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Zwischen Atlantikküste und Lissabon: Freeriden in Portugal

Reise

5 Min.

05.11.2018

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von Maria Sendlhofer-Schag

Wenn schon Portugal per Bike erkunden, dann gründlich – dachte sich Bikefex Maria Sendlhofer-Schag. Sie fuhr lange Küstentrails am Atlantik, flitzte durch Lissaboner Altstadtgassen und tappte in die Fado-Falle.

Eine meiner unangenehmsten Macken ist die unbändige Vorfreude auf ein neues Abenteuer, die mich in der Nacht, bevor „es“ losgeht, selten ein Auge zumachen lässt. Wenn dann das Taxi um 4 Uhr morgens vor der Tür steht und ich wenig später zwischen Bikes und Taschen geklemmt Richtung Flughafen unterwegs bin, pushen mich meine körpereigenen Drogen stärker als drei doppelte Espressi. Holger und Rene dagegen schlafen noch mit offenen Augen.


Neoprenzwang im Surfer-Paradies

Die Sonne in Lissabon begrüßt uns mit einer herzlichen Umarmung. Endlich im Portugal Surfcamp von Martin Roll, in Ericeira an der Atlantikküste, angekommen, krame ich als Erstes die Flip-Flops aus der Tasche. Doch bevor wir überhaupt eine Chance haben, unsere Bikes zusammen zu bauen, steckt uns Holger schon in dicke Neoprenanzüge und ein Board unter den Arm. „Swell“, „Tide“ und noch ein paar Fachbegriffe aus dem Surfer-Jargon, die ich nicht verstehe, sollen uns anspornen.

Sonne hin oder her – der Atlantik ist eiskalt. Ein Bergsee erinnert da im direkten Vergleich eher an ein Thermalbecken. Nach der gefühlt hundertsten Nasen- und Gehörgangsspülung beschließe ich für mich: Als Einwohnerin eines Binnenlandes ist es völlig ok, wenn ich Wasser in anderen Aggregatzuständen den Vorzug gebe.

Ich bleibe lieber an Land – schließlich haben wir uns mit Locals zum Biken verabredet. Die nennen sich WEride und bestehen aus einem sympathischen Haufen Nebenerwerbs-Guides mit viel Enthusiasmus für die Sache. Unter dem blauen WEride-Trikots verstecken sich ein Lehrer, ein Architekt und ein Opernsänger. Interessante Menschen, die sicher viel Spannendes zu erzählen wissen und alle geheimen Ecken ihrer Heimat kennen.


Sintra: Am westlichsten Punkt des Kontinents

Unser erstes Treffen findet in der Kleinstadt Sintra, westlich von Lissabon, statt. Der angrenzende Naturpark Sintra-Cascais reicht bis zur Küste und markiert mit Cabo da Roca den westlichsten Punkt Kontinentaleuropas. Die Kulturlandschaft zählt seit 1995 zum UNESCO Weltkulturerbe.

„Wir fahren bergauf lieber gemütlich und lassen es bergab dann krachen“, werden wir kurz über die persönlichen Vorlieben unserer Guides in Kenntnis gesetzt. Mit einem ungläubigen Blick schaue ich abwechselnd in Hugos strahlende Augen und auf sein 34er-Kettenblatt. Sein nigelnagelneues Carbon-Enduro glänzt in der Sonne und ich pappe mir noch eine Schicht Sunblocker auf meine Beinchen, in der Hoffnung, dass sie vielleicht doch noch eine zaubertrankartige Wirkung entfalten möge. Wenigstens rieche ich gut.

Kurze Zeit später stehen wir in einem dichten, feuchten Wald. Die Trails sind schnell und steil, teilweise mit eingebauten Sprüngen und Anlegern - dazwischen erwarten uns immer wieder moosige Steine und nasse Wurzeln, Baumslaloms, kleine Holzbrücken und Furten.


Zähne zeigen am „Donkey Trail“

Die Jungs geben Gas und lassen es krachen. Holger und Rene heften sich dicht an Hugos und Miguels Hinterrad. Mir fehlt diese Art Urvertrauen und ich suche mir meine Linie lieber selbst. Sobald ich aber zu weit abreißen lasse, hab ich ganz schön Mühe, an den Herren dran zu bleiben. In flacheren Passagen zeigen auch noch deren 34er-Kettenblätter ihre Zähne: mit meinen 30 Nagern fehlt es mir eindeutig an Biss – da heißt es reintreten bis die Oberschenkel brennen.

Die Zeit verfliegt und nach sieben Stunden und einigen Abfahrten haben wir ordentlich Höhenmeter in den Beinen. Doch das Beste kommt zum Schluss und nennt sich „Donkey Trail“: ein scheinbar endloser Pfad im Küstengebiet, der uns dann doch noch – gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang – an einem einsamen Strand ausspuckt. Wir sind überwältigt. Und haben einen Bärenhunger.

