Bergberuf: Alpin-Sachverständiger
Bergführer und Sicherheitsexperte Peter Plattner stellt seinen eigenen Beruf vor: den des Alpin-Sachverständigen.
Was ist ein Alpin-Sachverständiger?
Sachverständige (SV) oder Gutachter gibt es für jeden Bereich unseres Lebens. Von der Medizin über den Straßenverkehr bis hin zum Baubereich sind sie in sogenannte Fachgruppen eingeteilt und kommen immer dann zum Einsatz, wenn die Expertise einer Person mit besonderem Fachwissen gefragt ist. Das gilt auch für den alpinen Bereich. In Österreich gibt es Alpin-Sachverständige für folgende Fachgebiete und Fachgruppen:
1. Fachgebiet „Sportunfälle“
- Fachgruppe „Alpinistik“
- Fachgruppe „Alpiner Skisport“
2. Fachgebiet Bergrettung, Lawinenkunde, -Unfälle und -Schutz
- Fachgruppe „Sicherheitswesen“
Wer in diesen Bereichen als Sachverständiger arbeitet muss also von seinem Metier sehr viel Ahnung haben, um imstande zu sein, Fragen beziehungsweise Aufträge vom Gericht in Form eines Gutachtens zu beantworten.
Sicher unterwegs am Berg
Wie wird man Alpin-Sachverständiger?
In Österreich muss die Frage lauten: „Wie wird man allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger“? Ein solcher ist in der Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste vom Bundesministerium für Justiz gelistet und kann je nach Fachgebiet oder Gerichtssprengel gefunden und beauftragt werden.
Um vom Präsidenten des jeweiligen Landesgerichts in die Liste eingetragen zu werden, muss man ein eigenes Zertifizierungsverfahren nach dem Sachverständigen- und Dolmetschergesetz zur entsprechenden Qualitätsprüfung durchlaufen. Dazu müssen wiederum folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Kenntnis der wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, des Sachverständigenwesens, der Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens.
- Mindestens zehn Jahre Berufserfahrung in verantwortlicher Stellung im jeweiligen Fachgebiet. Gibt es ein entsprechendes Hochschulstudium reicht eine fünfjährige Tätigkeit aus. Der Bergführer beispielsweise erfüllt nach zehnjähriger Berufstätigkeit fachlich die Voraussetzungen für das Fachgebiet Alpinistik und Lawinenkunde/-Unfälle, nicht aber für den Apinen Skisport oder die Bergrettung. Dazu müsste er auch staatlicher Skilehrer beziehungsweise Bergretter sein. Die Sachkenntnisse werden in einem Fachgespräch geprüft.
- Daneben müssen noch weitere Kriterien erfüllt werden – beispielsweise die körperliche und geistige Eignung, der Besitz der österreichischen/EU-Staatsbürgerschaft, der Wohnort im jeweiligen Gerichtssprengel, ...
- Nach Bestehen der Prüfungen wird auch eine entsprechende Haftpflichtversicherung verlangt, die zum Beispiel der Verband der zertifizierten Gerichtssachverständigen Österreichs seinen Mitgliedern anbietet.
Die Länderorganisation dieses Verbands bietet angehenden Sachverständigen übrigens auch ein zweitägiges Grundseminar („Rechtskunde für SV“) an, dessen Inhalt nebst fachspezifischer Themen von einer Kommission geprüft wird.
Was macht ein Alpin-Sachverständiger?
Der Alpin-Sachverständige wartet auf eine Beauftragung durch ein Gericht beziehungsweise einen Rechtsanwalt und verfasst dann ein Gutachten im Rahmen eines straf- oder zivilrechtlichen Falls. Vor allem nach Lawinenunfällen muss er seine Arbeit möglichst zeitnah verrichten, idealerweise noch am Tag des Unfalls. Oftmals ist er schon gemeinsam mit der Alpinpolizei vor Ort, um den Befund aufzunehmen. Nach einigen Wochen erhält der Sachverständige den kompletten Gerichtsakt, unter anderem mit den Einvernahmen der Polizei. Darin finden sich auch konkrete Fragen des Staatsanwalts, die es im Rahmen des Gutachtens bestmöglich zu beantworten gilt.
