Zum passenden Bergpartner in 6 Schritten
Foto: Jochen Schievink
von Mury Vo-Papis
Warum eine routinierte Seilschaft an eine gute Ehe erinnert und was man beachten sollte, damit neue Bergpartnerschaften auch halten.
Sie entscheiden über Erfolg oder Misserfolg von Expeditionen, sind Lebensversicherung, Unterhaltung und Haltgeber in einem – ohne den passenden Seilpartner geht am Berg nichts. Doch wenn man den oder die Richtige noch nicht am Karabiner hängen hat – wie findet man zueinander? Wege gibt es viele – von der Zufallsbekanntschaft über die Empfehlung von Freunden bis zur gezielten Suche in Bergsportforen. Damit die Seilpartnerschaft aber stabil bleibt, sollte man diese sechs Tipps von Profi-Alpinistin Lisi Steurer und Paar- und Klettertherapeutin Aletta Bunge beachten.
1. Drum prüfe, wer sich für die Bergtour bindet
Wenn Alpinistin Lisi Steurer in der Wand hängt und ihre langjährige Kletterpartnerin Ines Papert am Seil zupft, weiß sie ganz genau, was Sache ist – ohne Gesten, ohne Worte. „Üben kann man das nicht“, meint Lisi Steurer. Nonverbale Kommunikation sei viel eher das Ergebnis vieler gemeinsamer Touren am Berg. Doch was ist, wenn man relativ neu in der Bergsportszene unterwegs ist oder der treue Bergfreund für die nächste Tour absagt?
„Ich, redseliger Bergfuchs suche Partnerin, jung, dynamisch und unterhaltsam“ – die anonyme Partnersuche auf Bergsport-Partnerportalen kann man schon mal ausprobieren, aber man sollte das Schicksal seines nächsten Aufstiegs nicht gleich ganz dem Zufall überlassen. Ein erstes Blind Date hinauf zum Hausberg oder zur nächsten Kletterwand minimiert das Risiko eines Komplettreinfalls. Fürs erste Kennenlernen empfiehlt sich eine kurze Route mit wenig Aufwand – wenn der Partner oder die Partnerin in spe danach noch immer vielversprechend wirkt, kann man ruhig ein zweites Date wagen.
2. Auf Augenhöhe
Technik und Fähigkeiten müssen zusammenpassen – da sind sich Lisi Steurer und Aletta Bunge einig. Tempo und Schwierigkeitsgrad, Verlässlichkeit und Konzentration beim Sichern, Kraft und Ausdauer – das alles sind wichtige Kriterien, die für die Wahl des richtigen Partners entscheidend sind. Viele davon lassen sich durch gemeinsame Probetouren überprüfen. Einige sollten ganz gezielt getestet werden, damit die nächste Tour nicht zum Reinfall oder gar gefährlich wird. Beim Klettern kann man etwa mit einem Probesturz, den man vorher ankündigt und in Absprunghöhe durchführt, die Routine des Partners überprüfen.
Auf Augenhöhe bedeutet für Aletta Bunge aber noch etwas anderes: Wichtiger als das gleiche Leistungsniveau ist für sie der respektvolle Umgang miteinander. Das heißt, auch wenn man nicht in allen Bereichen das sportliche Niveau des anderen erreicht, sollte man sich gegenseitig immer als vollwertige Partner behandeln.
3. Der Blick in den Spiegel
In der erfolgreichen Partnersuche geht es aber nicht nur um den oder die anderen. Die Suche nach dem „Richtigen“ beginnt bei einem selbst. „Eigene Grenzen setzen und Bedürfnisse klar definieren“, erklärt Aletta Bunge, sei das Um und Auf. Nur so kann der oder die Neue beurteilen, ob er oder sie diese Eigenschaften und Erwartungen überhaupt erfüllen kann.
Aletta Bunge nennt dazu ein Beispiel aus ihrem eigenen Leben: „Ich möchte wieder mehr Skitouren gehen, bin aber nicht besonders routiniert darin. Wenn ich mir diesen Winter eine Tour ausmache, werde ich das meinem noch unbekannten Tourenpartner ganz klar sagen. Gerade in Sachen Schnee- und Lawinenkenntnisse brauche ich jemanden, der erfahrener ist als ich selbst.“
Im Zweifelsfall kann es beiden Partnern viel Kraft und Nerven sparen, wenn man in der Frage nach den eigenen Skills etwas „dünner“ aufträgt. Vielleicht ist man schon mal eine anspruchsvolle alpine Route im Vorstieg gegangen, aber streng genommen ist das sieben Jahre her. Ein Detail mit – möglicherweise – großen Konsequenzen, wenn man dieses nicht kommuniziert.
