Berg-ABC: Liebesseilschaft
Foto: Leandro Alzate
von Martin Foszczynski
Die alpine Sprache treibt oft seltsame Blüten, und nicht jedes Berg-Phänomen ist Flachländern so klar wie ein Gebirgsbach im Frühling. Von A wie Almabtrieb bis Z wie Zirbenschnaps: Das Bergwelten Berg-ABC gibt Auskunft. Mit Augenzwinkern.
Liebesseilschaft, die
In Zeiten von Fifty Shades of Grey hat der Begriff „Liebesseilschaft“ einen etwas zweifelhaften Anstrich. Doch wer dahinter Anstößiges wähnt, der irrt. Die Seilschaft steht in der Welt der Berge für grundsolide Werte, wie Sicherheit, Schutz und Vertrauen. Konkret bezeichnet sie eine durch ein Berg- oder Kletterseil verbundene, und somit gegen Absturz gesicherte Gruppe von mindestens zwei Personen. Eine Liebesseilschaft ist schließlich dort gegeben, wo im Kletterpartner mehr als nur ein lebender Bohrhaken oder notwendiger Ballast auf dem Weg zum Gipfel gesehen wird.
Über die statistische Verlobungsrate unter Kletterkursteilnehmern ist nichts bekannt – ein Blick in den Bekanntenkreis ergibt aber durchaus Treffer. Auch einige Promi-Seilschaften gibt es: die jungen Kletterprofis Barbara Zangerl und Jacopo Larcher etwa haben sich bewusst für ein gemeinsames Leben im Schlepptau entschieden. Über Gründe für den Liebesturbo Klettersport kann man nur mutmaßen, sie liegen aber auch irgendwie auf der Hand. Egal ob im Vor- oder Nachstieg – der Kletterpartner präsentiert sich tendenziell von einer reizvollen Seite. Abgesehen davon unterscheidet sich die Liebesseilschaft nicht wesentlich von geerdeten Beziehungen: Es gibt viele Höhen und Tiefen, so manchen Durchhänger, und meistens hat die Sache auch einen Haken.
Soweit also alles klar. Das Wandeln auf dem schmalen Grat der Liebe wirft aber auch viele Fragen auf: Besteht ein Zusammenhang zwischen Liebestaumel und Absturzrate? Gibt es neben der Liebes- auch eine Zweck-Seilschaft? Ist ein Seilschafts-Seitensprung möglich? Wer bekommt im Falle einer Seilschafts-Scheidung das Seil?
Sicher ist nur eines. Wer blöd fällt, reißt die anderen mit in den Abgrund – ein Phänomen, das auch in der profanen Ausprägung der Seilschaft im Bereich der Politik und Wirtschaft (auch „Freunderl- oder Vetternwirtschaft“ genannt) häufig zu beobachten ist. Deshalb gilt für die Liebesseilschaft im Besonderen, was für jede Partnerschaft selbstverständlich sein sollte: Es prüfe, wer sich bindet!
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