Der kühne Melker aus Escholzmatt
Nicht nur mutig, sondern auch äußerst schlau war der Sage nach ein junger Melker im Luzerner Bergland. Auf diese Art beseitigte er ein Ungeheuer von der Escholzmatter Alp, wodurch man in dieser herrlichen Gegend heute wieder bedenkenlos wandern kann.
- Ort: Escholzmatt, Luzern
- Gebirge: Emmentaler Alpen
Im grünen Entlebuch im Luzerner Bergland wohnte einmal ein junger Melker. Der hörte, dass es auf einer Alp hinter Escholzmatt ganz und gar unheimlich zugehe und dort kein Hirte mehr mit seinem Vieh sömmern wollte. Von Weitem sah man, dass dort eine gespenstische Alpwirtschaft betrieben wurde. Man hörte das Herdengeläute und sah aus dem Hüttendach blauen Rauch aufsteigen, aber nie bekam man einen Menschen zu Gesicht.
Nur der junge Melker fürchtete sich nicht. Eines Tages stieg er tatsächlich mutterseelenallein auf die Escholzmatter Alp. Als er die Grenze der totenstillen Weiden überschritten hatte, wurde es ihm doch etwas mulmig zumute. Kein Hauch wehte hier oben, kein Blümlein und kein Halm bewegten sich. Er klopfte an die Türe und sie ging von selber auf. Im Herd flackerte ein Feuerlein und der Käskessel hing darüber, doch niemand war zu sehen. Durch eine Seitentüre ging es in eine Alpstube mit einem sauber hergerichteten Bett. Der junge Melker schlüpfte hinein und zog den Umhang zu.
Nachdem er eine Weile so dagelegen war, hörte er auf einmal schwere Schritte. Er guckte durch ein Loch im Umhang und sah eine fürchterliche Gestalt eintreten. Sie hatte einen ungeheuerlichen Kopf und eine grausige Fratze, die nichts Menschliches mehr zeigte. Das Ungetüm schrie: „Das Totengericht ist fertig, es fehlt nur noch der Teller für jenen, der dort im Bette liegt!"
Der junge Melker erschrak von den Haarspitzen bis in die Zehennägel hinunter. Das Gespenst packte seinen Arm – doch jetzt sprach es mit sanfterer Stimme weiter: „Fürchte dich nicht, ich will dir das Leben lassen, wenn du mich erlöst.“
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Der Melker versprach, alles zu tun, um seine Erlösung zu vollbringen – doch ganz so sollte es doch nicht kommen. „Iss!", befahl der Geist dem Melker am Tisch. „Tu's selber“, sagte der Melker. Jetzt holte der Geist Schaufel, Licht und ein Maß herbei, legte dem Burschen alles zu Füßen und schnauzte ihn an: „Heb's auf und trag's in den Keller!“ - „Ich hab's nicht heraufgetragen und trag’s auch nicht hinunter", antwortete der Melker. Da ergriff der Geist die Sachen selber und deutete dem Burschen in den Keller nachzukommen. Dort zeigte der Geist auf einen Winkel und rief mit dröhnender Stimme: „Da, grab's heraus!“ - „Nein“, sagte der Bursche, „ich hab's nicht vergraben und grab's auch nicht aus.“ Jetzt grub das Gespenst selber, bis ein Kessel zum Vorschein kam. „Heb ihn heraus!“, brüllte das Ungetüm. „Tu's selber“, sagte der Melker, „ich hab' ihn nicht hineingetan, ich heb' ihn nicht heraus.“
Nun hob der Geist den vergrabenen Gegenstand selber heraus. Es war ein schwerer Kessel voller Geld. Er teilte die Münzen in zwei Haufen und sprach: „Nun wähle dir einen Haufen! Triffst du den rechten, so ist dein Glück und mir die Erlösung gesichert, sonst aber musst du sterben, und ich muss weiter in der Qual fortleben.“
Flink umarmte der Melker beide Haufen und rief: „Einer wird wohl der rechte sein!“ Da gab es einen Donnerschlag, das Ungetüm verwandelte sich in einen jungen Mann, der ihm dankbar zulächelte und dann als weiße Taube durchs Hüttenloch entschwand. Der kühne Melker aber hatte einen großen Schatz gewonnen und die Alp von dem Ungetüm befreit.
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(Quelle: Meinrad Lienert, Schweizer Sagen und Heldengeschichten, Stuttgart 1915, www.sagen.at)
Die Sage heute: Escholzmatt (lokal Äschlismatt genannt) im Kanton Luzern fusionierte am 1. Januar 2013 mit Marbach zur neuen Gemeinde Escholzmatt-Marbach mit rund 4.300 Einwohnern. Sehenswert sind die große neugotische Pfarrkirche St. Jakob und der Schybi-Stein, der zum Gedenken an den 1653 hingerichteten Bauernführer Christian Schybi vor der Dorfkirche steht.
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