Tipp: Um sich ein möglichst objektives Bild vom eigenen Können zu machen, sollte man seine Selbsteinschätzung mit der Fremdeinschätzung von Freunden und Bekannten abgleichen und überprüfen, ob sich diese Beurteilungen decken.
4. Die Chemie muss stimmen
Schweigerin trifft Vielredner. Ehrgeizler trifft Genussmensch. Das Leben ist zu kurz für schlechte Gesellschaft, und allerspätestens nach der gemeinsamen Bergtour will man auf der Hütte mit einem Menschen zusammensitzen, mit dem man den Abend gerne ausklingen lässt. Fernab von Technik und Leistung ist die gute Chemie zwischen zwei Menschen deswegen mindestens genauso wichtig bei der Wahl des richtigen Partners.
„Ich gehe nur mit Leuten in die Berge, mit denen ich mich auch im Alltag gut verstehen würde. Grundsympathie und Harmonie müssen auf Anhieb passen. Ich habe keine Lust, mit jemandem unterwegs zu sein, mit dem ich mich nicht unterhalten kann. Das ist für mich das Allerwichtigste“, erklärt Aletta Bunge.
Lisi Steurer sieht das ganz ähnlich: „Das Technische ist natürlich wichtig, aber das Menschliche muss genauso stimmen. Das fasst dann auch viele weitere wichtige Komponenten zusammen, wie zum Beispiel die gleiche Einstellung und einen ähnlichen Antrieb.“
5. Vom Mitziehen und Loslassen
Der Schlüssel zum Gipfelziel heißt: führen und führen lassen – so wie es die Situation und der Partner oder die Partnerin verlangt. Gerade während der intensiven Vorbereitung auf die nächste Tour, können Bergpartner ein gutes Gespür dafür entwickeln, wo die Stärken und Schwächen des anderen liegen und wie man am besten darauf eingehen kann.
„Einmal pusht der eine, einmal pusht der andere. Wenn das immer so eine einseitige Geschichte ist, dann hält das meistens nicht so lange“ ist Alpinistin Lisi Steurer überzeugt. Paartherapeutin Aletta Bunge findet dafür ähnliche Worte: „Es geht nicht so sehr um das Motivieren, sondern darum, jemanden zu finden, der auf dich eingehen kann. Es gibt Momente, in denen es guttut, wenn jemand die treibende Kraft ist. In anderen Momenten, fühlt sich das Antreiben stressig an.“ Es geht um die Balance.
6. Verlässlichkeit und Vertrauen
Wie in jeder guten Beziehung, die über die erste Phase des Verliebtseins hinausgeht, ist auch Verlässlichkeit ein wichtiges Thema. „Für mich persönlich wird es ganz spannend, wenn es zum ersten Mal wirklich kritisch wird. Wie reagiert mein Partner, wenn die Kacke wirklich am Dampfen ist. Jeder reagiert in einer Extremsituation anders, und die Frage ist, ob man selbst mit dieser Reaktion umgehen kann“, gibt Lisi Steurer zu bedenken.
Es ist kein Zufall, dass eine gute Partnerschaft am Berg viele Analogien zu einer guten Liebesbeziehung bereithält. Eine ausgiebige Bergtour lässt sich wie das bewegte Leben eines Ehepaars erzählen: Die Euphorie des Aufstiegs erinnert an die Schmetterlingsgefühle der ersten Monate, die ersten gemeinsamen Anstrengungen verlangen nach Kompromissbereitschaft und Durchhaltevermögen.
Es folgen unerwartete Herausforderungen, die die verborgenen Seiten des Partners zum Vorschein bringen. Am Ende, nach einigen zurückliegenden Höhen und Tiefen, Anstrengungen und Glücksgefühlen, steht man dann gemeinsam oben und genießt den Ausblick auf das, was war. Und blickt vielleicht sogar auf den nächsten Gipfel, der neue gemeinsame Abenteuer bereithält.
Aletta Bunge ist passionierte Kletterin und Bergsteigerin und begleitet als systemische Paartherapeutin Kletterpaare und Paare, die klettern. Sie kennt die typischen Konflikte und Rollenklischees, die Paaren am Fels und im Alltag im Wege stehen, genauso wie Wege zu einer harmonischen Partnerschaft.
Lisi Steurer ist Ski- und Bergführerin sowie exzellente Kletterin und Bergsteigerin aus Osttirol. In ihrer bald 20-jährigen Karriere hat sie schon einiges am Berg erlebt: kleine Ausraster, große Ängste und innige Seilschaften, bei denen man nicht mehr viel reden muss.
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