Alpe Adria Trail: Heimat bist du wunderschöner Fleckerl
Foto: Ernst Merkinger
Unser Pilger 2.0 Ernst Merkinger ist wieder unterwegs – dieses Mal über die Alpen. Rund um den Millstätter See in Kärnten lief zuletzt nicht alles „rund“ – doch lest selbst!
Eigentlich bin ich es ja nach meiner letztjährigen Pilgerreise nach Marrakesch gewohnt, dass ich den kürzesten aller Wege nehme, der mich oft an landschaftlich mäßig schönen Leckerbissen vorbeiführt. Dieses Jahr ist die Sache ein wenig anders. Jetzt folge ich einem grün-rot-blauen Schild auf dem „Alpe Adria Trail“ steht. Diese Markierung führt mich mal 1.000 Höhenmeter rauf zu Almen, die eine solche Biodiversität vorweisen, dass die eine oder andere Biene sich wegen des Überangebots nicht entscheiden kann, ob sie zu Blume A,B,C,D,E… oder Z fliegen soll. Manchmal führt es mich in Täler, wo ich auf Einheimische treffe, die Geschichten zu erzählen haben, dass einem die Spucke wegbleibt.
Dann sind da auch noch die Berge. Berge, die ich, als Niederösterreicher in dieser Wucht nicht kenne. Im Rücken der Großglockner. Vor der Nase die Dolomiten. Wenn ich ins Tal blicke, sehe ich den Millstätter See. Wenn ich in mich gehe, habe ich den Stappitzer See und die frei herumlaufenden Kühe vor meinen Augen. Wenn ich in mich gehe, kann ich noch ganz genau den Duft der Hollerblüten entlang des Forstweges von der Falkensteinburg Richtung Gappen riechen. Dann waren da auch noch die unzähligen Sonnenuntergänge, die Begegnung mit einer Ex-ÖSV-Skirennläuferin, die ihre neue Passion gefunden hat, Dialoge mit gleichgesinnten Wanderfreunden, Kärntner Gaumenspektakel, das ins Wasser Springen nach einem anstrengenden Tag und, und, und. Geschichten, die einem aufzeigen wie privilegiert der Österreicher/ die Österreicherin ist, hier geboren worden zu sein. Oder wie es Bundespräsident Alexander Van der Bellen kürzlich nicht besser ausdrücken hätte können: „Wir können uns glücklich schätzen in der Geburtslotterie gewonnen zu haben, zu einem Zeitpunkt geboren worden zu sein, als der Krieg am Ausbluten war und der Friede nicht mehr fern. Das hat sich keiner ausgesucht, das ist ein Geschenk, das wir uns erst verdienen müssen.“
Glücklich schätzen
Heute bin ich von der Künstlerstadt Gmünd nach Seeboden am Millstätter See eine Baby-Tour gegangen, aber nachdem heute einiges schiefgelaufen ist, war ich nicht besonders gut drauf. Wahrscheinlich war der Uranus im Neptun oder, das kann auch sein, der Kakadu mit dem Wassermann im Clinch, weil mein Sternzeichen, der Steinbock, war energetisch durch berufliche und private G´schichtln irritiert. Dann waren da auch noch morgendliche Fußschmerzen, aus mysteriösen Gründen war der Akku des iPhones viel zu rasch leer, keine Alpe Adria Trail Zeichen mehr, weil ich mich verirrt habe…
Ja, da hat sich ein innerliches Unwetter zusammengebraut – bis zu jenem Zeitpunkt, an dem ich an einem Waldrand einen wild gepackten Koffer mit Klamotten gesehen habe. Ob der Koffer tatsächlich einer Flüchtlingsfamilie gehörte, weiß ich nicht, aber ich habe zumindest an die zehntausenden Flüchtlinge, die vor dem Krieg zu Fuß nach Österreich geflüchtet sind, denken müssen. Tja, da hat mir, dem privilegierten Ernst aus Österreich, der nichts dazu beigetragen hat in diesem wunderschönen und sicheren Land geboren worden zu sein, die Fantasie einen Streich gespielt. Aber dem nicht genug. Ihr müsst wissen, dass ich sehr gern meine Trinkflasche in meiner rechten Hand am Henkel halte, hin und her schwinge und dann kann´s schon mal vorkommen, dass sie an meinen rechten Oberschenkel knallt und einen „GONG“ hinterlässt, der mich an den Ratschlag des buddhistischen Mönchs Thích Nhất Hạnh erinnert: „Bei jedem Läuten der Glocken oder Gongen sollst du dich auf dein tiefes Ein- und Ausatmen besinnen.“ Nach dem „Koffer-Meet & Greet“ habe ich mich daran erinnert und besonnen. Spätestens nach dem dritten Aufguss beim Moserhof in Seeboden war der Ärger über diverse Lappalien verflogen.
So ist´s mit dem Weitwandern durch das Bundesland Kärnten. Ein tägliches Erinnern, welch landschaftlichen Zauber und Reichtum Österreich in sich trägt, den es zu behüten, zu teilen und dankbar zu begegnen gilt.
Hier seht ihr die weitere Routenplanung von Ernst.
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