Ginzling – Beschauliches Kleinod im Zillertal
Foto: Naturpark Zillerrtal
von Uwe Schwinghammer
Im beschaulichen Ginzling in Tirol nahm der Zillertaler Tourismus einst volle Fahrt auf. Heute findet man hier wieder Ruhe und unzählige Möglichkeiten zum Wandern und Klettern. Uwe Schwinghammer hat das Bergsteigerdorf besucht.
Kurz hinter Mayrhofen teilt sich die Straße nach Ginzling: links geht es durch den Harpfnerwandtunnel, rechts über die Schluchtstraße. Ich entscheide mich zuerst für den Tunnel. Weil dort die Ampel aber gerade rot ist, wende ich und nehme doch den steilen, kurvenreichen Weg hinauf in den Zemmgrund. Ganz ehrlich, der passt auch viel besser zu einem Bergsteigerdorf.
In Ginzling angekommen, ist das Naturparkhaus – Ginzling ist praktisch vom Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen umgeben – meine erste Anlaufstelle. Geschäftsführer Willi Seifert muss noch dringend ein paar Einladungen verschicken. Die Auswilderung von fünf jungen Steinböcken zur Stützung der Population steht an. Doch dann hat er Zeit, um ein bisschen über das Bergsteigerdorf Ginzling und den Naturpark zu erzählen, über Geschichten und Geschichte…
Nabel der Bergsteigerwelt
Es ist wohl ein Treppenwitz eben jener Geschichte, dass ausgerechnet hier, in Ginzling und Dornauberg mit seinen heute rund 400 Einwohnern, einst die Wiege des Zillertaler Tourismus stand. Vor 150 Jahren „spielte es sich hier ab“, während heute tote Hose herrscht. Zumindest wenn es um Pistenkilometer und die Anzahl der Schirmbars geht. Wenn man freilich den Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen mit seinen endlosen Wander-, Kletter- und Skitourenmöglichkeiten als Maß heranzieht, dann ist Ginzling immer noch ein Nabel der Bergsteigerwelt.
Der Geographiestudent und spätere Professor Ferdinand Löwl war einer der ersten, der als Sommerfrischler in den Zemmgrund kam und das, was er dort sah und was ihm gefiel, in die Welt hinaus trug. Er schrieb das Buch „Aus dem Zillerthaler Hochgebirge“ und viele kamen, um zu suchen, was er darin schilderte. So viele, dass 1879 mit der – heute denkmalgeschützten – Berliner Hütte die erste Schutzhütte im Zillertal gebaut wurde.
Allein das Treppenhaus mit seinem Luster ist sehenswert. Viele andere Hütten folgten und schon wenige Jahre später wurde ein Übergang zum benachbarten, ebenfalls neuen Furtschagl-Haus errichtet. Die erste Etappe des legendären Berliner Höhenweges, der bis heute jeden Sommer Hunderte Wanderer anzieht, war entstanden.
Schrullige Typen
Auch legendäre Bergsteiger brachten Ginzling und Dornauberg in dieser Zeit hervor: Der Joseler Jörgl (der eigentlich Georg Samer hieß), der Sagschneider Heinrich (Heinrich Moser), oder Hans Fiechtl. Sie bestiegen mit und ohne Gäste nach und nach alle umliegenden Gipfel, machten Touren, die auch heute noch anspruchsvoll sind: Hochfeiler, Schwarzstein, Großer Löffler, Großer Mörchner, Olperer …
Moser begann auch mit dem Skilaufen, was die Nachbarn zu der Aussage veranlasste, „der Sagschneider spinnt“. Und Fiechtl ist bis heute Kletterern durch den gleichnamigen Haken ein Begriff. Die Liste bekannter Bergsteiger und Kraxler lässt sich bis heute fortsetzen. So ist etwa Gerhard Hörhager, einer der Sportkletterpioniere des Tales, mit den Felsen rund um die Berliner Hütte aufgewachsen.
