Küste aus entgegen und trifft erst mittags auf den Gegenverkehr. Hier am Nadelöhr sehe ich zum ersten Mal sprudelndes Wasser. Alle anderen Bäche der Insel scheinen den Betrieb bereits eingestellt zu haben. Von der Schlucht geht es im Zickzack 1.200 Meter hinauf auf die Omalos-Hochebene, während die Temperaturen um 18 Grad sinken. Als ich Stunden später oben angekommen bin, friert es mich zum ersten Mal seit meiner Ankunft.

Hier nehme ich am nächsten Tag jene Tour in Angriff, die Yorgos empfohlen hat, auf den Melindaou. Über Schotterpisten wandere ich, begleitet von Ziegenherden, in die baumlose Welt der Weißen Berge hinauf. Endlich bin ich in der Mondlandschaft angekommen, die ich tagelang aus der Ferne bewundert habe. Nebel verhüllt die Gipfel, wie Badeschaum fließt er über die Kuppen. Dann reißen die Wolken auf und ich sehe das Meer 2.000 Meter unter mir flimmern.

Auf beiden Seiten des Bergrückens reihen sich die Buchten aneinander. Ganz Kreta scheint mir zu Füßen zu liegen. Yorgos hatte recht. So etwas habe ich noch nie gesehen. Ich setze mich auf einen Stein, hole den Proviant aus dem Rucksack und entdecke ganz unten mein Badetuch. Ich werde es zum ersten Mal, seitdem ich auf der Insel angekommen bin, den ganzen Tag lang nicht brauchen. Glücklich bin ich trotzdem.  


Infos und Adressen: Wandern und Klettern auf Kreta, Griechenland

Ankommen

In den Sommermonaten fliegen Airlines wie Aegean direkt nach Chania. Ansonsten muss in Athen oder Thessaloniki umgestiegen werden.

Essen und Schlafen

Ein Fest für die Sinne
Hier wird mit Herz und frischen Bio-Zutaten gekocht. Bester Beweis: der hervorragende Oktopus-Salat.
Taverna Throubi
Plakias, Rethymno Crete 74060
plakias-throubi.gr

Ein Lächeln für den Weg
Die kleine Bäckerei wird mit freundlichem Gemüt und alter Tradition geführt. Besonders beliebt sind die von Bäcker Yannis gebackenen Sfakianopita – eine griechische Spezialität gefüllt mit Schafskäse. Serviert werden die Pita-Kuchen mit Honig und Raki aus eigener Produktion.
Bäckerei Sfakianos Fournos
Anopoli, Sfakia, Crete 73011

Ein Bett für Kletterer
Plakias ist eine hervorragender Standort sowohl für Kletterer als auch Wanderer. Konstantinos Vardakis führt sein komfortables Hotel mit Fingerspitzengefühl und feinem Gespür für die Bedürfnisse seiner Gäste.
Alianthos Garden Hotel
Plakias, Rethymno Crete 74060
hotelalianthos.com

Ein Rat für Bergsportler
Stelios, der Betreiber dieses freundlichen Hotels am Ausgang der Samaria-Schlucht, ist selbst passionierter Bergsportler und steht mit gutem Rat parat.
Pachnes Bed & Breakfast
Agia Roumeli, Sfakia, Crete 73011
pachnes.gr

Wandern

Rundweg von Chora Sfakion
Der Aufstieg durch die Anopoli-Schlucht ist ein einsames Vergnügen. Man sollte unbedingt den kleinen Abstecher über die Bergkapelle Agia Ekaterini einlegen. Von Loutro aus kann man entlang der Küste an den Ausgangsort zurückwandern oder den Dampfer nehmen und die spektakuläre Wanderung entlang steiler Kalksteinklippen als eigene Tagesetappe absolvieren.

  • Ausgangspunkt: Chora Sfakion
  • Länge: 19 km Dauer: 6,5 h
  • Höhendifferenz: 900 hm

Aradena-Schlucht
Am besten geht man die Tour gegen den Uhrzeigersinn. Also erst über Livaniana und ein kurzes Straßenstück bis in den Geisterort Aradena. Dann durch die wunderschöne Schlucht ans Meer. Handtuch und Badezeug einpacken nicht vergessen: Eine Badepause am Marmara-Strand ist Pflicht!

  • Ausgangspunkt: Loutro
  • Strecke: 16 km Dauer: 6,5 h
  • Höhendifferenz: 750 hm

Melindaou
Über die spektakulär gelegenen Kallergi-Hütte gelangt man auf einer Piste zum eigentlichen Einstiegspunkt in diese Wanderung mitten ins Herz der Weißen Berge. Unbedingt auf die E4-Markierung achten! Über breite Bergkämme gelangt man in südöstlicher Richtung auf den 2.133 Meter hohen Gipfel.

  • Ausgangspunkt: Xyloskalo
  • Strecke: 22 km Dauer: 8 h
  • Höhendifferenz: 1.250 hm

Planen

Der Trekkingspezialist Hauser Exkursionen bietet geführte und selbst geführte Reisen durch den Westen Kretas an. Bei „Individuell wandern: Kreta“ sind Übernachtungen mit Frühstück, Gepäcktransport und Transfers inklusive.
Alle Infos: hauser-exkursionen.de

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