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Winterwanderung in Adelboden

Regionen

5 Min.

05.11.2021

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Winterwanderwege, Sonne satt und lokale Leckereien. Was braucht es mehr zum Abschalten und Auftanken? In Adelboden sind wir fündig geworden. 

Myriam Zumbühl für das Bergweltenmagazin Dezember/Januar 2018/19 aus der Schweiz

Während sich die Skifahrer beim Weltcuprennen am Chuenisbärgli die steilen Pisten hinunterstürzen, machen wir uns auf, den Wellnessgipfel zu erklimmen. Da passt das Berner Tempo nume nid gschprängt" – alles mit der Ruhe – bestens. Wir schalten bereits auf der schönen Panoramafahrt mit dem Postauto, das uns von Frutigen nach Adelboden fährt, einen Gang runter.

Adelboden steht fürs Runterfahren – nicht nur von den steilen Pisten, sondern auch von Körper und Seele. Hier kann gemütlich auf Panoramawegen gewandert und im Schlittelpark als Draufgänger oder Connaisseur auf Kufen ins Tal geglitten werden. Das Dorf hat sich insgeheim zur Wellness- und Genussoase im Berner Oberland gemausert.

Hotels wurden renoviert, Bäckereien von der Jungmannschaft übernommen und viele Speisekarten aufgefrischt. Dabei hat der Ort aber nichts an Dorfcharme eingebüßt. Die Geschäfte haben über Mittag zu, das Postauto fährt nur zweimal die Stunde ins Tal und gibt den Takt für die Entschleunigung im Berner Oberland vor.


Wandern und schlemmen

Wo die Pisten und Loipen enden, beginnt hier oben das Schneeschuhparadies. Stundenlang kann entlang von zugefrorenen Bergseen, schneebedeckten Heuschobern und eingeschneiten Wäldern gewandert und damit die alpine Welt ganz neu erfahren werden. Wer es locker nimmt, wandert entlang des romantischen Engstligenbachs. Vorzugsweise am frühen Morgen, dann funkelt die Sonne im knirschenden Schnee, und die Eiskletterer hängen sich mutig an den verschneiten Wasserfall.

An vielseitigen Winterwanderwegen in der Region mangelt es nicht. Der Blick über Adelboden ist nirgends schöner als auf dem Hörnliweg. In eineinhalb Stunden geht es bei aufsteigender Sonne direkt vom Dorfkern sportlich-gemütlich auf den Berg. Die vielen Ruhebänke wurden nicht vergebens aufgestellt, denn das fantastische Bergpanorama will ausgiebig betrachtet werden. Der Niesen steht in aller Pracht zwischen hellblauem Himmel und Ewigkeit vor uns, als wäre er ein Gemälde von Ferdinand Hodler.

Es stimmt uns glückselig und ruhig. Und so schreiten wir in friedlicher Stille weiter in einem Bogen, der wieder zurück auf den Dorfplatz führt. 

Eine Wanderung zum Stiegelschwand verbindet das Beste der Region: meditatives Naturerlebnis und feines Essen. Nahrung für Körper und Geist sozusagen. Dass im Restaurant Schermtanne unverschämt feine Cordons bleus und Rösti serviert werden, erzählt man sich bis weit hinab ins Unterland. Hüftgold, das man sich aber erst noch abverdienen muss.

Also stampfen wir zackig los, erst durchs Dorf, rein in den Stiegelschwand und runter zum Allenbach, wo sich vor uns ein Zauberwald auftut, in dem Eichhörnchen rumspringen und hie und da ein Fuchs zwischen den Baumstämmen hervorlugt. Zwar sind die Wanderwege hier markiert, aber nicht speziell präpariert.

Deshalb gehören warme Schuhe mit Spikes oder zumindest einem guten Profil zum Outfit. Die Gemeinde hat kleine Holzhäuschen und Picknickplätze eingerichtet, die auch im Winter zum Rasten einladen. Auf den verschlungenen Waldwegen wähnt man sich in der Kulisse eines Wintermärchens.

 

Sogar ein Pferd kommt aus dem Wald angetrabt. Statt eines Prinzensitzt auf dessen Rücken aber ein kerniger Bauer, der den verdutzten Wandersleuten ein herzhaftes Grüessech" zuruft. Beim Stiegelbach nehmen wir die scharfe Abzweigung und den steilen Hang zur Stiegelschwandstraße und direkt an den Tisch bei Ernst und Michi Künzi, die die Schermtanne in dritter Generation führen – und uns mit ihrer Älplerrösti, feinem Hobelkäse und Fondue mit Speck einen kleinen Vorgeschmack geben, was essenstechnisch im Ort zu erwarten ist. 


