Cenzi von Ficker und Lisi Steurer: Zwei Tirolerinnen
Auf den Gipfel hat sie verzichtet, aber dafür den ganzen Berg bekommen: Der Tirolerin Cenzi von Ficker wurde 1903 der Uschba im Kaukasus geschenkt. Eine Ehre, die einmalig ist in der Alpingeschichte.
Text: Veronika Dolna
Mit ihrem Bruder und anderen Männern war die junge Innsbruckerin aufgebrochen, um den Südgipfel des Uschba erstzubesteigen, der damals als schwierigster Berg der Welt galt. Als bloßer Aufputz war Cenzi allerdings nicht dabei. Sie hatte den Ruf, Innsbrucks kühnste Kletterin zu sein – und sie liebte rassige Touren. Am Uschba schaffte sie es aber nur fast auf den Gipfel. Sie transportierte einen verletzten Kameraden ab und nahm am zweiten Versuch, der erfolgreich war, nicht mehr teil.
Der georgische Fürst Tarchan Dadschkeliani von Swanetien war trotzdem so beeindruckt, dass er der Tirolerin kurzerhand den ganzen Berg schenkte. Die Tirolerin, die seither „Uschbamädel“ genannt wurde, bekam eine Urkunde und damit ein Stück Kaukasus.
„Ich glaube, Cenzi war keine, die etwas erzwingt. Es ging ihr nicht um Ruhm, sondern ums Abenteuer“, sagt Lisi Steurer (rechts). Die 36-jährige Osttirolerin teilt diese Einstellung mit der ein Jahrhundert vor ihr geborenen Nordtirolerin, deren Gipfelsturm sie im Sommer 2015 vollendete. Für eine „Bergwelten“- TV-Produktion schlüpfte Lisi in die Rolle von Cenzi und bestieg den Südgipfel des Uschba.
Steurer, hauptberuflich Berg- und Skiführerin, teilt die Abenteuerlust mit ihrer historischen Landsfrau. Mit der Deutschen Ines Papert eröffnete sie in Kanada die mit 7c+ bewertete Mehrseillängenroute „Power of Silence“, sie brillierte bei der Erstbesteigung des Sarpo Laggo Peak in Pakistan. Wie Cenzi hat auch sie ein unvollendetes Projekt: Zweimal musste sie am Fitz Roy in Patagonien umkehren. Einmal ganz oben am Fitz Roy zu stehen wäre für sie das größte Geschenk. Auch wenn’s dafür keine Urkunde gibt.
Facts: Cenzi von Ficker und Lisi Steurer
Geboren: Cenzi: 1. September 1878 in Innsbruck, † 26. August 1956; Lisi: 16. September 1979 in Lienz.
Epoche: Expeditionszeit bzw. Gegenwart.
Wer sie zum Klettern brachte: die pure Begeisterung. Cenzi war schon als junges Mädchen Mitglied im Alpenklub, Lisi kam in der Schule auf den Geschmack.
Was sie zu Bergheldinnen macht: Bei schwierigen Besteigungen sind sie keine Quotenfrauen, sondern ausdauernde, starke und entscheidende Mitglieder.
Lieblingsplatz: Cenzi: das Karwendel; Lisi: die Dolomiten. Weil die vielen Gebirgsstöcke und der Kulturenmix den Weitblick fördern.
Was sie wären, wenn sie keine Bergkarriere gemacht hätten: Gelehrte. Cenzi stammte aus einer Professorenfamilie und galt als hoch gebildet. Lisi studierte Sport-, Kultur- und Eventmanagement und sieht Bergsteigen als persönlichen Ausdruck abseits des Leistungsdenkens.
Was man von ihnen lernen kann: Es geht auch ohne Rummel. Beide haben kein Problem damit, auf großen Starrummel und – wenn’s sein muss – auch auf einen Gipfel zu verzichten
Warum sie die Bergsteigergeschichte mitschreiben: weil sie abseits der Titelseiten Höchstleistungen erbringen.
Dieser Artikel erschien erstmals im Bergwelten Magazin April / Mai 2016.
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