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Lissabon per Bike

In Lissabon übernimmt Joaõ. Besser gesagt im Parque Florestal de Monsanto. Nein, Gedanken an Pestizide und Gen-Mais sind hier unberechtigt – das 900 Ha große Naherholungsgebiet der Lisbeotas hat nichts mit dem gleichnamigen umstrittenen Saatgut-Konzern zu tun. Vielmehr wurde der von Architekten geplante Park – oder besser gesagt das Hügelgebiet – um 1934 angelegt und komplett aufgeforstet. Hier gibt es Reitwege, Klettergärten, Sportstätten – und natürlich Trails, Trails und nochmals Trails für uns Biker. Doch Vorsicht: in dem Wegegeflecht verliert man leicht die Orientierung, was auch in der nächsten Roaming-Rechnung Spuren hinterlässt: „Beim Bienenstock links?” Da war doch gar keine Abzweigung und überhaupt: welcher Bienenstock?“

Wir genießen diesen riesigen Trail-Spielplatz den ganzen Tag, bis Joaõ uns am späten Nachmittag in die Innenstadt lotst, wo wir eine City Tour mit dem MTB unternehmen. Großartig, überhaupt noch eine der alten Lissabonner Straßenbahnen zu sehen. Ihr auch noch mit dem Bike nachzufahren, ist wirklich etwas Besonderes. Wir cruisen entspannt durch die Fußgängerzone, mit Fahrtwind im Haar statt eines Stadtplans zwischen den verschwitzten Fingern.


Rapunzel in der Fado-Falle

Für acht haben wir einen Tisch in einem kleinen Familienrestaurant reserviert, dessen Inhaber Joaõ kennt. Unsere Bikes parken vor dem Eingang und blockieren fast die gesamte Gasse. Zur ausgezeichneten lokalen Küche wird der Fado gespielt – ein traditioneller portugiesischer Musikstil. Wir lernen schnell, dass man, sobald zu spielen und singen begonnen wird, besser leise kaut und schon gar nicht tratscht. Es wirkt sehr dramatisch.

Die Hausherrin schenkt immer wieder nach, damit man nicht auf dem Trockenen sitzt – wenn der Schein nicht trügt, besucht sie unseren Tisch besonders oft. Dabei rückt sie jedes Mal näher an mich heran, streichelt mal meine Wange, mal meine Haare. Es stellt sich heraus: meine rote Mähne ist der Grund. Kurze Zeit später heiße ich schon offiziell Rapunzel und im dicken Gästebuch klebt neben unseren Namen auch eine meiner roten Locken, wofür es einen Extra-Schmatz gibt.


Nightride durch die Altstadt

Joaõ hat uns gewarnt nicht zu viel zu essen, das war natürlich umsonst. Im Anstieg zur Burg rächt sich das. Wer die Altstadt von Lissabon nicht kennt: die Straßen sind vielerorts sehr steil und die Gassen erinnern oft mehr an Stiegenhäuser als an Gehwege.

Wir genießen einen traumhaften Blick hinüber zum Barrio Alto und auf die Lichter der Stadt. Und hier startet die letzte Abfahrt des Tages: Über die vielen Stiegen und durch die schmalen Gässchen bis direkt ans Ufer des Tejo und zum Triumphbogen. Wir fahren auch Teile der Strecke des City-Downhills. Ein Wunder, dass unsere breiten Lenker nicht doch einmal bei einem Stiegengeländer einhaken. Unten angekommen sind wir voller Endorphine und wieder putzmunter.


Abschied vom ewigen Sommer

Die restliche Zeit erkunden wir das Umland von Martins Surfcamp in Ericeira auf eigene Faust und nehmen den Küstenwanderweg unter die Lupe. Wir genießen unsere Zeit und sammeln Eindrücke, Glücksmomente und Sonnenstunden. Wo im Camp normalerweise die Boards vom Salzwasser befreit werden, duschen wir den Staub von unseren Bikes.

Und wer weiß, vielleicht klappt das mit dem Surfen beim nächsten Mal in Portugal ja doch noch und ich bin gar nicht so eine ausgeprägte Landratte, sondern doch ausbaufähig? Aber bis dahin wird noch viel Portwein fließen und mein Drahtesel etliche Trails herabrollen.


Infos und Adressen: Lissabon und Sintra-Cascais, Portugal

Beste Reisezeit

Die Gegend rund um Lissabon ist grundsätzlich das ganze Jahr über ein lohnendes Reiseziel. In den Wintermonaten und im Frühjahr ist allerdings mit kalten Winden vom Atlantik zu rechnen.

Aktiv-Urlaub

Die Westküste ist ein beliebtes Ziel für Surfer - doch auch Biker und Wanderer haben die farbenprächtige und einmalige Natur zu lieben gelernt. Speziell im Naturpark Sintra-Cascais, in Lissabons grüner Lunge „Monsanto“ und im näheren Umland von Lissabon lässt es sich hervorragend radeln.

Verkehrsmittel: Von Lissabon ist man mit dem Auto in ca. 30 Minuten im Nationalpark Sintra-Cascais oder in Ericeira. Wer die Gegend erkunden möchte kommt um ein eigenes Auto nicht herum. Öffentliche Verkehrsmittel fahren nur in Lissabon regelmäßig – am Land ist man auf einen eigenen fahrbaren Untersatz angewiesen.

Ausflugstipp: 15 Minuten von Ericeira liegt Mafra. Eine kleine Stadt mit leckeren Pastelarias und dem monumentalen Palastbau „Palácio Nacional de Mafra“.