Privatsachverständige werden nicht vom Gericht, sondern von Privatpersonen beauftragt – beispielsweise, wenn sich diese als Unfallbeteiligte auf eine etwaige Verhandlung vorbereiten möchten oder aber um sich vor der Fertigstellung des gerichtlichen Gutachtens eine eigene Bewertung einzuholen.
Ein Sachverständiger wird – ebenso wie die Alpinpolizei – niemals über juristische Begriffe wie „Schuld“ oder „Fahrlässigkeit“ urteilen. Er ist zur Objektivität verpflichtet und muss sein Gutachten aus einer ex ante Position schreiben. Das heißt: Er muss die getroffenen Entscheidungen mit dem Wissensstand vor dem Unfall beurteilen und ausführen, ob alles so gemacht wurde wie es auch die durchschnittlich sorgfältige „Maßfigur“ getan hätte. Das erklärt auch, warum beispielsweise bei einem staatlich geprüften Bergführer ein höherer Maßstab angelegt wird als bei einem Wochenend-Tourengeher.
Darüber hinaus muss der Sachverständige in seinem Gutachten komplexe Vorgänge auch für Laien (Richter, Anwälte, ...) nachvollziehbar darlegen können. Eine gewisse sprachliche Kompetenz ist hierbei also von Vorteil. Der Sachverständige nutzt sein Gutachten nicht dazu, seine persönlichen Ansichten darzulegen – tut er das, hat er seinen Job verfehlt.
Was macht ein Alpin-Sachverständiger nicht?
Gott und der Welt – gefragt oder ungefragt – seine private Meinung über einen Unfall erzählen! Ein Sachverständiger weiß besser als jeder andere, dass eine umfassende Bewertung – wenn überhaupt – erst dann möglich ist, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Das kann unter Umständen Wochen dauern und ist zumeist mit sehr viel Arbeit und Recherche verbunden.
Was verdient ein Alpin-Sachverständiger?
Das ist abhängig vom Auftrag und dem Umfang der Arbeit für die Erstellung von Befund und Gutachten. Während ein „klassischer“ Kletterhallenunfall oft sehr rasch aufgearbeitet ist, kann zum Beispiel die Arbeit an einem Lawinenunfall sehr aufwendig und zeitintensiv sein. Entsprechend den Gebührennoten und dem Stundensatz des Sachverständigers entstehen so Kosten im Bereich von 1.500 - 4.000€. Bei höheren Kosten muss das Gericht vorab informiert („gewarnt“) werden.
Insgesamt kommt es in Österreich zu relativ wenigen Alpinunfällen, zugleich gibt es aber verhältnismäßig viele Alpin-Sachverständige, sodass die Auftragslage mitunter schwierig sein kann. Lediglich im Bereich der Unfälle auf Pisten kann man mit regelmäßigen Aufträgen rechnen.
Kann ein Alpin-Sachverständiger jeden Auftrag annehmen?
Nein. Manche Aufträge muss er ablehnen, zum Beispiel wenn er keine zeitlichen Ressourcen hat und somit nicht sofort zum Unfallort kommen kann oder aber die kommenden Wochen im Ausland ist. Andere Aufträge muss er eventuell aus Befangenheit ablehnen, wenn er zum Beispiel eine beteiligte Person kennt und damit kein objektives Gutachten erstellen kann. Da viele Alpin-Sachverständige auch Bergführer sind, ist es mitunter üblich bei Unfällen mit Bergführerbeteiligung einen Sachverständigen aus dem benachbarten Ausland oder aus einem anderen Gerichtssprengel zu engagieren.
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