Unberührte Gründe
Heute ist das Bergsteigerdorf Ginzling in den Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen eingebettet. Das Ruhegebiet Zillertaler Hauptkamm besteht schon seit 1981, im Jahr 2001 erhielt es das Prädikat Hochgebirgs-Naturpark. Im Jahr 2015 wurde das Schutzgebiet sogar zum Naturpark des Jahres gekrönt. Von Mai bis Oktober werden über 200 geführte Wanderungen zu 40 verschiedenen Themen angeboten.
Ein besonderes Anliegen ist den Verantwortlichen des Naturparkes der Erhalt sowohl der Natur, als auch der Kulturlandschaft. Denn schließlich wird das Gebiet auch seit Jahrhunderten landwirtschaftlich genutzt. Einzige große technische – wenngleich sehr spektakuläre – Bauten im Naturpark sind die Stauseen Speicher Zillergrund, Speicher Stillup und unweit von Ginzling schließlich der Schlegeisspeicher. Ansonsten sind die Gründe, wie im Zillertal die Täler genannt werden, völlig unberührt. Abgehend vom Zemmgrund, in dem Ginzling und Dornauberg liegen, sind das der Floitengrund, die Gunggl und der Zamser Grund. Letztgenannter führt zum Pfitscher Joch und nach Südtirol ins nächste Schutzgebiet.
Wer wenig Zeit hat, so wie ich bei meinem Besuch, für den ist das übrigens eine ideale Wanderung, um ein bisschen Bergluft zu schnuppern. Vom Schlegeisspeicher geht es recht gemächlich auf dem breiten Forstweg bis in den Talschluss des Zamser Grundes. Dann kommt ein kurzer, aber steiler Aufschwung, der nicht ohne Grund „Jochschinder“ genannt wird. Nach insgesamt zwei bis zweieinhalb Stunden ist man oben beim Jochsee, genießt den herrlichen Ausblick ins Südtiroler Pfitschertal und auf die gegenüberliegenden Pfunderer Berge. Und auch wenn wir in der EU sind und in den hässlichen Grenzhäuschen keine Polizisten oder Zollwachebeamten mehr sitzen, sollte man doch einen Ausweis mitnehmen. Schließlich liegt das Pfitscher-Joch-Haus, eine leider etwas unpersönliche Hütte, die dafür aber eine ausgezeichnete Pasta serviert, schon auf italienischem Staatsgebiet.
Touren
Vom Schlegeisspeicher zum Jochsee und, falls die Zeit ausreicht, auf den mächtigen Grawandkofel.
Hochtour: Scharfmacher und Grawandkofel - Schwere Hochtour auf den Tuxer Kamm innerhalb der Zillertaler Alpen vom Schlegeisspeicher auf Schrammacher (3.411 m) und Grawandkofel: grandiose einsame Hochtour auf einen mächtigen Dreitausender im Grenzgebiet zwischen Tirol und Südtirol mit leichten Kletterstellen im Schatten des Hochfeiler. Lange Wanderung zum Pfitscherjoch-Haus samt Übernachtung. Eine lohnende Hochtour mit Ausblick auf die umliegende Gipfelkette der Zillertaler Alpen in Tirol.
Einer der bekanntesten Höhenwege Europas umrundet quasi das Bergsteigerdorf Ginzling – der Berliner Höhenweg.
Die Sportkletter- und Bouldergebiete rund um das Bergsteigerdorf Ginzling sind legendär: Besser wird der Fels nicht.
Neue Touren: Bouldern im Ginzling Wald
Schöne Wanderung zum Friesenberghaus.
Wanderung zum Friesenberghaus vom Schlegeisspeicher
Etwas einfacher, aber immerhin ein Dreitausender – das Schönbichlerhorn.
Schönbichler Horn
Auf die Berliner Hütte vom Gasthaus Breitlahner.
Wanderung zur Berliner Hütte vom Gasthaus Breitlahner
Infos und Adressen: Ginzling im Zillertal
Einkehren und Übernachten
- Hier ist man immer gut aufgehoben: Gasthof Karlsteg
- Schöne Zimmer, leider kein Wirtshaus mehr: Ferienwohnungen Ginzling
- Ein wunderschönes, altes Gasthaus, das man gesehen haben sollte: Alpengasthaus Breitlahner
Links
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