Erinnerungen an drei ganz Große
Biographisches zu David Lama, Hansjörg Auer und Jess Roskelley, mit denen der Alpinismus heute vor drei Jahren drei seiner wichtigsten Leitfiguren verloren hat.
David Lama und Hansjörg Auer aus Österreich, sowie der US-Amerikaner Jess Roskelley starben am 16. April 2019 in den kanadischen Rocky Mountains. Gemeinsam hatten die drei Top-Alpinisten an diesem Tag den 3.295 Meter hohen Howse Peak im Banff Nationalpark über dessen schwierige Ostwand bestiegen. Die Route „M16“ war 1999 erstmals von Steve House, Scott Backes und Barry Blanchard gemacht worden und wegen ihrer Gefährlichkeit nach dem amerikanischen Gewehr-Modell benannt. Ein Lawinenabgang sollte Lama, Auer und Roskelley zum Verhängnis werden.
Alle drei Alpinisten standen dafür, was im heutigen Bergsteigen möglich ist, und David Lama war wohl dessen bekanntestes Gesicht: Geboren 1990 als Sohn eines nepalesischen Sherpas und einer Tirolerin zeigte er bei einem Kletterkurs mit Himalaya-Legende Peter Habeler schon als Fünfjähriger ein ungewöhnliches Maß an Talent am Fels. „Du kletterst wie ein Weltmeister“, sagte ihm Peter Habeler und 2004 war es tatsächlich soweit: Lama wurde in diesem Jahr und nochmals 2005 Jugendweltmeister, zudem war er 2006 der jüngste Weltcupsieger der Klettergeschichte, da er mit einer Ausnahmegenehmigung auch bei den Erwachsenen starten durfte.
Zunehmend begannen ihn die großen Wände und damit das alpine Klettern zu faszinieren. 2008 verkündete er, dass er den „unmöglichen“ Cerro Torre in Argentinien frei, also ohne die Verwendung von Bohrhaken als Fortbewegungsmittel klettern wolle. Wurde er für diese Ankündigung anfangs noch belächelt, so löste er das Versprechen 2012 ein und ihm war damit eine Weltklasse-Leistung gelungen. Fortan verschrieb sich Lama, der in Götzens bei Innsbruck lebte, besonders herausfordernden Projekten an den Weltbergen. Der akribische Planer lernte das Handwerkszeug des Extrembergsteigens schnell. Als visionären Denker und alpinen Freigeist, der bei „Bergwelten“ vom Start weg als Kolumnist dabei war, interessierten ihn nicht die Normalwege oder medial präsente Gipfel. Er fand seine Linien in Osttirol, in Alaska, oder im Himalaya und erlaubte sich – wie an der Annapurna III in Nepal oder seinem Traumberg, dem 7.821 Meter hohen Masherbrum in Pakistan – öfters zu scheitern und es erneut zu versuchen. Ein letzter Meilenstein gelang ihm 2018 mit der Solo-Erst-Besteigung des 6.895 Meter hohen Lunag Ri im Himalaya.
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Spiel mit den Grenzen
Einige seiner Expeditionen unternahm David Lama gemeinsam mit Hansjörg Auer. Der sechs Jahre ältere Ötztaler hatte 2007 für Aufsehen gesorgt, als ihm eine – nach wie vor nicht wiederholte – seilfreie Solo-Begehung der 37 Seillängen-Tour „Weg durch den Fisch“ (7b) in der Marmolata-Südwand gelungen war. Auer war genauso wie Lama fasziniert von dem Spiel mit den Grenzen im Alpinen: Er legte noch weitere Free-Solo durch lange Alpen-Wände nach und zeigte sein Allround-Talent genauso bei der Begehung hoher, sehr anspruchsvoller Berge wie dem Kunyang Chhish East (7.400 m) in Pakistan, oder dem Nilgiri South (6.839 m) in Nepal.
Jess Roskelley war der Alpinismus quasi in die Wiege gelegt: Sein Vater – John Roskelley – zählt zu den wichtigsten Höhenbergsteigern der USA in den 1970er und 1980er Jahren. 2003 standen Vater und Sohn gemeinsam am Mount Everest. Der damals Zwanzigjährige war damit der jüngste Amerikaner am höchsten Berg der Welt. Jess machte wie Hansjörg Auer die Ausbildung zum Bergführer und war ebenso fasziniert von der Bandbreite des Bergsteigens: er unternahm komplexe Eistouren in Alaska wie am 6.190 Meter hohen Denali oder in den Kichatna Mountains und durchstieg Wände an den Bergen Patagoniens.
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Ein Selfie vom Unglückstag zeigt das Trio noch gutgelaunt und lächelnd am Gipfel des Howse Peak. Dass kurze Zeit später mit David Lama, Hansjörg Auer und Jess Roskelly drei der erfahrensten Alpinisten der Gegenwart tot sein sollten, zeigt wie real und radikal die Gefahren beim extremen Bergsteigen sind.
Mit David verloren wir von der Bergwelten-Redaktion nicht nur einen Kolumnisten, sondern auch einen Freund, dessen Leidenschaft für die Berge uns stets inspirierte.
Video-Tip: Ein Jahr nach dem Lawinenunglück am kanadischen Howse Peak strahlte ServusTV eine Hommage an die drei unvergesslichen Klettersportler aus. Hier könnt ihr euch die Bergwelten-Doku „Den Himmel erklommen“ (51 min) ansehen.