Kulinarischen Herzklopfen

Als beste Adresse für Gourmets gilt seit 1901 das Parkhotel Bellevue. Doch bevor es zum Festmahl geht, rufen die müden Beine nach einer Massage. Auch im Wellnessbereich wird auf lokale Erzeugnisse gesetzt. Spa-Leiterin Gaby Zumbach führt alle Mitarbeiter in die Naturheilkunde ein und lässt sie die Alpenkräuter selber auf den saftigen Bergwiesen rund um Adelboden sammeln. Die sorgsam getrockneten Heilpflanzen werden gehütet wie ein kostbarer Schatz.

Und so duftet es bei der Kräuterstempelmassage auch nach wildem Thymian, Rosmarin, Veilchen und Kamille. Die kleine Blessuren von der Schlittelfahrt sind Gaby Zumbach bei der Massage nicht entgangen, und zur Verabschiedung schmiert sie das Bein mit etwas wärmender Murmeltiersalbe ein. Ich habe die Wehwehchen meiner Kinder damit auskuriert", sagt sie mit einem Augenzwinkern. Bis heute sind alle kerngesund!"

Bei Tisch sind die Schmerzen sowieso längst verflogen. Chefkoch Jürgen Willing serviert einen leichten Fünfgänger, der mit Hüttenkäse-Radieschen-Sauerteigbrot als Amuse-Bouche beginnt, mit Kokos-Chili-Süppchen weiterfährt und mit Basilikum-Gnocchi und zartem Adelbodner Rind auftrumpft. So geht Gourmetküche ohne Firlefanz.

Vor dem Salat- und Brotbuffet setzt das Herz kurz einen Schlag aus. Wir vermuten, dass dabei die Auslagen sämtlicher Bäckereien im Dorf geplündert wurden – dermaßen großzügig ist hier alles präsentiert. Anstelle der Tischnachbarn beäugen wir die tiefverschneiten Tannen vor den großen Fenstern, die – als wär’s auf Bestellung – zum Finale bei Tisch nochmals eine leichte Bepuderung bekommen. Mit Herz und Leidenschaft schenkt man hier die Aufmerksamkeit den Kleinigkeiten.

Dazu gehört auch der charmante Kellner, der die hoteleigenen Wanderkarten zur Lektüre mitbringt und den Gästen vor dem Kamin ein Kissen aufschüttelt.


Selbst das Brot ist langsam

Früh aufstehen und ein bisschen dranbleiben empfiehlt sich bei aller Gemütlichkeit, denn der Brunch in der Bäckerei Haueter ist beliebt. In die Schale Birchermüesli wollen wir uns am liebsten reinlegen, und an den Cremeschnitten am Buffet können wir uns kaum sattsehen.

Der Gegenstand der Begierde findet sich aber im Brotkorb: das Fitzer Urdinkelbrot. Den Sauerteig dafür lässt Bäcker Gerhard Haueter ganze zwei Tage in der Wanne ruhen, um ihm die Gelegenheit zu geben, Aroma zu entfalten und Feuchtigkeit zu tanken. Slow Bread nennt sich das hier. Es wird zweimal gebacken, entsprechend knusprig ist die Brotkruste, die durchaus an den Namensgeber, den Fitzer Berggipfel mit seinen vielen Felskanten, erinnert.

Das Brot ist wie die Bewohner im Dorf: kräftig und herb – aber zart im Abgang. Eine dünne Schicht Alpbutter oder etwas Alpkäse ist alles, was dieses Brot noch veredeln mag.

Gut, dass das Ladenlokal von Schmid Käse nur einen Katzensprung entfernt liegt. Unter 200 Kandidaten in der Auslage ist der rassige Alpkäse zum langsamen Brot schnell gefunden. Kenner lassen auch vom Raclettekäse nicht die Finger. Er wird hier mit Zutaten wie Safran, Blauschimmel, Curry oder Kürbis veredelt.

Weil süß und salzig wunderbar harmonieren, packen wir noch Nidletäfeli" ein, die wir uns auf der Fahrt zurück in den Alltag auf der Zunge vergehen lassen. Als der Chauffeur den Motor startet und das erste Karamell am Gaumen klebt, wird noch einmal klar: Hier oben fährt man bestens runter. Mit den Ski vom Gipfel. Mit Körper und Geist auf den Genusswanderwegen. Und zum Schluss mit dem Postauto wieder sicher ins Tal. 

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