Der Urdensee
Der von Alpweiden umfasste und von Gipfen umrahmte Urdensee auf 2.249 m oberhalb von Tschiertschen in Graubünden ist so malerisch wie sagenumwoben. Eine Sage weiß zu berichten, dass an seiner Stelle einst eine Sennhütte stand. Heute liegt sie – nicht ohne Grund – am Grund versunken.
- Gebirge: Plessur-Alpen
- Ort: Urder Augstberg, Tschiertschen, Kanton Graubünden
Der Urdensee liegt in einem engen Seitental des mittleren Schanfigg zwischen den Gemeinden Arosa und Vaz/Obervaz.
Wo jetzt der See ist, stand vor langer Zeit eine Sennhütte und um die Hütte herum breitete sich eine schöne Alp aus. Dort wohnte ein böser Senn. Einst kam ein armes, altes und schwaches Weib den Weg gezogen, müde und durstig von der weiten Reise. Sie klopfte an der Sennhütte an und bat um eine Labung, aber der Senn antwortete ihr grob: „Mach dich fort, alte Bettlerin, wenn ich allem Lumpenpack, das hier vorüberzieht, Milch geben sollte, so müsste ich selbst bald Hungers sterben.“ Das arme, alte Weib flehte um Gotteswillen nur um eine kleine Labung, damit sie ihren Weg fortsetzen könne. „Meine Knie brechen mir“, sagte sie, „und meine Zunge brennt wie Feuer.“ Der Senn aber schlug die Tür zu. Das Weib sank vor der Türe nieder und als der Senn sie wieder öffnete und es noch dort erblickte, rief er fluchend aus: „Bist du noch da, Alte? Wart, ich will dir Milch geben, dass dein Durst gestillt wird.“ Er nahm den Eimer, molk seine große, rote Kuh und kam dann zum Weib zurück, um ihm zu trinken zu geben. Die Alte trank, dankte dem Senn herzlich und erflehte Gottes Segen auf ihn herunter.
Der Senn aber verzog jetzt seine Züge zu einem spöttischen Hohngelächter, denn er hatte die Milch vergiftet. Kaum hatte die Alte gestärkt ihren Weg fortgesetzt, fühlte sie fürchterlichste Schmerzen im Leib. Als sie sterbend hinsank, verfluchte sie den Senn und seine Alpe. In dem Augenblick donnerte es in der Höhe, ein Blitz schlug in die Hütte ein und sie versank mit dem Senn und mit der roten Kuh in einem See, der an jener Stelle entsprang.
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Noch heute sieht man den Weg, der zur Hütte führte, sich im See verlieren und noch heute sieht man ihn am jenseitigen Ufer wieder aus dem Wasser auftauchen und sich in die Höhe ziehen. Auch sieht man heute noch mitten im See einen schwarzen Fleck - das ist die Sennhütte, die dort versunken ist.
Der Senn treibt bis heute sein spukhaftes Unwesen am See und wurde des Öfteren von Alpknechten in Begleitung eines roten Kühleins gesehen. Alle sieben Jahre steigt er bei furchtbarem Donner und Unwetter aus dem See und melkt über den stürmischen Wellen seine rote Kuh. Dann versinkt er wieder händeringend und mit fürchterlichem Geheul im Urdensee.
(Quellen: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858; www.sagen.at)
Die Sage heute: Man sagt, dass der böse Senn bis heute sein spukhaftes Unwesen am See treibt. Aus diesem Grund wird der das obere Ende des Steilhanges gegen Inner Urden markierende Felsblock heute „Geisterstein“ und der Abhang selbst „Geisterhang“ genannt.
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Die Sage, die in recht unterschiedlichen Versionen existiert, diente dem Streichorchester „Orchestrina Chur“ als Inspiration für eine im Februar 2017 in Arosa, Chur und Scuol aufgeführte „Fantasie für Vibrafon und Streichorchester“.
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